bild von Unternehmerin Und Verkaufsprofi Judith Williams

Judith Williams:
„Bequemlichkeit ist die Eintrittskarte zur Bedeutungslosigkeit.“

Judith Williams ist ein Star des Verkaufsfernsehens, erzielt dreistellige Millionenumsätze mit ihrer Luxuskosmetiklinie und ist Investorin bei der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“. Als ich die Unternehmerin beim #UdZ-Regionaltreffen bei Amazon im 24. Stock des Münchener Highlight Towers treffe, kann ich mir eine Vorstellung davon machen, warum sie alles zum Verkaufsschlager macht. Das positive Lebensgefühl und die Empathie, die sie versprüht, inspiriert jeden Anwesenden im Raum. Im Interview verrät sie mir dann ihr Erfolgsrezept und wie sich Verkaufsprinzipien von Teleshopping auf den digitalen Handel übertragen lassen.

In nur einer Dekade ist die Judith Williams GmbH zur erfolgreichsten Marke im europäischen Homeshopping geworden. Wie erklärst du dir im Rückblick diesen kometenhaften Aufstieg deines Start-Ups?

Um ganz ehrlich zu sein, die wichtigsten Eigenschaften, die man als Unternehmensgründer braucht, sind Demut, Fleiß sowie der Wille, immer wieder aufzustehen und Niederlagen als Chancen zu sehen. Weil ich nicht Betriebswirtschaft studiert hatte, musste ich alles von der Pike auf lernen, aber ich glaube, auch dies war ein Grundstein für den Erfolg. Es war mein ungebändigter Wille, die Arbeitswelt positiv zu beeinflussen. Denn Bequemlichkeit ist die Eintrittskarte zur Bedeutungslosigkeit.

 

"Es ist nicht das Produkt, das du verkaufst, sondern ein Bedürfnis, das du stillst." Judith Williams

 

Bist du auf deinem Weg auch an den Punkt des Zweifelns gekommen?

Ohja, da gab es einige schlaflose Nächste. Allein wenn ich an die Kreditvergabe zur Vorfinanzierung für Wachstumsprogramme meiner Kosmetiklinie denke. Ich hatte Termine bei Banken und wusste, wenn das nicht klappt, dann steht alles auf dem Spiel. Und da hatte ich nicht nur die Verantwortung für mich selbst, sondern auch für 50 Mitarbeiter.

Vera Vaubel und Judith Williams
changelog-Autorin Vera Vaubel trifft Judith Williams zum Interview im Highlight Tower in München.

Wie bist du damit umgegangen?

Dazu vielleicht eine Vorgeschichte: In meiner persönlichen Krise, da war ich Mitte Zwanzig, als ich aufgrund der Hormonbehandlung meines Tumors meine Stimme verlor und meine Karriere als Sängerin aufgeben musste, hat mich mein Vater eines gelehrt: Kein Selbstmitleid zulassen, Demut lässt sich lernen. Nutze Krisen dazu, dich persönlich weiter zu entwickeln. Diese Erfahrung hat mir auch als Unternehmerin sehr geholfen.

Die Marke lebt von deiner Person und deiner Gabe im Fernsehen zu verkaufen, du hast deine Brand auch ins klassische Retailgeschäft gebracht. Hast du jemals darüber nachgedacht, auch digitale Verkaufskanäle zu nutzen?

Online steht definitiv auf unserer Agenda. Wir haben da einiges vor, aber leider kann ich heute dazu noch nicht mehr verraten.

Glaubst du, dass sich die Verkaufsprinzipien von Homeshopping auch auf den Online-Handel übertragen lassen? Was können Online-Shops von dir lernen?

Ich denke, es ist die Sicht der Dinge. Es ist nicht das Produkt, das du verkaufst, sondern ein Bedürfnis, das du stillst. Und jeder, der etwas verkaufen will, muss sich die Frage stellen: Wie erfüllt mein Produkt die Träume meiner Kunden? Das erreichst du mit Storytelling. Nur mit Emotionalität bleibst du relevant. Das funktioniert im Teleshopping und ich bin überzeugt auch in jedem anderen Verkaufskanal, also auch im digitalen Handel.

Was rätst du den Kandidatinnen des Start-Up Programms „Unternehmerinnen der Zukunft“, bei dem du Schirmherrin bist?

Seid mutig. Investiert in euch selbst und reflektiert. Stellt euch die Fragen "Wer bin ich?", "Wo stehe ich?", "Wo will ich hin?". Vertraut eurem Instinkt. Eure Coaches geben euch professionelle Ratschläge, aber die Entscheidung, wo euer Weg und der eures Unternehmens hinführen, die trefft ihr immer selbst. Das Erfolgsrezept liegt in jedem einzelnen von uns.

 

„Mut ist Angst in Bewegung.“ Judith Williams

 

Du bist ein Rolemodel in Sachen Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Was muss sich deiner Meinung nach in der Gesellschaft ändern, um den Aufstieg von Frauen ins Topmanagement zu erleichtern?

Die Erwartungshaltung, dass Frauen beruflich in eine Sackgasse geraten, wenn sie eine Familie gründen, ist obsolet. Wir müssen das alte Rollenverständnis aufbrechen, und da hat jeder seinen Beitrag zu leisten. Dazu müssen in der Familie die Ehemänner genauso viel beitragen wie die Schwiegermütter. Unternehmer müssen Eltern ermöglichen, Kinder in ihre Arbeitswelt zu integrieren. Das sind jetzt nur zwei Beispiele. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Denn wir können es uns heute in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten, auf Frauen in der Arbeitswelt – die ja meist gut ausgebildet und hochqualifiziert sind -  zu verzichten.

Du stehst selbst für Veränderungen ein und hast dich auf deinem Karriereweg schon oft einem Wandel unterzogen. Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Ich habe von so vielen Menschen gelernt und ich bin momentan an einem Punkt, wo ich mein Wissen gerne teilen und weitergeben möchte. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, Menschen und vor allem junge Frauen zu inspirieren und in eine positive Richtung bewegen.

Vielen Dank, liebe Judith, für den offenen Dialog!

 

Weiterführende Links:

Mehr über Judith Williams

Information über das Programm Unternehmerinnen der Zukunft

 

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Bild von Digitalem Visionär: Ryan Mullins

Interview Ryan Mullins:
Über das Verschwinden des Digitalen

Ryan Mullins ist Serial Entrepreneur, digitaler Vordenker und Visionär. Die letzten zwei Jahre hat der US-Amerikaner als Director of Future Trends bei Adidas digitale Zukunftstrends beobachtet und die Sportmarke hinsichtlich ihrer digitalen Strategie beraten. Alles, was Ryan tut, dreht sich um das, was er das Prometheus-Prinzip nennt: Werkzeuge und Technologien demokratisieren, um zu sehen, was Menschen erschaffen. Jetzt gründet er in den USA ein neues Unternehmen, das digitale Streetwear-Startup Aglet. Auf dem Ispo Digitize Summit sprach ich mit Ryan über das Verschwinden des Digitalen und die Rolle von Technologien. Und er verrät seine Learnings, die er Marken und Händlern mit auf dem Weg gibt.

Ryan, wie siehst du die Zukunft des Handels? Welche Rolle werden Brands spielen, welche Händler?

Ich sehe den Handel im Kontext einer wesentlichen Entwicklung: Das Verschwinden des Digitalen. Der stationäre Handel hat einen Fehler gemacht, als er iPads, Screens, magische Spiegel etc. in die Läden gestellt hat in der Hoffnung, der Kunde würde das wollen. Tatsächlich schaffen diese Geräte aber Hindernisse für das Markenerlebnis und die Kommunikation zwischen Kunde und Verkäufer. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft immer weniger kommerzielle Transaktionen im Laden durchführen, das klassische Kaufen wird mehrheitlich online erfolgen. Dafür wird der stationäre Laden für den direkten Kontakt mit der Marke immer wichtiger. Hier findet das Testen von Produkten statt. Es wird mehr Direct-to-Consumer Handel geben und vor allem mehr Consumer-to-Consumer Handel.

 

"Was ich mit Verschwinden des Digitalen meine: Das Digitale wird für uns so selbstverständlich und omnipräsent werden wie es für uns heute die Elektrizität ist."

 

Was genau meinst du mit Consumer-to-Consumer?

Consumer-to-Consumer ist die Weiterentwicklung von eBay oder StockX, also Plattformen, wo Konsumenten an Konsumenten verkaufen. Wenn Produkte wie beispielsweise Sneaker mit den entsprechenden Chips ausgestattet sind, wird derjenige, der die Schuhe trägt, zum Verkäufer, einfach indem die Schuhe gescannt werden. Technologie wird jedem ermöglichen, zum Verkäufer zu werden. Nicht alle kommerziellen Transaktionen werden so ablaufen, aber wir werden hier eine signifikante Steigerung sehen.

Welche Rolle werden dann die Marken haben?

Marken stehen nicht für Produkte, sondern sie bieten den Kunden einen Raum an, wo Kunden Erfahrungen machen können, wo sie ihren Visionen nachgehen können, wo sie ihr Leben ändern können. Sport ist schon immer mit Orten assoziiert, wie z.B. Fußballplätzen, Fitnessstudios etc. In Zukunft wird es für Marken darauf ankommen, diese Orte mit der Marke zu verknüpfen oder selbst zu so einem Ort zu werden. Apple ist dafür ein gutes Beispiel: Wenn man in einen Apple Store geht, kann man dort natürlich auch Dinge kaufen, aber vor allem geht es darum, dort Produkte zu testen. Der Laden funktioniert wie ein Ort, an dem Kunden neue Erfahrungen machen.

Du sprichst über das “Verschwinden des Digitalen”. Was genau wird verschwinden?

Wie oft haben Sie heute schon über die Technologie nachgedacht, die es Ihnen erlaubt, bestimmte Dinge zu tun? Wahrscheinlich so gut wie gar nicht. Das ist eine evolutionäre Entwicklung: Dinge sind nur dann im Fokus der Aufmerksamkeit, solange sie neu sind. Das gilt für die neue Uhr, die neuen Sneaker genauso wie für Technologie. Jede große Technologie wird verschwinden, nicht in dem Sinne, dass es sie nicht mehr gibt, sondern sie wird einfach zu einem Teil unseres Lebens, ohne viel Aufmerksamkeit zu absorbieren. Das Digitale wird für uns so selbstverständlich und omnipräsent werden wie es für uns heute die Elektrizität ist.

 

"Es wird in Zukunft mehr Direct-to-Consumer Handel geben und vor allem mehr Consumer-to-Consumer Handel."

 

Welche Konsequenz hat diese Entwicklung für Marken und Händler?

Die Frage, die sich daraus ergibt, wird sein, wie man als Marke für diese Konsumenten Erlebnisse entwickeln kann? Die Antwort darauf kann nicht lauten, dass wir die Technologie in den Vordergrund stellen und auf VR-Brillen, noch mehr Screens, Magic Mirrors etc. bauen. Man braucht kein Hologramm im Store oder tanzende Außerirdische, um den Konsumenten zu bedienen. Wir müssen nach Anwendungen suchen, die für ihn Sinn machen. Das muss meiner Meinung nach überhaupt nichts super ausgefallenes sein. Die aktuellen Top-Brands für Kids, wie z.B. Supreme oder Balenciaga, sind nicht wegen ihrer Technik angesagt, ihre Attraktivität hat nichts mit Technologie zu tun. Die Magie entsteht allein im Auge des Konsumenten.

Wie kann man diese Magie herstellen- ohne technischen Schnickschnack?

Beispielsweise durch Strategien der Verknappung. Mit den digitalen Plattformen wurde alles überall und jederzeit verfügbar. Deshalb haben erfolgreiche Brands damit begonnen, ihre Produkte zu limitieren. Was ist ein Selfie? Das Festhalten eines ganz bestimmten, nicht wiederholbaren Moments. Diese Momente zu haben und mit anderen zu teilen verleiht heute Status. Genauso ist das mit Produkten. Sneaker sind ein Paradebeispiel für dieses Prinzip. Der Resell-Markt für Sneaker ist dreimal größer als der eigentliche Sneaker Markt! Es gibt Leute, die verkaufen ihre Sneaker schon weiter, bevor sie sie überhaupt bekommen haben. Die Marke spielt hier gar keine Rolle mehr, der Prozess verläuft allein zwischen Konsumenten.

Welche Bedeutung wird in diesem Zusammenhang Customizing  zukommen?

Customizing ist ein großartiges Tool um Läden zu einem besonderen Ort für die Konsumenten zu machen. Die Magie des Ladens entwickelt sich allein daraus, was der Kunde dort machen kann! Die eigene Kreativität und Vorstellungskraft wird zu einem Teil des Geschäfts. Und natürlich ist auch Customization mit dem Konzept der Limitierung verbunden. Viele Konsumenten nutzen diese Möglichkeit schon, aber es wird Zeit, dass diese Idee mithilfe von Machine Learning eine höhere Stufe erreicht. Zwei Probleme sind heute mit Customization verbunden: Selbst designen kostet Mühe und Zeit, und die wollen viele Leute nicht investieren. Ganz nach dem Bestseller „Don’t make me think“: Sobald der Konsument denken muss, geht er. Das zweite Problem: Viele Leute glauben nicht daran, dass sie selbst ein guter Designer sein können. Sobald wir aber soweit sind, über Algorithmen genau die Produkte entwickeln zu können, die dem Konsumenten gefallen, wird Customization zu einer komplett neuen Erfahrung.

 

"Innovationen entstehen durch ungewöhnliche Kombinationen."

 

Welche Rolle wird Geschwindigkeit spielen?

Die Geschwindigkeit, in der künftig Produkte auf den Markt gebracht werden können, spielt eine wesentliche Rolle – es ist kein Zufall, dass gerade die Fast Fashion in den letzten Jahren so stark gewachsen ist. Wir müssen schneller werden! Die ersten Produktbilder erreichen heute schon so früh die Konsumenten, dass sie schon gelangweilt sind, wenn das Produkt erhältlich ist. Die Supply Chain hierfür zu optimieren ist ein Teil des Puzzles. Auch neue Technologien werden hier eine zunehmend wichtige Rolle einnehmen. Nehmen wir Blockchains oder Kryptowährungen – viele Menschen denken, das sei nur ein Trend. Aber das ist ein Fehler. Blockchains werden Teil der Supply Chain werden, weil sie Transparenz ermöglichen und Nachhaltigkeit nachvollziehbar machen. Noch sind wir nicht soweit, aber viele Leute arbeiten daran.

Wie weit verändert die Digitalisierung den Sport? Wo siehst du weitere Erlösquellen?

Ich möchte es ein wenig umschreiben: Mich hat mal jemand gefragt, wie können die Marken heute wieder dahin zurückkehren, echte Sport Brands zu sein? Zu viele Menschen trügen Sportprodukte ohne wirklich Sport zu treiben, und das schade dem Image. Meiner Meinung nach ist das aber die falsche Frage. Wenn man zurück will, ist das der falsche Weg. Die richtige Frage lautet: Wie bringt man den Sport voran? Neue Möglichkeiten für Erlösquellen ergeben sich zum Beispiel durch den e-Sports Boom, auch wenn die heutige Diskussion vorherrscht, dass Video Games schlecht sind und kein Sport. Aber daraus lassen sich neue Umsätze entwickeln. Das Spiel Fortnite hat 2018 drei Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht, ein großer Teil davon durch virtuelle Produkte. Innovationen entstehen auch durch ungewöhnliche Kombinationen, beispielsweise die neue Pharell Williams Kollaboration mit Adidas Originals, wo Tennis und Basketball zusammen kommen. Jede Art von Sport wird heute ‚vermodet‘, bis hin zu den Sportlern selbst, bei denen nicht nur die Leistung interessiert, sondern oft noch mehr, was sie auf dem Weg ins Stadium anhaben. Auch wenn manches lächerlich erscheinen mag, man muss das System Sport als Ökosystem verstehen lernen und daraus Produkte entwickeln.

 

"Blockchains werden Teil der Supply Chain werden, weil sie Transparenz ermöglichen und Nachhaltigkeit nachvollziehbar machen."

 

Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung für den Handel. Welche Tipps würdest du Händlern geben?

Ich würde folgenden Rat geben: Findet Wege, wie ihr eure Kunden stärken und befähigen könnt. Versucht sie besser zu verstehen, und ihr werdet feststellen: Was eure Kunden brauchen ist nicht das, was ihr erwartet hättet. Bleibt innovativ und wagt kontinuierlich Neues, um gegen das Überangebot zu bestehen - die Kunden sind super schnell gelangweilt. Hebt euch ab von eurer Konkurrenz und seid kreativ. Man muss, wie ich anfangs schon gesagt habe, eine gewisse Spannung erzeugen.

Du verlässt adidas und gründest gerade ein Start-up in den USA. Verrätst du uns, worum es dabei geht?

Mein neues Start-up heißt ‚Aglet‘, wie das Ende der Schnürsenkel bei einem Sneaker. Es ist eine digitale Sneaker Plattform, auf der man Sneaker designen, kaufen und verkaufen kann. Das Interesse an Sneaker Design ist riesig – man kann Sneaker Designer auf Instagram folgen, und immer mehr  Menschen wollen selbst designen. Bisher gab es aber keine Möglichkeit, selbst zum Designer zu werden und eigene Sneaker, Hoodies etc. zu entwerfen. Auf Aglet können User selbst kreativ werden, über Designs abstimmen und digitale Sneaker kaufen, beispielsweise für Games. Auch dort zählt Status. Aglet ist also ein Tool um Schuhe zu designen und ein Kanal zum Kaufen und Verkaufen. Aglet heißt auch die Währung. Es ist auf Blockchains aufgebaut. Es bietet außerdem die Möglichkeit, mit Brands zu interagieren. Brands könnten ihre Komponenten digitalisieren und zum Kauf anbieten, aus denen die Kids ganz eigene Designs erstellen. Ich bin sicher, dabei kämen völlig neue Produkte heraus und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Kunde und Brand. Ich denke, so wird in Zukunft Design stattfinden: man designt digital, misst digital den Erfolg und produziert erst dann.

Soll es auch echte Produkte geben?

Am Ende ja. Wenn es mehr Speed Factories gibt und diese schnell und mit unterschiedlichen Materialien produzieren können. Aber noch ist es nicht so weit.

Viel Erfolg, Ryan, danke für das Gespräch!

 

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Ethische Leitlinien für KI

KI und Ethik: Wissen sie, was sie tun?

Künstliche Intelligenz (KI) ist vielen Menschen auf der ganzen Welt nicht geheuer. Die aktuelle Studie im Auftrag der Stiftung Weltwirtschaftsforum (WEF) hat das gerade erst wieder bewiesen. Höchste Zeit also, der Begeisterung über technische Möglichkeiten einen Rahmen in Form von ethischen Leitlinien gegenüberzustellen. Die Protagonisten der Künstlichen Intelligenz haben auf der KI-Konferenz AI4U über KI und Ethik diskutiert. Das Ergebnis: Man ist sich der Gefahren bewusst und beginnt gegenzusteuern.

KI ist ein Hype-Thema, obwohl es diese Forschungsdisziplin schon seit Jahrzehnten gibt. Doch tatsächlich erlebt sie gerade Quantensprünge an technischen Neuerungen. Ebenfalls neu - zumindest in unserer Wahrnehmung - ist, dass KI heute fast alle Branchen betrifft. Egal ob Marketing, Medizin, Automotive, Versicherungen oder Landwirtschaft, überall kann KI zum Einsatz kommen und Entscheidungen beeinflussen.

Die Welt ist sich einig, dass KI gefährlich ist

Genau das macht Menschen Angst. Die aktuellste Studie des Weltwirtschaftsforums (WEF) zeigt: 41 Prozent der befragten 20.000 Menschen in 27 Ländernsind über den Einsatz künstlicher Intelligenz besorgt. 48 Prozent meinen, die Anwendung von KI durch Firmen sollte stärker als bislang reguliert werden. 19 Prozent der Befragten wollen gar ein Verbot von KI. Besonders erstaunlich ist der breite Konsens, den die Weltbevölkerung in der Studie an den Tag legt. Denn laut WEF spielte bei dem Ergebnis weder Alter, Einkommen oder Bildungsniveau der Befragten eine Rolle. Kurz: Egal ob alt, jung, reich, arm, gebildet oder weniger gebildet, die Welt ist sich einig, dass KI gefährlich ist.

KI kann Menschen unabsichtlich diskriminieren

Die gute Nachricht: Maschinen können keine eigenmächtigen Entscheidungen treffen. Es ist der Mensch, der die Regeln für die Entscheidungsfindung der Maschine festlegt. Die schlechte Nachricht aber ist, dass KI-gesteuerte Technologien manchmal Entscheidungen treffen, die zwar den gegebenen Regeln folgen, aber in ihrer Konsequenz nicht gewollt sind. Ein Beispiel: Das Targeting und die Ausspielung von Anzeigen auf Facebook erfolgt KI-gesteuert. Auch Job-Anzeigen sind davon betroffen. Aufgrund der Datenmenge und der rückgekoppelten Vermittlungserfolge hat der Algorithmus dann z.B. gelernt, dass er die Ausschreibung für eine zu besetzende Mathematiker-Stelle nur an weiße, männliche Personen im Alter von 30 Jahren ausliefern braucht. Denn vor allem diese Personengruppe tritt die Stelle am Ende an. Frauen und ältere Menschen dagegen wurden im Laufe der Zeit komplett ausgegrenzt. Ein Zustand, den weder die ausschreibende Firma noch Facebook intendierte, die durch KI und ihren selbstlernenden und sich stetig optimierenden Algorithmus aber einfach passiert ist. Ähnliche Fälle sind denkbar, wenn Banken ihre Kredite zukünftig KI-gestützt vergeben oder Versicherungen ihre Risikobewertungen durchführen.

Wissenschaftler arbeiten an Transparenz und dem Ende der Black Box

Es sind also nicht nur die extremen Fragestellungen wie wir sie z.B. aus dem Automotive-Bereich kennen wie „Überfahre ich das Kind oder den Greis?“, die die Wissenschaft gerade umtreibt. Auch auf den ersten Blick „harmlose“ Anwendungen können unethische Auswirkungen haben. Eine Maßnahme, die dem entgegenwirken soll, ist die Forderung nach mehr Transparenz in der KI-Technologie. Die vielzitierte „Black Box“, bei der die Daten vorne hineinlaufen und eine Entscheidung hinten herauskommt, muss für den Menschen transparent und nachvollziehbar werden. „KI wird nur gesellschaftliche Akzeptanz erfahren – und damit auch in der Wirtschaft breit eingesetzt werden können, wenn die Menschen ihr vertrauen“, bringt es Prof. Dr. Antonio Krüger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz auf den Punkt. Einer der Forschungsschwerpunkte an seinem Institut liegt u.a. darin, die Entscheidungsfindung von Tiefen Neuronalen Netzen bzw. von KI transparenter und erklärbar zu machen.

Bereitschaft für ethische Leitlinien für KI wächst

Klar wurde bei der Diskussion, dass das Thema KI und Ethik in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft inzwischen sehr ernst genommen wird – zumindest in Deutschland und Europa. Erst im Januar verkündete Sheryl Sandberg, Co-CEO von Facebook, 6,5 Mio. Euro für den Aufbau eines Ethik-Instituts für KI an der TU München bereit zu stellen. Im Oktober bereits soll das „TUM Institute for Ethics in Artificial Intelligence“ seine Arbeit aufnehmen. Auch immer mehr Unternehmen und sogar Staaten sehen die Notwendigkeit, ihrer Arbeit durch Leitlinien für KI einen ethisch akzeptablen Rahmen zu geben. Mario Brandenburg, Mitglied des Deutschen Bundestages und Obmann der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz" gibt aber zu bedenken: „Man kann nicht für jeden Anwendungsfall einen Rechtsraum bauen“. Einig sind sich Politik und Wissenschaft aber, dass es ohne Regelungen auch nicht geht - wobei es mit dem Grundgesetz, dem Verbraucherschutz und z.B. der DSGVO im Prinzip schon einen sehr brauchbaren rechtlichen Rahmen gäbe. Allerdings ginge es nicht darum, KI ethisch zu programmieren sondern darum, dass wir Menschen den Umgang mit KI ethisch gestalten, betonte Frau Prof. Dr. Petra Grimm, Leiterin des Instituts für Digitale Ethik an der HdM Stuttgart.

KI und Ethik AI4U 2019
Mario Brandenburg, MdB; Prof. Dr. Petra Grimm (HdM), Prof. Dr. Antonio Krüger (DFKI)
KI für Jedermann?

Abgesehen von den unbestreitbaren Risiken von KI wurde auf der AI4U auch der umgekehrte Ansatz diskutiert, wie ethisch es denn sei, zu wenig Technologie einzusetzen? Was, wenn KI-gestützte Entscheidungen im Durchschnitt viel besser sind als die der Menschen? Ist es dann unethisch, keine KI einzusetzen? Und welche Fehler wiegen schwerer, die durch Technologie verursachten oder die von Menschen begangenen? Sind beispielsweise 5.000 Verkehrstote durch autonomes Fahren schlimmer als 10.000 Tote durch menschliches Versagen? Auf solche Fragen gibt es aktuell noch keine Antwort. Wichtig ist aber, diesen Diskurs öffentlich und so breit wie möglich zu führen. Denn, und das gaben die KI-Experten auf der AI4U zu bedenken: KI lässt sich leicht bauen und es wird immer leichter werden. Die Verantwortung verteilt sich damit auf immer mehr Schultern. Spätestens dann braucht es zwingend gesellschaftlich akzeptierte und weitreichende Leitlinien für einen ethisch verantwortungsvollen Einsatz von KI.

Weiterführende Links:

AI4U Konferenz

Studie des Weltwirtschaftsforums


arseny-togulev

Tabakriese Philip Morris: Traumjob für einen digitalen Transformator

Zigarettenhersteller Philip Morris International möchte bis 2025 weltweit 40 Prozent seines Umsatzes mit risikoreduzierten Produkten erzielen. 40 Millionen Zigarettenraucher sollen von Alternativen überzeugt werden. Auf der OMR sprach ich mit CTO Michael Voegele. Auf seinem LinkedIn-Profil ist der Slogan „Designing a smoke-free future“ zu lesen. Ein heeres Ziel und ein Traumjob für einen digitalen Transformator, der Dinge bewegen will.

Michael Voegele, CTO PMI
Michael Voegele wechselte im Februar 2019 von Addidas zu Philipp Morris International

Michael Voegele arbeitete über acht Jahre bei der Sportmarke Adidas. Vor vier Monaten wechselte der Ingenieur zum Tabakriesen Philip Morris als CTO. Wie passt das zusammen? „Die Frage liegt jedem auf der Zunge“, schmunzelt er. „Das Unternehmen ist Marktführer im Bereich Zigaretten – und will in Zukunft keine Zigaretten mehr verkaufen, sondern Raucher von weniger schädlichen Alternativen überzeugen. Das ist echtes Change Management und diese Herausforderung hat mich gereizt.“

Weltweit fällt der Umsatz von Zigaretten um drei bis vier Prozent jährlich. In Deutschland hält sich der Umsatz bisher auf einem stabilen Level, obwohl die Zahl der Raucher deutlich zurückgeht. Das liegt an den steigenden Preisen und höheren Steuern für Zigaretten. Philip Morris setzt in der Transformation auf Produkte wie Iqos. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das Tabak erhitzt und nicht verbrennt. Der Dampf, der dabei entsteht, soll weniger schädliche Stoffe enthalten als Zigarettenrauch, laut Unternehmen sogar 95 Prozent weniger als herkömmliche Zigaretten. Allerdings macht Iqos weiterhin süchtig, da nach wie vor Nikotin enthalten ist. Seit 2017 dreht sich bei Philipp Morris alles nur noch um den Iqos, das Marketingbudget für Marken wie Marlboro wurde auf Null gesetzt - obwohl der Umsatz des klassischen Zigarettengeschäfts recht stabil ist. Noch.

Wandel geprägt durch Vision

Den Grundstein für den Wandel legte CEO Andre Calantzopoulos 2016 mit seiner Vision. Er stellte sich vor die Mitarbeiter und sagte: „I hope one day we won’t sell cigarettes any more!“ Für die Mitarbeiter war das damals ein Schock, aber seither hat sich in den Köpfen viel getan. Für Voegele, der selbst erst seit kurzem an Bord ist, eine neue Erfahrung: „Man spürt den Kulturwandel standortunabhängig, das Unternehmen ist bereits mitten in der Transformation. Der Wille zur Veränderung ist da und man kann die Aufbruchsstimmung bei jedem einzelnen Mitarbeiter spüren. Denn jeder weiß: Es gibt keinen Plan B.“

Die zentrale Fragestellung bei der Transformation: Welche Alternative kann ein Tabakhersteller bieten, die das Gesundheitsrisiko von Rauchern minimiert? Michael Voegele ist angetreten, um das Unternehmen auf eine entsprechend neue technologische Plattform zu bringen, die die Vermarktung von risikominimierten Produkten wie den Iqos abbildet. Denn die Vermarktung eines elektronischen Produkts stellt ganz neue Anforderungen an interne Prozesse: Handling von Retouren, kaputte Geräte managen, Kundenservice – alles Prozesse, die das Unternehmen in den letzten zwei Jahren neu aufsetzen musste.

Holistischer Ansatz

Aber das ist nur der Anfang auf dem Weg zu einer rauchfreien Gesellschaft. Es geht um die Entwicklung neuer Produkte und Services. 400 Mediziner und Forscher arbeiten dafür im Headquarter in Lausanne. „Dabei stellt sich für uns die Kernfrage, welche gesundheitlichen und kommerziellen Benefits wir für unsere Community schaffen können. Daraus leiten wir dann Ideen für innovative Geschäftsmodelle ab.“ Voegele hält sich noch bedeckt, welche konkreten Maßnahmen in den nächsten zwölf Monaten geplant sind, verrät aber ein Beispiel: „In UK beispielsweise starten wir gerade ein Pilotprojekt. Wir haben eine spezielle Lebensversicherung für Raucher konzipiert, die zu unserem Produkt Iqos gewechselt sind.“

Voegele hat 20 Jahre Erfahrung in der IT-Industrie. Mit dieser Expertise will er nun den Technologie-Stack bei Philip Morris designen und entwickeln. „Die Transformation stellt ganz neue Anforderungen an die Supply Chain und Sales Prozesse. Nichts ist mehr so, wie es beim Vertrieb einer Zigarettenmarke einmal war. Jeden Tag fließen riesige Datenmengen an Feedback ins System und wir müssen daraus lernen, was der Kunde will.“ Dafür ist es extrem wichtig, als Unternehmen direkten Kontakt zu den Kunden zu haben – ein Umstand, der im „alten“ Philip Morris keine Rolle gespielt hat. Alte Vertriebswege wie z.B. Kooperationen mit Clubs funktionieren heute nicht mehr. In den nächsten Monaten steht bei Voegele Multichannel auf dem Plan: „Wir brauchen die digitalen Kanäle und deren Verknüpfung mit Retail Channels und den Iqos Flagship-Stores.“

Talente für den Wandel rekrutieren

Für seine Agenda muss Voegele digitale Expertise im Unternehmen aufbauen und digitale Talente rekrutieren. „Derzeit zeichnet sich der Trend ab, Standorte dort zu eröffnen, wo die Talent-Pools ausgebildet werden. In Osteuropa sind sehr gute Cyber Security Spezialisten zu finden, Spanien ist ein guter Markt für Entwickler und Programmierer, Griechenland hervorragend, wenn es um Data Scientists geht.“ Dennoch: Im „War for Talents“ kein leichtes Unterfangen für ein Unternehmen mit angekratztem Image. „Natürlich ist es einfacher für eine Sportmarke neue Leute zu gewinnen als für einen Tabakhersteller. Da ist Überzeugungsarbeit zu leisten“, so Voegele.

Im PMI Forschungs- und Entwicklungszentrum in Neuenburg bei Lausanne (CH) - eingeweiht im Jahr 2009 und auch bekannt als “the Cube“ – arbeiten über 400 Wissenschaftler und Entwickler.

Seine US-amerikanische Kollegin Marian Salzman, Kommunikationschefin bei Philip Morris, sieht er in einer Vorbildfunktion. Die PR-Pionierin kam als überzeugte Nichtraucherin zum Konzern, um an einer rauchfreien Zukunft mitzuarbeiten. Wer sich der Herausforderung einer radikalen digitalen Transformation stellen will, hat hier die Chance seines Lebens. Voegeles Wechsel von Adidas zu Philip Morris scheint der beste Beweis dafür zu sein.

 

Weiterführende Links

Studie über Digitale Transformation 2019

Recap OMR 2019

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K5 Masterclass Titel

Fashion als Botschafter für Werte

Was verstehen wir heute im digitalen Zeitalter unter unternehmerischer Wertschöpfung? Geht es wirklich nur noch um Gewinnmaximierung, Effizienz und Convenience? Um höher – schneller – weiter? Sind das wirklich die einzigen Werte, die wir durch Innovation und Technologie schaffen sollten? In unserer Masterclass auf der K5 2019 haben wir genau diese Fragen diskutiert. Und Denkanstöße aus der Fashionbranche erhalten, die zeigen, dass Nachhaltigkeitskonzepte nicht nur sehr vielfältig sein können sondern auch erheblich zur Wertschöpfung in unserer Gesellschaft beitragen.

Es war schon ein interessanter Anblick: Gefühlt ALLE weiblichen Teilnehmerinnen der gesamten K5 befanden sich in unserer Masterclass und sorgten für vollbesetzte Stuhlreihen – während in den fünf benachbarten Masterclasses die Männer die Hoheit hatten und über neue Wege im E-Commerce sprachen - allerdings aus einer gänzlich anderen Perspektive. Mit Mona Buckenmaier (RIANI), Julia Zirpel, (the wearness) sowie Vera Günther, (mimycri) sprachen wir über ihre persönlichen und unternehmerischen Erfahrungen zum Thema „nachhaltiger Wertschöpfung in der Fashionbranche“. Hier die Learnings und Denkanstöße für einen erweiterten Blick auf das Thema Wertschöpfung.

Nachhaltiger Umgang mit der Ressource Mensch

Mit einem geschätzten Wert von 55,6 Mrd. EUR ist die deutsche Textilwirtschaft die wertvollste in ganz Europa. Allerdings häufen sich in jüngster Zeit die Negativmeldungen: Alteingesessene Unternehmen wie Gerry Weber, Miller & Monroe oder Bree haben in den letzten Wochen Insolvenz anmelden müssen. Das deutsche Modelabel RIANI mit Sitz im schwäbischen Schorndorf ist wirtschaftlich gut aufgestellt. Einen wichtigen Erfolgsfaktor sieht Mona Buckenmaier, Senior Business Development Manager bei RIANI und Tochter des Gründerehepaares, in ihrem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Mensch: „Wir investieren viel in unsere Mitarbeiter. Schließlich ist Schorndorf per se kein Fashion Hot Spot. Doch unsere Mitarbeiter kommen und bleiben gerne, weil wir Work Life Balance groß schreiben und einen sehr familiären Umgang pflegen, der viel Lebensqualität bietet.“

Erst 2015 wurde das neue, 10.000 qm große Headquarter eingeweiht und bietet heute neben modernen Arbeits- und Büroräumen eine chillige Dachterrasse und Platz für ein umfangreiches kostenfreies Sportprogramm, einen Day Spa & Beauty-Bereich und eine liebevoll „Cosy Kitchen“ genannte Betriebsküche, in der u.a. die Mütter der Mitarbeiter dreimal die Woche ein abwechslungsreiches Mittagsmenü für die Belegschaft zaubern.

„Nachhaltigkeit leben wir nicht nur in Bezug auf unsere Mitarbeiter. Auch unsere Produktion ist in Europa. Die Fertigung der Prototypen erfolgt in Schorndorf, die Konfektionierung in Ungarn,“ erläutert Mona Buckenmaier. Für RIANI macht sich der nachhaltige Umgang mit der Ressource Mensch bezahlt: „Bei uns gibt es viele Frauen mit Familie in Führungspositionen und wir sind stolz darauf. Beruf und Familie zu vereinbaren, ist manchmal eine Herausforderung, aber es geht. Es ist eine Frage der Wertschätzung, dies möglich zu machen.“

Fashion ohne schlechtes Gewissen: Mode im Einklang mit Werten

Einen anderen Zugang zum Thema Nachhaltigkeit in der Fashionbranche zeigte Julia Zirpel. Sie kennt die Branche aus dem ff und war als ehemalige Moderedakteurin viele Jahre selbst Teil eines sich immer schneller drehenden Modezirkels. „Mir fiel immer häufiger auf, dass Mode heutzutage zum

Wegwerfartikel verkommt: Beiläufig gekauft, achtlos in den Kleiderschrank gehängt und schnell wieder entsorgt“, bringt es Julia Zirpel auf den Punkt. Das Nutzungsverhalten der westlichen Welt steht dabei in keinem Verhältnis zu den schweren Arbeitsbedingungen und Umweltbelastungen, die für die Herstellung der Textilien in Kauf genommen werden. Julia Zirpel will einen Gesinnungswandel in der Gesellschaft forcieren und gründete 2017 the wearness – einen Online-Marketplace für nachhaltige, faire und hochwertige Mode und Beautyartikel.

Damit verknüpft sie hochwertige Mode und tolles Design mit fairen Produktionsbedingungen und Umweltbewusstsein. „Ich glaube an eine unternehmerische Verantwortung, die nicht an den Grenzen von Deutschland oder der EU aufhört. Menschenrechte und Umwelt müssen überall und gleichermaßen geachtet werden - und zwar in der gesamten Produktionskette.“ Julia Zirpel kooperiert daher nur mit Marken, die den strengen Verhaltens-Kodex von the wearness teilen. Zwei Ziele möchte sie damit erreichen: Eine ethisch unangreifbare Mode anbieten und das Bewusstsein für den Wert von Mode schärfen bzw. wiederherstellen. Für Julia Zirpel ist das eine Win-Win-Situation: „Mode ist vor allem auch ein Gefühl. Achtlos gekaufte Mode kann niemals ein Gefühl von Wert auslösen. Und darum geht es ja, wenn wir uns modisch kleiden!“

You are what you wear

Ein noch viel kompromissloseres Unternehmen hat Vera Günther mit dem Fashionlabel „mimycri“ gegründet. Das Berliner Sozialunternehmen stellt aus bereits existierenden Materialien gemeinsam mit Geflüchteten Mode her, zum Teil aus kaputten Flüchtlingsbooten. Damit wird Mode für sie zur Botschaft und der Träger oder die Trägerin zur/m Botschafter/in für Geschichte, Politik und Werte.

„Die Bewegung „You are what you eat“ aus dem Bereich Health Food möchten wir gerne in die Fashionwelt übertragen“, erläutert Vera Günther und hat mit diesem Ansatz schon viele Preise gewonnen. „Innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln, ist aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, in Zukunft unternehmerisch erfolgreich zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der wir zu viel produzieren und konsumieren und dadurch nicht glücklich werden. Für die nachkommenden Generationen werden Werte immer wichtiger. Unternehmen sollten daher nicht nur Gewinnmaximierung im Fokus haben sondern Werte schaffen, die nicht ausschließlich finanzieller, sondern auch ökologischer und sozialer Natur sind. Diese Transformation sehe ich als große Chance und Möglichkeit.“

Impulse auf der K5, v.l.: Vera Günther, Julia Zirpel, Mona Buckenmaier mit Masterclass-Host und changelog-Autorin Vera Vaubel

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Ethische Innovation: Werte sind das neue Bio

Fashion und Nachhaltigkeit

Weiterführende  Links

Das war die K5 2019

Analyse von Jochen Fuchs, t3n

Bericht von Esther Schwan auf onlinemarketing.de

Save the Date K5 2020: 26./27. Mai!


AnAnLondree@the wearness

Fashion und Nachhaltigkeit:
"Gewinnmaximierung ist ein Auslaufmodell“

Am 4. Juni werde ich die „Female in Retail“ Masterclass zu den Themen unternehmerische Wertschöpfung und Nachhaltigkeit auf der K5 Future Retail Konferenz in Berlin hosten. Zu Gast habe ich drei Frauen aus der Fashion Branche, die für nachhaltiges unternehmerisches Handeln stehen. Im Vorfeld habe ich mich bereits mit Julia Zirpel, Gründerin des Online-Marktplatzes für ethische Luxusmode thewearness, getroffen. Sie erklärt im Interview, warum Mode uns heute nichts mehr bedeutet  und zu Wegwerfware geworden ist. Und wie sie die bisherige Wahrnehmung von ethisch einwandfreiem Luxus mit einem digitalen Marktplatz ändern möchte.

Julia Zirpel hat 2018 zusammen mit Guya Merkle, Jennifer Dixon und Karolin Delou den Marktplatz für ethische Luxusmode "the wearness" gegründet.

Liebe Julia, Luxusmode und digitaler Marktplatz, schließt sich das eigentlich nicht aus?

Egal, ob ich ein Produkt oder ein Thema habe, das ich verbreiten möchte, man benötigt dazu eine digitale Plattform. Man erreicht die Leute heutzutage vornehmlich digital – unabhängig davon, wo sie dann am Ende einkaufen. Außerdem wird Luxusmode sehr viel online geshoppt. Wichtig ist hierbei eine hochwertige Optik. The wearness ist ein kuratierter Marketplace und sieht mehr wie ein hochwertiger Online-Shop aus.

Was hat dich bewegt, ein Marktplatz für ethische Luxusmode zu gründen?

Die Bekleidungsindustrie steht im Umweltsünder-Ranking auf Platz zwei, gleich hinter der Öl-Industrie. Kollektionen wechseln so häufig wie nie zuvor und der globale Textilverbrauch hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Mit unserem Marktplatz wollen wir das Bewusstsein für Mode verändern und auch den Look und das Image, dass nachhaltige Mode bisher hat.

 

"Ich bin davon überzeugt, dass Geschäftsmodelle,
die sich ausschließlich an Gewinnmaximierung orientieren, ein Auslaufmodell sind."

 

Erkläre doch bitte kurz das Konzept von thewearness.

Wir kuratieren Designer, Hersteller und Produkte, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben. Wir erzählen deren Geschichten und inszenieren sie auf unserer Plattform. Und dann kann man die Produkte auch bei uns bestellen. Unser Konzept ist nicht nach Gewinnmaximierung, sondern nach ethischen Kriterien wie Qualität, Ökologie und faire Arbeitsprozesse ausgerichtet. Ich bin davon überzeugt, dass Geschäftsmodelle, sie sich ausschließlich an Gewinnmaximierung orientieren, ein Auslaufmodell sind. Man muss sich dafür nur die Unternehmen in Deutschland ansehen, die am Straucheln sind.

Was macht aus deiner Sicht Nachhaltigkeit in der Mode aus?

Mode muss aus meiner Sicht verantwortungsbewusst produziert sein. Dafür muss sich aber auch die Einstellung der Verbraucher ändern. Wenn ich mehr Wertschätzung vor der Mode und den Kleidungsstücken habe, dann kaufe ich ganz anders ein und werfe beispielsweise die Sachen nach dreimal Tragen nicht weg.

Wie kannst du dich in der Nische gegen Marktplatzgiganten wie Zalando oder About You behaupten?

Wir konkurrieren nicht gegen einen Marktlatz wie Zalando. Zalando verkörpert ja genau den schnelllebigen Konsum bei Mode, dem wir uns abwenden wollen. Wir sprechen Kunden an, die verantwortungsbewusst mit Mode umgehen. Die ihre Kleidungsstücke bewusst wählen, eine Beziehung dazu haben und sie wertschätzen. Mode, die ihnen selbst ein gutes Gefühl gibt.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Marken und Hersteller aus, die auf eure Plattform kommen?

Also zunächst achten wir sehr stark auf den Stil und das Design, das muss einfach zu uns passen. Dann schauen wir, wie ökologisch und nachhaltig die Hersteller in den Produktions- und Arbeitsprozessen aufgestellt sind. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Moderedakteure kenne ich die Branche ganz gut und weiß, welche Labels ich auf unserem Marktplatz haben möchte. Aber es kommen ja auch immer wieder neuen Brands auf den Markt und da prüfen wir anhand eines ausführlichen Fragebogens sehr genau, wie nachhaltig die Labels agieren. Der Hersteller verpflichtet sich vertraglich zu korrekten Angaben.

Kuratieren und Inszenieren von nachhaltiger Mode: Label hellmuth @ thewearness

Wieviele Hersteller sind bei euch auf dem Marktplatz zu finden?

Bei Start des Marktplatzes vor einem Jahr hatten wir 15 Hersteller an Bord, heute sind es schon über 70.

Welches Geschäftsmodell steckt dahinter?

Wir wollen die Einstiegsbarrieren an unserem Marktplatzmodell sehr geringhalten, von daher verlangen wir kein Set-Up Fee. Wir bekommen eine anteilige Provision an den Verkäufen von den Herstellern.

Welche Sortimente kuratiert ihr?

Wir konzentrieren Mode, Accessoires und Beauty für Männer und Frauen. Im Moment wollen wir verstärkt den Bereich Beauty ausbauen.

 

"Ich wünsche mir, dass Start-Up-Projekte, die soziale und
gesellschaftliche Aspekte vorantreiben, mehr Chancen bekommen."

 

Wie finanziert ihr euch?

Durch eine Einlage der Gründerinnen und Fördergelder. Und wir sind auf der Suche nach Investoren, die unser Thema unterstützen. Was ich wirklich bedauere ist, dass es die echten Fördermittel von Bund und Ländern fast ausschließlich in den Topf der technologischen Innovationen fließen. Das ist zwar wichtig. Aber ich würde mir wünschen, dass Start-Up-Projekte, die soziale und gesellschaftliche Aspekte vorantreiben, auch mehr Chancen bekommen.

Du warst Moderedakteurin, jetzt musst du als Gründerin eines digitalen Marktplatzes auch mit Technologiethemen auseinandersetzen. Wie kommst du damit zurecht?

Man lernt nie aus und wenn man sich damit beschäftigt, ist es auch gar nicht so schwierig. Natürlich bekommen wir Support von einem IT-Berater, aber die Standarddinge wie Produktseiten erstellen mit digitaler Contenterstellung generell hatte ich ja schon in meiner Zeit als Moderedakteurin zu tun.

Auf was muss man achten, wenn man künftig mehr Wert auf Nachhaltigkeit beim Klamottenkauf legen will? Welche Tipps hast du?

Es fängt wirklich beim eigenen Einkaufsverhalten an. Beim Kauf von Mode muss man sich immer die Frage stellen: Brauche ich das wirklich? Passt das wirklich zu mir? Hier gilt immer Qualität vor Quantität. Und natürlich auf das Material achten, Mischmaterialien sind beispielsweise schwer zu recyceln. Ganz wichtig: Unterstützt regionale Produkte, das ist ähnlich wie bei Food! Es gibt so viele kleine regionale Labels, die tolle Produkte herstellen. Gerade die kleinen Firmen und handwerklichen Betriebe setzen auf Nachhaltigkeit und das kann man mit dem Kauf derer Produkte unterstützen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Julia, und ich freue mich auf das Panel in Berlin!

 

Veranstaltungstipp in eigener Sache:

Masterclass auf der K5 Future Retail Konferenz

Nachhaltige Wertschöpfung in der Fashion-Branche

am 4. Juni 2019 um 14 Uhr im Estrel Berlin

 

 

Weiterführende Links

Studie: Nachhaltigkeit in der Mode

Recycling am Limit: Altkleiderbranche erstickt im Textilmüll

Verwandte Themen auf changelog

Ethische Innovation: Werte sind das neue Bio

Digitalisierung für die Tonne: Müllvermeidung im Handel

 


SportScheck Filiale München

Zwischenbilanz: Jan Kegelberg über Tops und Flops bei der Transformation von SportScheck

Der stationäre Handel steckt in der Krise und es ist Pioniergeist gefragt, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Emotionaler und digitaler sollen die Läden werden, eben ein kundenzentrierter Mix aus dem Besten aus On- und Offline-Welt... Aha... Ideen dazu gibt es viele, aber welche funktioniert wirklich? Schließlich geht es auch um Geld! Jan Kegelberg, Chief Digital Officer (CDO) bei SportScheck und seit 2015 aktiver Transformator des Multichannel-Anbieters, kennt die Hypes um Eintagsfliegen und die Ideen, die einen echten Mehrwert bieten. Welche Tops und Flops das bei SportScheck sind, verrät er uns in einer Zwischenbilanz.

Jan, SportScheck ist mit Dir seit 2015 auf dem Weg in die Transformation. Würdest Du sagen, dass Ihr ganz gut vorangekommen seid?

In vielen Bereichen sind wir tatsächlich schon sehr gut aufgestellt. Beispiele sind vor allem im Marketing, wo wir weg vom Katalog hin zum Customer Journey Marketing inklusive Social Media massive Fortschritte gemacht haben. Auch die Erweiterung unseres Online Shops um das Marktplatzgeschäft hat sich sehr positiv entwickelt und wir erleben eine hohe Nachfrage von Partnern im Markt. Mit unserer Sporterlebnis-Plattform Fitfox und unseren Retail Media Services sind wir darüber hinaus auch sehr erfolgreich. Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir gerne schon weiter wären. Ein großer Punkt ist hier der Kulturwandel, der einfach Zeit braucht. Auch wären wir gerne beim Thema Personalisierung schon weiter, aber auch hier werden wir in diesem Jahr deutliche Verbesserungen realisieren können.

Du hast bei SportScheck inzwischen viel ausprobiert. Was waren aus Deiner Sicht die Tops, wenn es darum geht, den stationären Handel zukunftsfit zu bekommen?
Jan Kegelberg CDO SportScheck
Jan Kegelberg CDO SportScheck

Ganz wichtig war es, unser CRM journey-basiert aufzusetzen. Wir haben heute keine Kanalsilos mehr, die Läden, Onlineshop, Marketing oder Events kommunikativ trennen. Das hat viel Geld und Kraft gekostet, aber es war essentiell für das Kundenerlebnis. Jeder Verkäufer in unserer Filiale hat heute Zugriff auf die kanal-übergreifende Kundenhistorie. Das ist wirklich ein Mehrwert für den Kunden, und er erwartet das inzwischen auch. Für uns ergibt sich der Vorteil, dass wir unsere Kunden so viel besser betreuen und beraten können.

Gibt es weitere Top-Maßnahmen für Multi-Channel?

Genauso wichtig bewerte ich, dass unser Warenfluss heute ganz flexibel strukturiert ist. Der Kunde kann Produkte online bestellen, im Laden abholen oder im Laden bestellen und zuhause anprobieren und wieder im Laden umtauschen. Alles kein Problem. Für Kunden ist es nicht mehr nachvollziehbar, wenn solche Prozesse nicht angeboten werden. Der Kunde denkt ja nicht in Kanälen, viele Händler tun das aber heute noch.

Das Tablet am POS als Tool für unsere Verkäufer funktioniert ebenfalls sehr gut. Wir haben damit Zugriff auf alle Produktinformationen und -lagerorte. Wenn ein Produkt im Laden nicht mehr in der passenden Größe vorrätig ist, kann der Verkäufer es aus dem Zentrallager oder einem anderen Store ordern. Er kann es aber auch direkt zum Kunden nach Hause schicken lassen. Wir können sogar auf unser gesamtes Online-Marktplatzsortiment aus der Filiale zugreifen und für den stationären Kunden verfügbar machen. Für den Kunden ist es frustrierend, wenn sein gewünschtes Produkt nicht verfügbar ist! Das sind dann die Momente, wo er sich sagt, dass er nächstens Mal lieber gleich online kauft. Bis September dieses Jahres wollen wir in allen unseren Läden zudem einen mobilen Check-out einführen. Dann können Kunden direkt beim Verkaufsberater bezahlen und sparen sich den Gang an die Zentralkasse. In unserem Pilot-Store in Köln wird das sehr gut angenommen und führt zu echter Kundenbegeisterung.

Und die Flops?

Info- oder Verkaufs-Terminals im Laden wollen unsere Kunden nicht. Wenn man sich schon dafür entscheidet, in der Stadt einzukaufen, will man auch die Interaktion mit Menschen – sonst könnte man ja gleich zuhause auf dem Sofa einkaufen. Ich glaube die Menschen, die stationär shoppen, sind in einem anderen „State of Mind“, deshalb funktionieren digitale Self-Services im Laden oft nicht. Da haben wir in der Vergangenheit Lehrgeld gezahlt. Anders ist es bei digitalen Lösungen, die den Verkäufer im Verkaufsprozess unterstützen. Da wollen wir uns weiter verbessern.

Kundenerwartungen sind heute sehr dynamisch. Wie erkennt Ihr, was der Kunde will bzw. was er wertschätzen wird?

Wir fragen den Kunden! Jeden Monat sammeln wir Kundenfeedback sowohl online, aber auch in den Filialen. So erhalten wir relevante Anregungen zur Weiterentwicklung. Bevor wir eine Idee umsetzen, erstellen wir auch oft Prototypen, die wir dann im Use Lab vom Kunden testen lassen. Später überprüfen wir dann anhand von KPIs, ob unsere Veränderungen einen Mehrwert für den Kunden bieten.

Im Rückblick: Was waren/sind aus Deiner Sicht die größten Hürden bei Eurer Digitalisierung?

Der Kulturwandel ist wirklich eine Herausforderung und wurde von uns zu Beginn vielleicht auch etwas unterschätzt. Neue Prozesse aufzusetzen und Abteilungen zusammenzubringen, die früher keine Berührungspunkte miteinander hatten und jetzt gemeinsame Projekte planen und umsetzen müssen, das ist nicht so einfach. Das braucht einfach Zeit. Die gewonnen Daten aus den Kundeninteraktionen entlang der Customer Journey können nur dann erfolgreich genutzt werden, wenn alle zusammenarbeiten und gemeinsam Ideen entwickeln, welche ganzheitlich vom Kunden gedacht sind.

Und wie reagiert der Kunde darauf, wenn Ihr neue Tools oder Services einführt?

Das wird sehr positiv aufgenommen. Wir zwingen auch niemanden in ein Korsett; fast alles, was wir neu anbieten, sind ergänzende Leistungen. Wichtig ist, dass das Kerngeschäft weiterhin für den Kunden funktioniert: Das Produkt muss verfügbar, der Preis attraktiv und die Beratung gut sein. Wenn diese Punkte abgehakt sind, hat man schon viel richtig gemacht! Und unbedingt noch kostenloses WLAN!

Vielen Dank für das interessante Interview!

Weiterführende Links:

Jan Kegelberg am 21. Mai 2019 auf dem ECD in München

Zur Website von SportScheck

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Retail Design: Die Trends der Ladenbauexperten

Kassenloses Bezahlen: Wirklich ein Vorteil für die Kunden?


Dr. Florian Ilgen Keynotespeaker TDWI München

„Erfolg ist der größte Feind von Veränderung“

Kann jemand, der sich Mentalist, Motivator und Psychic Entertainer nennt, etwas zum Thema Digitalisierung beitragen? Ich muss gestehen ich war skeptisch... und sehe nun klarer: Denn im Gespräch mit Dr. Florian Ilgen, promovierter Chemiker und Top 100 Redner für Unternehmen wie IBM, Rolls Royce, SAP oder Novartis, habe ich gelernt, dass mentale Agilität und Motivation SEHR viel mit Veränderung zu tun haben. Und warum es vor allem erfolgreichen Unternehmen so schwer fällt, sich auf die Digitale Transformation einzulassen.

Lieber Herr Ilgen, mit Ihren Vorträgen möchten Sie unser Bewusstsein für typische menschliche Verhaltensweisen schärfen und Wege zeigen, wie wir aus gelernten Mustern ausbrechen können. Warum ist das gerade heute so wichtig?

Wir leben in einer Zeit rasanter Veränderungen. Ob man diese Veränderung positiv oder negativ wahrnimmt, kommt auf das jeweilige Mindset an. Und genau an dieser Stelle komme ich ins Spiel, denn man kann das eigene Mindset beeinflussen und trainieren. Ich möchte Menschen zeigen, welche archaischen Muster für unsere Ängste verantwortlich sind und helfen, diese zu überwinden. Denn eines ist klar: Veränderung ist nur möglich, wenn man auch bereit ist, sich selbst zu verändern.

Warum ist es so schwer für Menschen, sich zu verändern?

Veränderung an sich ist in unserer Evolution nichts Besonderes. Es gab immer wieder Momente, in denen „Geschichte geschrieben“ wurde, wie z.B. der Buchdruck um 1450 oder die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier und wenn etwas jahrelang gut geklappt hat, ist er schwer für Neuerungen zu gewinnen. Erfolg ist sozusagen der größte Feind von Innovation bzw. Veränderung.

Wie reihen Sie die aktuelle Situation mit der Digitalisierung in die historischen Veränderungen unserer Menschheitsgeschichte ein?

Das Neue an unserer digitalen Transformation ist die Geschwindigkeit. Heute werden etablierte Systeme von jungen, agilen Unternehmen Stück für Stück demontiert und das innerhalb von wenigen Jahren. Wir haben heute – anders als noch vor 150 Jahren -  nicht mehr Jahrzehnte Zeit, um uns mit neuen Technologien, neuen Berufen, neuen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. Die Digitale Transformation ist Veränderung im Hochgeschwindigkeitsanzug.

Dann sehen Sie in der Digitalisierung gar nicht so sehr eine technologische Herausforderung sondern viel mehr eine menschliche?

Genau. Die Digitalisierung ist nur auf den ersten Blick eine rein technologische Angelegenheit. Tatsächlich aber geht es um den Menschen, um seine Einstellung. Es ist der Mensch, der die Transformation anstößt, umsetzt und weiterentwickelt – oder eben nicht. Transformation findet im Kopf statt, das Produkt ist dann nur das Ergebnis.

Unternehmer beklagen oft, dass Mitarbeiter den Wandel nicht mittragen – aber auch umgekehrt. Was läuft da schief? 

Ich habe gerade erst eine Studie gelesen, die besagt, dass 1/7 aller Angestellten ihre Arbeit lieben, 1/7 haben bereits innerlich gekündigt und die restlichen 5/7 machen nur Dienst nach Vorschrift. Es geht mir um genau diese 5/7! Das ist doch ein Riesenpotenzial! Denen muss man helfen und vor allem Sinn geben.

Und wie schafft man das?

Es geht um Vertrauen! Führung muss Vorbild sein. Es ist essentiell, dass Führungspersonen die Transformation leben, sie verstanden haben und von ihr überzeugt sind. Und das müssen sie an ihre Mitarbeiter weitergeben können. Mitarbeiter brauchen eine klare Vision! WARUM soll jemand seinen Job nicht mehr so sondern anders machen? Wenn Mitarbeiter verstehen, weshalb etwas verändert wird, sind sie auch bereit, das neue Ziel zu unterstützen. Aber es müssen emotionale, sinnstiftende Ziele sein. Wenn es nur darum geht, 5 Prozent mehr Umsatz zu machen, zeigt sich kein Peak in der Motivationskurve. Wenn es aber um echten Kundennutzen geht oder z.B. um Umweltziele, sieht die Sache ganz anders aus.

Aber auch Unternehmer sind oft unsicher, welcher Weg der richtige ist...

Das stimmt. Aber ein bestimmtes Gefühl für den richtigen Weg haben die meisten! Bei diesem Szenario bekommt unsere Intuition ein sehr großes Gewicht. Mein neues Buch beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und zeigt uns einen neuen Blick auf unsere Intuition und Wege, sie zu schärfen und erfolgreich zu nutzen - um am Ende bessere Ergebnisse zu erzielen. Interessanterweise haben sich bei meiner Forschungsarbeit zahlreiche Parallelen zu Deed Learning Mechanismen gezeigt.

Und was brauchen Mitarbeiter, um die neuen Visionen mitzutragen?

Neben der über allem stehenden Vision und dem klaren „Warum“ brauchen Mitarbeiter vor allem Entwicklungsspielräume. Wer mitdenkende Mitarbeiter haben will, muss sie auch machen lassen. Und man muss die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen, ernst nehmen und berücksichtigen. Daraus ergibt sich dann eine intrinsische Motivation, bei der das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Das macht zufrieden und gleicht sogar das Stresshormon Adrenalin aus. Die Konsequenz: Wir tun mit Freude etwas Neues und haben dabei keine Angst bzw. keinen Stress.

Vielen Dank für das interessante Interview!

Weiterführende Links: 

Vorschau: Dr. Florian Ilgen auf der TDWI München

Website von Dr. Florian Ilgen

Neues Buch "Macht der Intuition" von Dr. Florian Ilgen

 

 


Unternehmerinnen der Zukunft Dachterrasse

Förderprogramm Unternehmerinnen der Zukunft: Digital durchstarten

 Auftakt für die dritte Runde des Förderprogramms „Unternehmerinnen der Zukunft“ (UdZ): Im Fokus stehen 20 Geschäftsführerinnen und Firmen-Inhaberinnen. Ihr erklärtes Ziel: In den nächsten sechs Monaten ihr digitales Geschäft auf- oder auszubauen. Ausgewählte Coaches – allesamt erfahrene Unternehmensgründer, E-Commerce Experten, Amazon Händler oder Blogger – stehen den Frauen dabei zur Seite. Auf der Kick-Off Veranstaltung Anfang April in Berlin erklären die Initiatoren des Förderprogramms, warum es für die digitale Poleposition Deutschlands mehr Unternehmerinnen braucht.

Mit-Initiatorin Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbands Deutscher Unternehmerinnen, gibt den 20 Kandidatinnen in ihrem Impulsvortrag Denkanstöße, an welchen Faktoren sich wirtschaftlicher Erfolg messen lassen müsse.  Dazu berichtet die aus Hannover stammende Unternehmerin von ihren ganz persönlichen Eindrücken der diesjährigen Hannover Messe. Sie zieht einen Vergleich zwischen den Auftaktreden von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Schwedens Premierminister Stefan Löfven.

Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbands Deutscher Unternehmerinnen VdU / Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

Angela Merkel führt den Erfolg der deutschen Wirtschaft auf drei Säulen zurück:

  • Investitionen der Familienunternehmen
  • Unternehmen haben Wachstum im Fokus
  • Prozessoptimierung in Unternehmen und deren Infrastruktur

Stefan Löfven beschreibt in drei Worten, was die schwedische Wirtschaft erfolgreich macht:

  • Sicherheit
  • Vertrauen
  • Zusammenarbeit

Jedes Land stehe in seinen Erfolgen für sich, so Arbabian-Vogel. Das eine agiert effizienzgesteuert, das andere werteorientiert. Sie ist jedoch der festen Überzeugung, dass die Herausforderung in Zukunft allein durch Wachstum und Investitionen nicht mehr zu bewältigen sei. Sie plädiert dafür, dass sich auch in Deutschland etwas verändern müsse, um die technologischen Veränderungen für sich zu nutzen und das rasante Tempo mitzugehen. „Wir wissen, dass sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren durch Technologien extrem verändern wird – wie genau können wir noch gar nicht abschätzen.“ Umso wichtiger sei es, den Aktionshorizont zu erweitern und die soziokulturellen Entwicklungen stärker in den Fokus nehmen, und zwar um Werte. Diversität sei mehr denn je gefragt, um diese Herausforderungen zu bewältigen. „Frauen müssen im Cockpit der Digitalisierung sitzen und die Wirtschaft von morgen mitgestalten“, so ihr Appell an die Kandidatinnen.

Mehr Reise als Wettbewerb

Federführend beim Förderprogramm #UdZ: Veronika Leitermann, Head of Amazon Seller Service/ Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

„Für die digitale Poleposition in Deutschland braucht es mehr Unternehmerinnen“, erklärt Veronika Leitermann, Head of Seller Services bei Amazon. Sie bestärkt die Teilnehmerinnen, den Spirit und die Aufbruchstimmung aufzunehmen. „Bei Unternehmerinnen der Zukunft kommen viele unterschiedliche Frauen mit spannenden Erfahrungen zusammen und tauschen sich auf Augenhöhe aus.“ Oft verhindere der Perfektionsanspruch von Frauen, über ihre Erfolge zu sprechen. Dass will sie ändern. Sie will den Kandidatinnen insbesondere Motivation und Inspiration bieten, sich persönlich als Vorbilder zu entwickeln und das Netzwerk des Programms dafür zu nutzen.

Das Programm biete die perfekten Rahmenbedingungen dafür. „Durch den Austausch mit den Coaches und Experten können die Unternehmerinnen in sechs Monaten so viel erreichen, wie sonst vielleicht in ein paar Jahren. Mithilfe von Unternehmerinnen der Zukunft wird ihr Weg ins Digitalgeschäft signifikant beschleunigt“, blickt sie voraus.

Proof-of-Concept für Unternehmerinnen der Zukunft

Wie man diese Chance für sich richtig nutzen kann, weiß Ines Spanier, Vorjahresgewinnern des Wettbewerbs. Die Agraringenieurin ist Gründerin des Unternehmen Farmtex, ein Großhandel für Planen und Folien für die Landwirtschaft. 2011 hat sie sich damit selbstständig gemacht - und hat heute sieben Mitarbeiter. Im Rahmen des Förderprogramms hat sie in den letzten zwölf Monaten für ihren Großhandel ein zweites Vertriebsstandbein aufgebaut und parallel dazu eine Eigenmarke entwickelt.

changelog-Autorin Vera Vaubel im Gespräch mit #UdZ2018-Gewinnerin Ines Spanier / Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

Den diesjährigen Kandidatinnen gibt sie auf den Weg: „Macht erst mal eine Bestandsaufnahme, steckt euch eure Ziele und verfolgt diese konsequent. Es wird nicht immer reibungslos verlaufen. Ihr werdet auch Rückschläge einstecken müssen!“ Fleiß und Durchhaltevermögen seien absolut erforderlich. Das Programm könne man nicht mal so nebenbei machen. Man müsse sich darauf konzentrieren. Wichtigster Impact: „Vertrau vor allem auf dich selbst“, so Spanier.

Das Programm hat ihr geholfen, wirtschaftlich wie auch persönlich einen Riesenschritt nach vorne zu kommen. Für ihr Unternehmen konnte die 52-Jährige lernen, wie man eine Grundstruktur für den Online-Vertrieb schafft. Aber vor allem in ihrer Persönlichkeit sei sie gewachsen: „Ich habe erkannt, dass ich ein Motivatorin für andere sein kann. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Und außerdem habe ich gelernt, dass man auch in meinem Alter durchaus in der Lage ist, etwas Zeitgemäßes auf die Beine zu stellen.“

 

Weiterführende Links:

Die Kandidatinnen des Förderprogramms #UdZ2019

Erfolgsgeschichte Ines Spanier in der Mitteldeutschen Zeitung

 

 

 


Raphael Gielgen, Vitra

Vitra Trendscout Raphael Gielgen: „Wir müssen wieder anfangen, Zukunft zu gestalten!“

Auf dieses Interview habe ich mich besonders gefreut, denn Raphael Gielgen ist Trendscout Future of Work beim Kult-Unternehmen Vitra und einer der interessantesten Visionäre unserer Zeit. Ich war aber auch etwas nervös, denn wie es bei den Damen und Herren dieser Berufsgruppe oft der Fall ist, muss man ganz schön schnell sein, um bei der Geschwindigkeit ihrer Gedanken Schritt halten zu können! Wer ebenfalls eine geballte Ladung Inspiration so kurz vor Ostern gebrauchen kann, der sollte jetzt weiterlesen: Denn Raphael spricht über die Trends zum Thema Arbeit und verrät eine Übung für Unternehmer, wie sie die Transformation angehen können.

Lieber Raphael, Du bist Trendscout bei Vitra. Was genau machst Du dort und warum braucht Vitra so jemanden wie Dich?

Es geht darum, „Beweger einer neuen Zeit zu finden“, neue Muster zu entdecken, die das Potential zum Trend haben. Wir leben heute in einer Welt, die uns wunderbar in Standards organisiert. Viele Menschen haben verlernt, nach rechts und nach links zu schauen, geschweige denn nach vorne. Meine Arbeit ist genau das. Mein Schwerpunkt ist die Arbeitswelt. Ich erstelle, wenn man so will, die Wetterkarte für die Piloten, aber die Flugrichtung entscheiden und fliegen müssen sie selbst.

Kannst Du uns einen wichtigen Trend zum Thema Arbeit der Zukunft nennen?

Die Fähigkeit, in dynamischen Gruppen und Formen zu arbeiten, wird für die Entwicklung einer wissensbasierten Wirtschaft immer wichtiger. Wissen muss leicht teilbar sein, denn nur so kann es schnell weitergegeben werden. Und Schnelligkeit ist ein klares Merkmal unserer Zeit, genau wie der Zustand, dass alles gleichzeitig passiert. Verbindet man das Wissen von AI-Forschern mit dem von Elektronikingenieuren, entsteht daraus ein ganz neues Produkt und ganz neues Wissen. Dynamik heißt in diesem Zusammenhang auch, bereit zu sein, stets Neues zu lernen. Ich benenne das gerne mit dem Schlüsselbegriff „Talent Transfer“. Menschen gehen heute und erst recht in der Zukunft nicht mehr in ihrem Ausbildungsberuf in Rente. Wir müssen - auch in den Unternehmen – eine Kultur des Lernens etablieren.

Und wie schafft man das?

Indem man Raum für Inspiration schafft und Arbeit sichtbar werden lässt. Viele Entwicklungen gehen heute schon in diese Richtung. Es gibt Methoden wie Scrum, Business Model Canvas oder Design Thinking. Diese bestimmen immer mehr unser Tun. Der größte Benefit dieser Form der Arbeit ist das Teilhaben.

Inwieweit beeinflusst Technologie unsere zukünftige Arbeit?

Die Software von gestern ist morgen nichts mehr wert, genau wie die Hardware. Wir denken zu wenig darüber nach, dass die digitale Welt einer Kulisse gleicht. Wie Technologie unsere Arbeit beeinflusst, das bestimmen wir, aber auch was wir mit diesen vielen Möglichkeiten machen. Am Ende kann man die Leute nur einladen, sich damit auseinanderzusetzen, daran zu wachsen – mit dem Ziel, Technologie schließlich als Werkzeug für die Entwicklung größerer Ideen und Visionen zu benutzen.

 

"Technologie ist ein Werkzeug, sehr umfangreich, aber auch schnelllebig. Die Menschen machen auch in Zukunft den Unterschied." Raphael Gielgen

 

Wie siehst Du das Spannungsfeld „digitale Welt – physische Welt“ am Arbeitsplatz? Bekommt die physische Welt mehr Bedeutung, weil wir einen Großteil unserer Zeit heute in der digitalen Welt verbringen?

Der Mensch hat eine Sehnsucht nach physischen Orten. Je mehr wir digital konsumieren, umso mehr suchen wir eine Balance. Spannend wird es, wenn die Entwicklungen der virtuellen Technologien den nächsten Sprung machen. Wenn wir Wirklichkeit und Fiktion kaum unterscheiden können. Steven Spielbergs letzter Film „Ready Player One“ gibt uns einen ersten Geschmack auf diese Zeit. Anderseits gehen die Menschen zum „Waldbaden“, suchen Kraftorte auf und zelebrieren spirituelle Rituale.

Welches Umfeld braucht der Mensch in Zukunft, um den Arbeitsanforderungen gewachsen zu sein?

Menschen können heute 100 Jahre alt werden. Das verändert unser Bewusstsein für unsere Umgebung, unsere Umwelt und unseren Arbeitsplatz. Die Kinder von heute werden morgen keinen Arbeitsplatz wollen, indem sie nur Zahnrad in einem abstrakten Gebilde sind. Als Konsequenz müssen Unternehmen das Zusammenspiel von Produktivität und Vitalität überdenken. Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Mitarbeitergesundheit spielen in Zukunft eine immer größere Rolle. Man muss sich nur den Adidas-Neubau „Halftime“ in Herzogenaurach ansehen oder das noch im Bau befindliche Porsche-Werk für den Elekto Taycan, in dem es große hängende Gärten gibt. Diese haben einen unmittelbaren Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Du reist viel herum und siehst viel, auch Ideen und Trends aus Ländern und Gesellschaften, die gerne als unser Zukunftsmodell verkauft werden. Was sollten wir Europäer auf jeden Fall übernehmen?

Ganz klar die Neugier! Gerade die jungen Gesellschaften in Südostasien oder in den schnell wachsenden Metropolen wie Shenzhen sind viel neugieriger als wir Europäer – was auch daran liegen mag, dass sie im Schnitt viel jünger sind als wir.

Gibt es auch Entwicklungen, die wir besser nicht adaptieren sollten?

Ich habe nichts gesehen, was grundsätzlich schlecht wäre. Natürlich kann man alles auch für weniger wünschenswerte Ziele einsetzen. Ich denke hier zum Beispiel an die militärische Nutzung von Technologie. Auch die übermäßige Nutzung von Technologie kann man kritisch sehen, aber hier ist jeder einzelne selbst gefragt, etwas dagegen zu tun.

Wenn ein Unternehmer auf Dich zukommt und um Rat bittet, wie er die Transformation angehen soll, was würdest Du ihm sagen?

Ich empfehle gerne die nachfolgende Übung: Stellen Sie sich regelmäßig zwei Fragen: Was gibt es in zehn Jahren in Ihrem Arbeitsumfeld, was es heute noch nicht gibt? Wie wird dieses „Neue“ Ihr Geschäftsmodell beeinflussen und was bedeutet das für Sie? Was gibt es in zehn Jahren nicht mehr in Ihrem Arbeitsumfeld, was es heute noch gibt? Wie wird dies Ihr Geschäftsmodell beeinflussen und was bedeutet das für Sie? Jeden einzelnen Punkt würde ich dann in eine Skizze aufnehmen und auf einem großen Plakat am Arbeitsplatz aufhängen. Was glaubst du, was für eine angeregte Diskussion mit Mitarbeitern und Kollegen daraus entsteht! Plötzlich sieht der Unternehmer eine Perspektive für die Zukunft und kann diese proaktiv gestalten. Und die Mitarbeiter wissen, warum etwas gemacht wird.

"Eigentlich ist es so einfach! Wir haben nur irgendwann aufgehört oder verlernt, in einer längeren Perspektive zu denken und Zukunft zu gestalten." Raphael Gielgen

Danke Raphael für das superinteressante Interview!

Raphael Gielgen am 24. Juni 2019 auf der TDWI München

Wer Raphael gerne live erleben möchte, kann das am 24. Juni 2019 auf der TDWI München tun. Dort wird er die Keynote halten mit dem Thema "Die Kunst, seine persönliche Zukunft ständig neu zu erfinden"! Es lohnt sich! Hier geht's zur Konferenz: www.tdwi-konferenz.de

Links:

www.Vitra.com
www.tdwi-konferenz.de