Run auf Digital-Kompetenz

Run auf Digitalkompetenz: Sportbranche kauft digitales Know-how

Wer heute im Handel erfolgreich sein will, braucht digitales Know-how und Leute, die eine ambitionierte Digital-Strategie umsetzen können. Inhouse sind diese aber kaum zu finden und auch am Arbeitsmarkt sind sie Mangelware. Was also tun, wenn Warten keine Option ist? Statt langwierig eigene Teams aufzubauen, geeignete Ideen zu entwickeln oder das Business ganz auszulagern, ist der Kauf von Digital-Agenturen oder Start-ups eine interessante Option.

Es gibt eine ganze Reihe von Händlern, die durch den Einkauf von Digital-Expertise zum wichtigen Player im E-Commerce geworden sind: Das bekannteste Beispiel aus Deutschland ist Otto mit AboutYou. Der Onlineshop ging erst 2014 online und gehört heute zu den fünf umsatzstärksten Onlineshops für Mode. Er entstand aus der Zusammenlegung mehrerer Digital-Agenturen, nachdem die Otto Gruppe diese gekauft hatte. Auch Zalando konnte sein Wissen durch Übernahmen ausbauen - z.B. mit dem Plattformspezialist Tradebyte. Wie sieht es bei den Sportunternehmen aus?

Internationale Sportbrands kaufen digitales Know-how ein

Wer den Sportmarkt nach interessanten IT-Übernahmen absucht, stößt zunächst mal auf die Big Player: Adidas, Under Armour und Nike. Nike holte sich erst im Sommer neue Digitalkompetenz ins Haus mit der Übernahme des IT-Unternehmens Celect. Die 2013 gegründete Firma hat sich auf vorausschauende Datenanalyse für die Einzelhandelsbranche spezialisiert. Im Jahr zuvor hatte sich Nike bereits die New Yorker Digital-Agentur Zodiac und das IT-Startup Invertex aus Israel einverleibt. Under Armour und Adidas erhielten mit dem Kauf von Fitness Apps gleichzeitig IT-Knowhow und ein fertiges Produkt. 2019 investierte Adidas eine Million Euro in ein Start-up Inkubator Programm um neue Geschäftsideen für die Sportindustrie zu entwickeln. Auch beim Verkauf von SportScheck an GKK dürfte die Digitalkompetenz der Münchner eine wichtige Rolle gespielt haben.

Auch der Mittelstand zieht nach

Doch es gibt auch Mittelständler, die lieber einkaufen gehen statt Agenturen zu beauftragen. Rose Bikes aus Bocholt übernahm 2019 die preisgekrönte Essener Agentur Kommerz. Zu den 450 Mitarbeitern des traditionsreichen Versand- und Onlinehändlers mit drei stationären Geschäften kamen noch 27 Kreative hinzu, die sich voll und ganz auf Digitalisierung und E-Commerce fokussieren konnten. „Entweder suchst du 27 Leute, die zu einem Team werden müssen, oder du kaufst ein Team“, erklärt Marcus Diekmann, CCO und CDO von Rose Bikes. „Obwohl wir gerade sehr erfolgreich sind und einen guten Vorsprung haben, ist klar, dass sich der Handel immer schneller wandelt, deshalb müssen auch wir an Geschwindigkeit zulegen – und das bezogen auf unsere Evolutionsstufen, unsere Arbeitsweise und unsere Ressourcen. Aus dem Grund haben wir uns zur Verschmelzung mit Kommerz entschieden.“

Unternehmensanteile als Anreiz

Diekmann gehört selbst zur Rose Geschäftsführung und hat vorher mehrere Digitalisierungsprozesse in Unternehmen geleitet und Agenturen geführt. Seine ersten Maßnahmen bei Rose: „Als Erstes haben wir gemeinsam die typischen Drei-Jahrespläne über Bord geworfen“, so Diekmann. „Das sind viel zu lange Zeiträume.“  Stattdessen hat er mit dem Team eine sehr klare Marschroute entwickelt, die festlegt, wo Rose Ende 2020 stehen soll – in den Bereichen Brand, Produkt, Preis, Reichweite, Service, Features, Organisation, Technik und Prozesse.

Transformationsbereitschaft ist sein Dauerziel. Bei der Transaktion floss kein Geld, es wurden nur Anteile vergeben. So will Rose Unternehmergeist und Kreativität im Kommerz Management lebendig halten. Das war auch der Grund für die jüngste Gründung eines Joint Ventures in der Schweiz, das seit Dezember den schweizerischen Markt aufbauen soll. „Ich habe schon oft gesehen, wie kleine, agile Unternehmen in neue Firmen integriert wurden: Man zahlt den Inhabern Geld und nimmt ihnen die Motivation, man tötet das Unternehmertum“, so Diekmann. In Bezug auf das Wachstum scheint die Strategie aufzugehen: Für das Jahr 2018/2019 meldet Rose ein Umsatzwachstum von 20 Prozent auf 102 Millionen Euro, 2020 sollen es 125 Millionen Euro werden.

Weiterführende Links:

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Digitaler Wandel Überwindung Ungewissheit

Digitaler Wandel: „Es geht nicht um Technologien, sondern um Menschen“

Susanne Nickel weiß aus ihrer eigenen Lebensgeschichte, wie sich Veränderung mit allen Höhen und Tiefen anfühlt. Diese Erfahrung hat die Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin zu ihrer Mission gemacht. Sie unterstützt Unternehmen, den digitalen Wandel mit dem Commitment der Menschen umzusetzen. Im Interview erklärt sie, auf was es in Change Prozessen ankommt und wie man erkennt, ob die persönliche Erfolgsleiter an der richtigen Wand steht.

 Laut einer Studie von McKinsey scheitern 70 Prozent aller Change-Projekte in Unternehmen – woran liegt das deiner Meinung nach?

Rechtsanwältin Susanne Nickel ist Expertin für Change. Change Business ist Peoples Business, so ihre Überzeugung.

Das liegt vor allem daran, dass Unternehmen oder Organisation den Druck etwas zu verändern erst dann verspüren, wenn es eigentlich zu spät ist. Seien wir doch mal ehrlich, wann erkennt man, dass man etwas verändern muss? Doch erst dann, wenn man in Schieflagen gerät. Das gilt übrigens für Organisationen wie für jeden Einzelnen. Es heißt nicht umsonst, dass Erfolg Innovationen killt. Das Gespür für die Dringlichkeit ist zum Beispiel bei erfolgsverwöhnten Unternehmen überhaupt nicht gegeben, es gibt gar keine Notwendigkeit dazu, etwas zu verändern.

Es heißt Menschen sind Gewohnheitswesen, das ist der Killer für jede Veränderungen. Was rätst du, wie man Mitarbeiter zu „freiwilliger“ Veränderung bewegt?

Nun ja, zunächst gilt es, die Widerstände zu überwinden. Es gibt keinen Widerstand ohne Grund – dieses Verständnis ist sehr hilfreich beim Umgang mit Widerstand. Und es gibt unterschiedliche Formen von Widerstand. Die erste Form ist das „Ich kann nicht“. Dem ist noch relativ einfach zu begegnen, indem man die Mitarbeiter weiterbildet, Kompetenzen aufbaut und die Leute trainiert. Die zweite Form ist das „Ich will nicht“. Das muss man emotional abgreifen, den Menschen in seinen Bedürfnissen abholen, Überzeugungsarbeit leisten. Und die dritte und schwierigste Form ist „Ich will Dich nicht“. Hier ist der Chef „verbrannt“, vielleicht weil einfach zu viel Change in Folge war. Das Vertrauen ist zerstört, es aufzubauen dauert lange, zerstören kann man es sehr schnell.

Warum, glaubst du, rückt heutzutage die Sinnfrage eines Unternehmens auch bei den Mitarbeitern immer mehr in den Fokus?

Menschen wollen etwas tun, was Sinn macht und ihnen Sinn gibt. Gerade die jungen Generationen stellen die Sinnfrage mehr denn je. Wenn das Wofür und der Purpose geklärt ist, dann vereinfacht das das WAS und das WIE. Stell dir eine einfache Frage: Wofür stehst du morgens auf und gehst gerne an die Arbeit? Geld verdienen, um leben zu können, ist lediglich das Resultat. Menschen wollen sinnstiftend gestalten und sich einbringen, auch in Unternehmen. Sachlich-inhaltlich hat dieses „Wofür“ auch mit Motivation, Orientierung und Navigation zu tun. In Unternehmen nennen wir das Purpose Driven Organizations.

 

"Eine Kernkompetenz für digitalen Wandel ist die Reflexionskompetenz."

 

Du plädierst für ein barrierefreies Denken – was genau müssen wir uns darunter vorstellen?

Menschen neigen dazu, in bekannten Mustern zu denken, mit dem Resultat, dass das klassische Schubladendenken zum Teil des Problems wird. Der US-Therapeut Steve de Shazer hat mit seiner Methode des lösungsorientierten Arbeitens einen Perspektivwechsel eingebracht, er setzte auf die Dekonstruktion der Sichtweisen. Es könnte so sein, aber vielleicht auch ganz anders. Er sagt: Wenn Du eine Hypothese hast, nimm ein Aspirin und warte, bis der Anfall vorbei ist. Dies ist ein schönes Bild und meint, man solle seine Hypothesen prüfen und sie ggfs wieder verwerfen und sich nicht nur auf eine stützen sondern eben barrierefrei im Kopf vorgehen. Es geht bei barrierefreiem Denken darum, mehrere Hypothesen aufzustellen, die richtigen Fragen zu stellen und in kleinen Schritten zu validieren. Dahinter versteckt sich eine wichtige Kompetenz für Change: Die Reflexionskompetenz. Nur so bekommen wir den Kopf frei für Veränderung.

Das erfordert jedoch eine enorme Willenskraft, oder?

Ja, und die Herausforderung ist dabei: Wollen ist wie machen, nur fauler. 40 Prozent unserer Verhaltensmuster beruhen auf Gewohnheit. Der Trick ist, an den alten Mustern anzudocken und darauf aufbauend sich neue Gewohnheiten anzutrainieren. Das nenne ich den Change Loop. Einfaches Beispiel: Wir nehmen eine Gewohnheit, der wir mehrfach am Tag nachgehen. Der Gang in die Kaffeeküche. Hier kann ich mir vornehmen, wertschätzend meinen Mitarbeitern oder Kollegen gegenüber zu sein. Ich frage, wie es ihnen geht, bin offen, halte auch mal meinen Mund und höre einfach zu und zeige Interesse und vielleicht mache ich auch mal ein Kompliment. In kurzer Zeit entsteht so eine enorme Dynamik und Raum für Inspiration und Austausch und eine von Wertschätzung geprägte Atmosphäre. Wenn sich das ein paar Kollegen oder Führungskräfte vornehmen, implementieren sie eine - wie ich sie nenne - „Schatzjäger-Haltung“ für einen wertschätzenden Umgang.

Welche Rolle kommt dabei der Führungskraft zu?

Die Grundkompetenz der Führungskraft im Change-Prozess ist Kommunikation, Offenheit und Transparenz. Die Führungskraft muss Vertrauen und Empathie bei den Mitarbeitern schaffen bzw. halten können. Dazu gehört auch, Phasen für Scheitern, Selbstreflexion und Resilienz zuzulassen, um diese in Mut, Motivation und Veränderungswille zu transformieren. Den Führungskräften kommt also die Rolle des „Befähigers“ zu. Gleichzeitig müssen sie für Stabilität und Effizienz sorgen. Keine leichte Aufgabe.

 

"Im digitalen Wandel kommt Führungskräften die Rolle des „Enablers“ zu, gleichzeitig müssen sie für Stabilität und Effizienz in ihren Teams sorgen."

 

Wie gelingt in der Unternehmensführung der Spagat zwischen Agilität und Flexibilität für Innovationen und Stabilität und Effizienz für bewährte Prozesse und Modelle?

Ambidextrie heißt das neue Schlagwort in der Führung digital transformierter Unternehmen, wörtlich übersetzt Beidhändigkeit. Im übertragenen Sinn konzentriert sich die rechte Hand auf das Optimieren und Absichern des Kerngeschäfts. Die linke Hand beschäftigt sich mit innovativen Geschäftsfeldern.

Wie schafft man ein einheitliches Commitment für den Change?

Die aktive Einbindung aller Stakeholder, und damit meine ich Kunden, Partner und Mitarbeiter, ist die Voraussetzung, dass der Change-Prozess überhaupt erst ins Rollen kommt. Und das auf Augenhöhe. Mit der Co-Creation Methode schafft man es, in Iterationen Lösungsansätze für die gemeinsamen Herausforderungen zu erarbeiten. Seht den Change-Prozess also nicht nur in der internen Organisation, sondern weitet die Perspektive auch auf das Umfeld aus, denn auch dort gibt es Auswirkungen.

Technologie rückt immer mehr in den Vordergrund, sowohl im Alltag als auch in Unternehmen. Besteht die Gefahr, dass der Mensch dabei auf der Strecke bleibt?

Die Technologie ist nicht das Problem, es geht darum, sie sinnvoll einzusetzen und für uns zu nutzen. Im Mittelpunkt wird immer der Mensch stehen,  dafür sind aber Veränderungen notwendig, die uns an Grenzen bringen, die uns belasten, die uns Überwindung kosten. Den einen mehr, den anderen weniger.

 

"Oft ist fehlende Anerkennung und Wertschätzung die Ursache für Konflikte in Change-Prozessen."

 

Laut Statista hat sich die Diagnosehäufigkeit von Burn-Out-Erkrankungen im letzten Jahrzehnt beinahe verdreifacht. Siehst du einen Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und der aktuellen Transformation in eine Digitalgesellschaft?

Sicherlich, die Digitalisierung beschleunigt unser Leben in allen Facetten und gerade im Arbeitsleben führt das oft zu Überlastung, Überforderung und damit zu Kontrollverlust. Aber allzu oft spielt auch das Zwischenmenschliche und nicht bereinigte Konflikte eine Rolle. Einfach, weil Menschen sich zu wenig wertschätzen und die Anerkennung fehlt.

Warum fällt uns Menschen Wertschätzung für andere und die Leistungen anderer so schwer?

Digitaler Wandel: Wann deine Erfolgsleiter an der richtigen Wand steht.

Ich bin davon überzeugt, dass das bei jedem einzelnen von uns bei sich selbst anfängt. Wer 100 Prozent zu sich selbst steht, ist in der Lage, eine positive Haltung und Wertschätzung anderen entgegenzubringen. In Coachings fordere ich immer wieder meine Klienten dazu auf: Seid Schatzjäger, bei euch selbst und bei anderen. Dann erkennt ihr sofort die richtige Wand für eure Erfolgsleiter.

Vielen Dank für das inspirierende Gespräch, liebe Susanne!

 

Weiterführende Links

McKinsey: Changing Change Management

Über Susanne Nickel

Taschenbuchempfehlung zum Thema Change und digitaler Wandel

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Unternehmerinnen der Zukunft Abschlussveranstaltung

Von Gründerinnen für Gründerinnen:
Acht Learnings aus dem Digitalgeschäft

Weibliches Unternehmertum im digitalen Kontext fördern – so die Mission des Wettbewerbs „Unternehmerinnen der Zukunft“. Gestern Abend gab es im Filmcasino in München vier glückliche Gewinnerinnen: Anastasiya Koshcheeva von MOYA Birch Bark, Anette Haverkamp-Peiß von EMMA Eventing, Christiane Hübner von renna deluxe und Susanne Richter von Sanni Shoo erhielten die Auszeichnung „Vorbilder der Digitalisierung“. Dafür haben die Gründerinnen in den letzten sechs Monaten geschuftet: Neben ihrem laufenden Tagesgeschäft entwickelten sie zusammen mit ihren Coaches eine Digitalstrategie für ihr Unternehmen und setzten diese in die Tat um. Die acht wichtigsten Learnings verrieten die Vier gestern Abend bei der Preisverleihung.

#Keine Angst vorm Datendschungel

Kennzahlen sind das A&O für Unternehmertum. Behaltet den Durchblick, setzt euch intensiv damit auseinander. Die Daten sind euer Steuerungsinstrument.

#Standort spielt keine Rolle

Es müssen nicht die hippen Metropolen wie Berlin, München oder Köln sein. Digitalgeschäft kann man von überall aus machen. Gebt nicht auf: Hürden wie fehlendes Highspeed-Internet lassen sich mit Hartnäckigkeit und Kreativität überwinden.

#Ist das gut oder kann das weg?

Definiert für euch klar euren Markenkern und bleibt euch treu. Lasst euch von anderen inspirieren, aber vertraut auf euer Bauchgefühl - insbesondere bei Entscheidungen, bei denen es um eure Personal Brand geht.

#Fokussiert euch auf die Stärken

Verschwendet eure Energie nicht mit Dingen, die ihr nicht gut könnt. Stellt euch die Frage, wo eure Stärken liegen. Arbeitet interdisziplinär und holt euch Rat aus eurem Netzwerk.

# Belohnt euch selbst

Unternehmerin sein bedeutet, die Arbeit in den Lebensmittelpunkt zu stellen. Vergesst dabei nicht, auch mal inne zu halten. Belohnt euch für kleine Schritte, die ihr erreicht habt.

#Post-its fürs Erfolgsgefühl

Macht eure erreichten Meilensteine für euch selbst sichtbar. Entwickelt ein System, das euch zeigt, was ihr geschafft habt. Post-its als Messlatte sind ein Beispiel dafür.

#Teilen, teilen, teilen

Erzählt eure Geschichten und teilt sie. Und zwar nicht nur die Hochglanz-Erfolgsstories, sondern auch die Dinge, die nicht so gut gelaufen sind. Ihr werdet auf offene Ohren stoßen!

#Den besten Weg zeigt euch der Kunde

Denkt immer über einen Perspektivwechsel nach. Oft ist man so in seinem Business-Modus drin, dass man keinen Blick mehr fürs Wesentliche hat. Der Kunde kann da Aufschluss geben. Bleibt nah am Kunden dran und habt ein Ohr für ihn.

 

Programm für Gründerinnen

Die Initiative „Unternehmerinnen der Zukunft“ wurde vom Verband deutscher Unternehmerinnen, Global Digital Women, BRIGITTE Academy und Amazon ins Leben gerufen, um die digitale Entwicklung der von 19 Frauen geführten kleinen Unternehmen zu beschleunigen und sie als Vorbilder der Digitalisierung auszuzeichnen. Dabei wurden die Gründerinnen über einen Zeitraum von sechs Monaten von 25 Coaches in Einzel- und Gruppentrainings intensiv beim Ausbau ihres Digitalbusiness begleitet.

Prominente Jury

Die Auswahl der vier Gewinnerinnen erfolgte durch eine unabhängige Jury um Staatsministerin Dorothee Bär, Brigitte Huber, Chefredakteurin der BRIGITTE, Tijen Onaran, Gründerin von Global Digital Women, Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen und Nicholas Denissen, Vice President Small Business bei Amazon. Ausgezeichnet wurden die Unternehmerinnen der Zukunft 2019 in den vier Kategorien „Von Offline zu Online“, „Marktplätze“, „Export“ und „Markenbildung".

Erfolgszahlen der Gründerinnen sprechen für sich

Seit dem Auftakt der dritten Runde von Unternehmerinnen der Zukunft im April 2019 konnten nicht nur die Gewinnerinnen, sondern alle Teilnehmerinnen ihr Online-Geschäft ausbauen und neue Kunden für ihre Produkte gewinnen: 16 führten eine neue Marke ein oder bauten eine bestehende Eigenmarke aus; 14 Kandidatinnen haben ihren Online-Shop professionalisiert und sechs starteten mit dem Export und erreichen jetzt Kunden auf der ganzen Welt. Darüber hinaus stellten die Unternehmerinnen mehr als 2.000 Produkte online. Durch diese Aktivitäten schufen sie 35 neue Voll- und Teilzeit-Jobs in den Bereichen Vertrieb, Logistik und Marketing.

Der Wettbewerb wird auch in 2020 fortgeführt und expandiert in die USA.

 

Weiterführende Links

Mehr Informationen zum Wettbewerb #UdZ

Die Unternehmen der Gewinnerinnen Sanni Shoo, renna deluxe, MOYA Birch Bark, EMMA Eventing,

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Dorothee Bär und Tijen Onaran im Gespräch über Digitalkompetenz

 


Brax Kollektion 2019

Warum Vertrauen wichtig für eine erfolgreiche Transformation ist

Die Modebranche hat es in den letzten Jahren nicht leicht gehabt. Viele namhafte, alteingesessene Unternehmen der Branche haben Insolvenz anmelden müssen. Der größte Vorwurf: mangelnde Agilität! Viel zu sehr hat man an alten Strukturen festgehalten, viel zu wenig hat man in Neues investiert, oft mangelte es an Vertrauen in den Change-Prozess. Ein Unternehmen, das den Spagat zwischen Tradition und Moderne offensichtlich gut hinbekommt, ist die Leineweber GmbH aus Ostwestfalen, die mit ihrer Marke Brax 2018 einen Umsatzrekord verzeichnen konnte. Ich wollte von Marc Freyberg, Director Marketing & E-Commerce sowie Unternehmenssprecher bei Brax wissen, wie man es als 130 Jahre altes Unternehmen schafft, nicht betriebsblind zu werden und welche Rolle in all der Disruption das Wörtchen „Vertrauen“ spielt.

 

Marc Freyberg von Brax spricht über Vertrauen
Marc Freyberg von Brax spricht über Vertrauen

Herr Freyberg, Sie sind seit fast 29 Jahren bei der Leineweber GmbH – und das soll in Ihrer Firma keine Seltenheit sein! Welche Message steckt aus Ihrer Sicht hinter dieser Tatsache?

Ehrlich gesagt, kommt es mir manchmal auch komisch vor, dass ich seit meinem Abitur immer nur in einer Firma gewesen bin. Aber wir bei Brax leben tatsächlich diesen „Fordern & Fördern“-Ansatz. Der ist für uns existentiell, denn für unseren Standort ist es nicht immer leicht, geeignetes Personal zu finden. Wir schauen genau, welche Person an welcher Stelle am besten eingesetzt ist, wie man Talente fördert und intern aufbauen kann. Ich selbst bin sicherlich ein Beispiel dafür! In unserer HR-Abteilung ist ein großer Teil des Teams mit Personalentwicklung beschäftigt.

„Nur mit Leidenschaft, Information und gegenseitigem Vertrauen kann man digitale Transformation meistern.“

 

Wie hoch ist die Mitarbeiter-Fluktuation in Ihrem Unternehmen?

Die Mitarbeiterfluktuation in unserem Headoffice in Herford ist tatsächlich sehr gering, sie liegt bei drei Prozent. In den Läden sieht das sicherlich anders aus, dort ist sie höher, wie überall im Handel. Ich glaube es gibt nicht viele Läden, die über ein Jahr hinweg mit dem gleichen Team am Start sind.

 

Stellt sich bei einer so langen Betriebszugehörigkeit nicht auch die Gefahr der Betriebsblindheit ein?

In unserer Zeit ist es immens wichtig, Entwicklungen in der Branche und der Gesellschaft nicht zu verschlafen. Bis 2009 waren wir ausschließlich über den stationären Handel am Markt vertreten, seit 2009 haben wir den Online Shop, später kamen Marktplätze hinzu. Heute liegt der  Umsatzanteil über E-Commerce bereits bei ca. 10 Prozent. Um solch einen Change-Prozess umzusetzen, braucht es Impulse von außen - aber auch festes Vertrauen innerhalb eines Unternehmens – zwischen Management und Mitarbeiter. Ich glaube nicht, dass ich betriebsblind bin.

 

Woher holen Sie sich die Impulse für neue Wege?

Ich bin viel unterwegs, kenne die Sicht des stationären Handels, des E-Commerce, der Hersteller. Vor allem aber rede ich viel mit Leuten, frage, wie macht ihr das und warum und bin einfach neugierig auf neue Ideen und Denkweisen. Auch auf Konferenzen und besonders in den Gesprächen zwischen den Slots hole ich mir wichtige Impulse für mein Business.

 

In 30 Jahren haben sich die Anforderungen an Führung und Mitarbeiter stark verändert. Warum braucht es heute einen anderen Führungsstil als früher?

Die Führung von Mitarbeitern hat sich grundlegend verändert. Ging es vor 30 Jahren nur top-down, ist das Verhältnis zwischen Führung und Mitarbeitern heute kooperativ und auf Augenhöhe. Bei uns beispielsweise erfolgen Feedbackrunden stets in beide Richtungen. Und kein Mensch will heute mehr eine austauschbare Nummer in einem Betrieb sein und nur Anweisungen umsetzen. Mit solchen Mitarbeitern könnte man eine Herausforderung wie die Digitalisierung auch nicht stemmen. Nur mit Leidenschaft, Information und gegenseitigem Vertrauen kann man sie meistern. Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang die Information, denn wie man so schön sagt: Information ist der Sauerstoff der Motivation!

 

Inwiefern stellt die digitale Transformation dieses Vertrauen auf eine Probe?

Weil alles immer schneller geht! Mitarbeiter brauchen Sicherheit und so etwas wie ein Gefühl von Geborgenheit im Unternehmen. Nur dann sind sie auch bereit, neue Wege zu beschreiten, denn das ist immer ein Risiko. Es ist wichtig, dass Mitarbeiter der Führung vertrauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Im Gegenzug muss die Führung dem Team vertrauen, diese richtig umzusetzen. Dabei ist es auch wichtig, Fehler zuzulassen. Denn wer keine Fehler machen darf, wird sich auch nicht in neue Themen stürzen.

 

„Wir sind ein Familienunternehmen. Vertrauen zwischen Familie und Mitarbeiter ist uns extrem wichtig, weil wir den Zusammenhang zwischen Geborgenheitsgefühl und Innovationskraft kennen.“

 

Wie sieht eine Arbeitsbeziehung aus, in der dieses Vertrauen gestört ist?

Dann haben Sie Mitarbeiter, die nur Dienst nach Vorschrift machen oder – noch schlimmer – innerlich schon gekündigt haben. Mit so einem Team schaffen Sie keinen Change-Prozess. Wir dagegen haben sehr viele Anstrengungen unternommen, um dauerhaft ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Uns ist klar, dass Generationen unterschiedlich ticken und unser Unternehmen muss für alle passen. Und wenn es nicht passt, muss man eben seine Unternehmenskultur neu erfinden. Wir haben dieses Ziel bisher erfolgreich gemeistert. Der Beweis: In der Textilwirtschaft Arbeitgeberstudie belegen wir im Bereich soziale Verantwortung Platz 1.

 

Was können Sie Unternehmen empfehlen, die - wie Sie - in der Peripherie angesiedelt sind? Welche Themen sind wichtig für neue und alte Mitarbeiter?

Ich bin überzeugt, dass jedes Unternehmen, egal wo es angesiedelt ist, mit Selbstvertrauen punktet. Es ist das Paket, das stimmen muss. Arbeitnehmer wollen heute ein spannendes Aufgabenfeld, eine gute Work-Life-Balance und eine angemessene Bezahlung. Zudem wollen ja nicht alle Menschen in der Stadt leben, denn das Land bietet ja auch Vorteile, vor allem wenn man langfristig bleiben möchte.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Freyberg!

 

Weiterführende Links:

Online-Shop von Brax

Corporate Site von Brax

 

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Bild von Digitalem Visionär: Ryan Mullins

Interview Ryan Mullins:
Über das Verschwinden des Digitalen

Ryan Mullins ist Serial Entrepreneur, digitaler Vordenker und Visionär. Die letzten zwei Jahre hat der US-Amerikaner als Director of Future Trends bei Adidas digitale Zukunftstrends beobachtet und die Sportmarke hinsichtlich ihrer digitalen Strategie beraten. Alles, was Ryan tut, dreht sich um das, was er das Prometheus-Prinzip nennt: Werkzeuge und Technologien demokratisieren, um zu sehen, was Menschen erschaffen. Jetzt gründet er in den USA ein neues Unternehmen, das digitale Streetwear-Startup Aglet. Auf dem Ispo Digitize Summit sprach ich mit Ryan über das Verschwinden des Digitalen und die Rolle von Technologien. Und er verrät seine Learnings, die er Marken und Händlern mit auf dem Weg gibt.

Ryan, wie siehst du die Zukunft des Handels? Welche Rolle werden Brands spielen, welche Händler?

Ich sehe den Handel im Kontext einer wesentlichen Entwicklung: Das Verschwinden des Digitalen. Der stationäre Handel hat einen Fehler gemacht, als er iPads, Screens, magische Spiegel etc. in die Läden gestellt hat in der Hoffnung, der Kunde würde das wollen. Tatsächlich schaffen diese Geräte aber Hindernisse für das Markenerlebnis und die Kommunikation zwischen Kunde und Verkäufer. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft immer weniger kommerzielle Transaktionen im Laden durchführen, das klassische Kaufen wird mehrheitlich online erfolgen. Dafür wird der stationäre Laden für den direkten Kontakt mit der Marke immer wichtiger. Hier findet das Testen von Produkten statt. Es wird mehr Direct-to-Consumer Handel geben und vor allem mehr Consumer-to-Consumer Handel.

 

"Was ich mit Verschwinden des Digitalen meine: Das Digitale wird für uns so selbstverständlich und omnipräsent werden wie es für uns heute die Elektrizität ist."

 

Was genau meinst du mit Consumer-to-Consumer?

Consumer-to-Consumer ist die Weiterentwicklung von eBay oder StockX, also Plattformen, wo Konsumenten an Konsumenten verkaufen. Wenn Produkte wie beispielsweise Sneaker mit den entsprechenden Chips ausgestattet sind, wird derjenige, der die Schuhe trägt, zum Verkäufer, einfach indem die Schuhe gescannt werden. Technologie wird jedem ermöglichen, zum Verkäufer zu werden. Nicht alle kommerziellen Transaktionen werden so ablaufen, aber wir werden hier eine signifikante Steigerung sehen.

Welche Rolle werden dann die Marken haben?

Marken stehen nicht für Produkte, sondern sie bieten den Kunden einen Raum an, wo Kunden Erfahrungen machen können, wo sie ihren Visionen nachgehen können, wo sie ihr Leben ändern können. Sport ist schon immer mit Orten assoziiert, wie z.B. Fußballplätzen, Fitnessstudios etc. In Zukunft wird es für Marken darauf ankommen, diese Orte mit der Marke zu verknüpfen oder selbst zu so einem Ort zu werden. Apple ist dafür ein gutes Beispiel: Wenn man in einen Apple Store geht, kann man dort natürlich auch Dinge kaufen, aber vor allem geht es darum, dort Produkte zu testen. Der Laden funktioniert wie ein Ort, an dem Kunden neue Erfahrungen machen.

Du sprichst über das “Verschwinden des Digitalen”. Was genau wird verschwinden?

Wie oft haben Sie heute schon über die Technologie nachgedacht, die es Ihnen erlaubt, bestimmte Dinge zu tun? Wahrscheinlich so gut wie gar nicht. Das ist eine evolutionäre Entwicklung: Dinge sind nur dann im Fokus der Aufmerksamkeit, solange sie neu sind. Das gilt für die neue Uhr, die neuen Sneaker genauso wie für Technologie. Jede große Technologie wird verschwinden, nicht in dem Sinne, dass es sie nicht mehr gibt, sondern sie wird einfach zu einem Teil unseres Lebens, ohne viel Aufmerksamkeit zu absorbieren. Das Digitale wird für uns so selbstverständlich und omnipräsent werden wie es für uns heute die Elektrizität ist.

 

"Es wird in Zukunft mehr Direct-to-Consumer Handel geben und vor allem mehr Consumer-to-Consumer Handel."

 

Welche Konsequenz hat diese Entwicklung für Marken und Händler?

Die Frage, die sich daraus ergibt, wird sein, wie man als Marke für diese Konsumenten Erlebnisse entwickeln kann? Die Antwort darauf kann nicht lauten, dass wir die Technologie in den Vordergrund stellen und auf VR-Brillen, noch mehr Screens, Magic Mirrors etc. bauen. Man braucht kein Hologramm im Store oder tanzende Außerirdische, um den Konsumenten zu bedienen. Wir müssen nach Anwendungen suchen, die für ihn Sinn machen. Das muss meiner Meinung nach überhaupt nichts super ausgefallenes sein. Die aktuellen Top-Brands für Kids, wie z.B. Supreme oder Balenciaga, sind nicht wegen ihrer Technik angesagt, ihre Attraktivität hat nichts mit Technologie zu tun. Die Magie entsteht allein im Auge des Konsumenten.

Wie kann man diese Magie herstellen- ohne technischen Schnickschnack?

Beispielsweise durch Strategien der Verknappung. Mit den digitalen Plattformen wurde alles überall und jederzeit verfügbar. Deshalb haben erfolgreiche Brands damit begonnen, ihre Produkte zu limitieren. Was ist ein Selfie? Das Festhalten eines ganz bestimmten, nicht wiederholbaren Moments. Diese Momente zu haben und mit anderen zu teilen verleiht heute Status. Genauso ist das mit Produkten. Sneaker sind ein Paradebeispiel für dieses Prinzip. Der Resell-Markt für Sneaker ist dreimal größer als der eigentliche Sneaker Markt! Es gibt Leute, die verkaufen ihre Sneaker schon weiter, bevor sie sie überhaupt bekommen haben. Die Marke spielt hier gar keine Rolle mehr, der Prozess verläuft allein zwischen Konsumenten.

Welche Bedeutung wird in diesem Zusammenhang Customizing  zukommen?

Customizing ist ein großartiges Tool um Läden zu einem besonderen Ort für die Konsumenten zu machen. Die Magie des Ladens entwickelt sich allein daraus, was der Kunde dort machen kann! Die eigene Kreativität und Vorstellungskraft wird zu einem Teil des Geschäfts. Und natürlich ist auch Customization mit dem Konzept der Limitierung verbunden. Viele Konsumenten nutzen diese Möglichkeit schon, aber es wird Zeit, dass diese Idee mithilfe von Machine Learning eine höhere Stufe erreicht. Zwei Probleme sind heute mit Customization verbunden: Selbst designen kostet Mühe und Zeit, und die wollen viele Leute nicht investieren. Ganz nach dem Bestseller „Don’t make me think“: Sobald der Konsument denken muss, geht er. Das zweite Problem: Viele Leute glauben nicht daran, dass sie selbst ein guter Designer sein können. Sobald wir aber soweit sind, über Algorithmen genau die Produkte entwickeln zu können, die dem Konsumenten gefallen, wird Customization zu einer komplett neuen Erfahrung.

 

"Innovationen entstehen durch ungewöhnliche Kombinationen."

 

Welche Rolle wird Geschwindigkeit spielen?

Die Geschwindigkeit, in der künftig Produkte auf den Markt gebracht werden können, spielt eine wesentliche Rolle – es ist kein Zufall, dass gerade die Fast Fashion in den letzten Jahren so stark gewachsen ist. Wir müssen schneller werden! Die ersten Produktbilder erreichen heute schon so früh die Konsumenten, dass sie schon gelangweilt sind, wenn das Produkt erhältlich ist. Die Supply Chain hierfür zu optimieren ist ein Teil des Puzzles. Auch neue Technologien werden hier eine zunehmend wichtige Rolle einnehmen. Nehmen wir Blockchains oder Kryptowährungen – viele Menschen denken, das sei nur ein Trend. Aber das ist ein Fehler. Blockchains werden Teil der Supply Chain werden, weil sie Transparenz ermöglichen und Nachhaltigkeit nachvollziehbar machen. Noch sind wir nicht soweit, aber viele Leute arbeiten daran.

Wie weit verändert die Digitalisierung den Sport? Wo siehst du weitere Erlösquellen?

Ich möchte es ein wenig umschreiben: Mich hat mal jemand gefragt, wie können die Marken heute wieder dahin zurückkehren, echte Sport Brands zu sein? Zu viele Menschen trügen Sportprodukte ohne wirklich Sport zu treiben, und das schade dem Image. Meiner Meinung nach ist das aber die falsche Frage. Wenn man zurück will, ist das der falsche Weg. Die richtige Frage lautet: Wie bringt man den Sport voran? Neue Möglichkeiten für Erlösquellen ergeben sich zum Beispiel durch den e-Sports Boom, auch wenn die heutige Diskussion vorherrscht, dass Video Games schlecht sind und kein Sport. Aber daraus lassen sich neue Umsätze entwickeln. Das Spiel Fortnite hat 2018 drei Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht, ein großer Teil davon durch virtuelle Produkte. Innovationen entstehen auch durch ungewöhnliche Kombinationen, beispielsweise die neue Pharell Williams Kollaboration mit Adidas Originals, wo Tennis und Basketball zusammen kommen. Jede Art von Sport wird heute ‚vermodet‘, bis hin zu den Sportlern selbst, bei denen nicht nur die Leistung interessiert, sondern oft noch mehr, was sie auf dem Weg ins Stadium anhaben. Auch wenn manches lächerlich erscheinen mag, man muss das System Sport als Ökosystem verstehen lernen und daraus Produkte entwickeln.

 

"Blockchains werden Teil der Supply Chain werden, weil sie Transparenz ermöglichen und Nachhaltigkeit nachvollziehbar machen."

 

Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung für den Handel. Welche Tipps würdest du Händlern geben?

Ich würde folgenden Rat geben: Findet Wege, wie ihr eure Kunden stärken und befähigen könnt. Versucht sie besser zu verstehen, und ihr werdet feststellen: Was eure Kunden brauchen ist nicht das, was ihr erwartet hättet. Bleibt innovativ und wagt kontinuierlich Neues, um gegen das Überangebot zu bestehen - die Kunden sind super schnell gelangweilt. Hebt euch ab von eurer Konkurrenz und seid kreativ. Man muss, wie ich anfangs schon gesagt habe, eine gewisse Spannung erzeugen.

Du verlässt adidas und gründest gerade ein Start-up in den USA. Verrätst du uns, worum es dabei geht?

Mein neues Start-up heißt ‚Aglet‘, wie das Ende der Schnürsenkel bei einem Sneaker. Es ist eine digitale Sneaker Plattform, auf der man Sneaker designen, kaufen und verkaufen kann. Das Interesse an Sneaker Design ist riesig – man kann Sneaker Designer auf Instagram folgen, und immer mehr  Menschen wollen selbst designen. Bisher gab es aber keine Möglichkeit, selbst zum Designer zu werden und eigene Sneaker, Hoodies etc. zu entwerfen. Auf Aglet können User selbst kreativ werden, über Designs abstimmen und digitale Sneaker kaufen, beispielsweise für Games. Auch dort zählt Status. Aglet ist also ein Tool um Schuhe zu designen und ein Kanal zum Kaufen und Verkaufen. Aglet heißt auch die Währung. Es ist auf Blockchains aufgebaut. Es bietet außerdem die Möglichkeit, mit Brands zu interagieren. Brands könnten ihre Komponenten digitalisieren und zum Kauf anbieten, aus denen die Kids ganz eigene Designs erstellen. Ich bin sicher, dabei kämen völlig neue Produkte heraus und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Kunde und Brand. Ich denke, so wird in Zukunft Design stattfinden: man designt digital, misst digital den Erfolg und produziert erst dann.

Soll es auch echte Produkte geben?

Am Ende ja. Wenn es mehr Speed Factories gibt und diese schnell und mit unterschiedlichen Materialien produzieren können. Aber noch ist es nicht so weit.

Viel Erfolg, Ryan, danke für das Gespräch!

 

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arseny-togulev

Tabakriese Philip Morris: Traumjob für einen digitalen Transformator

Zigarettenhersteller Philip Morris International möchte bis 2025 weltweit 40 Prozent seines Umsatzes mit risikoreduzierten Produkten erzielen. 40 Millionen Zigarettenraucher sollen von Alternativen überzeugt werden. Auf der OMR sprach ich mit CTO Michael Voegele. Auf seinem LinkedIn-Profil ist der Slogan „Designing a smoke-free future“ zu lesen. Ein heeres Ziel und ein Traumjob für einen digitalen Transformator, der Dinge bewegen will.

Michael Voegele, CTO PMI
Michael Voegele wechselte im Februar 2019 von Addidas zu Philipp Morris International

Michael Voegele arbeitete über acht Jahre bei der Sportmarke Adidas. Vor vier Monaten wechselte der Ingenieur zum Tabakriesen Philip Morris als CTO. Wie passt das zusammen? „Die Frage liegt jedem auf der Zunge“, schmunzelt er. „Das Unternehmen ist Marktführer im Bereich Zigaretten – und will in Zukunft keine Zigaretten mehr verkaufen, sondern Raucher von weniger schädlichen Alternativen überzeugen. Das ist echtes Change Management und diese Herausforderung hat mich gereizt.“

Weltweit fällt der Umsatz von Zigaretten um drei bis vier Prozent jährlich. In Deutschland hält sich der Umsatz bisher auf einem stabilen Level, obwohl die Zahl der Raucher deutlich zurückgeht. Das liegt an den steigenden Preisen und höheren Steuern für Zigaretten. Philip Morris setzt in der Transformation auf Produkte wie Iqos. Dabei handelt es sich um ein Gerät, das Tabak erhitzt und nicht verbrennt. Der Dampf, der dabei entsteht, soll weniger schädliche Stoffe enthalten als Zigarettenrauch, laut Unternehmen sogar 95 Prozent weniger als herkömmliche Zigaretten. Allerdings macht Iqos weiterhin süchtig, da nach wie vor Nikotin enthalten ist. Seit 2017 dreht sich bei Philipp Morris alles nur noch um den Iqos, das Marketingbudget für Marken wie Marlboro wurde auf Null gesetzt - obwohl der Umsatz des klassischen Zigarettengeschäfts recht stabil ist. Noch.

Wandel geprägt durch Vision

Den Grundstein für den Wandel legte CEO Andre Calantzopoulos 2016 mit seiner Vision. Er stellte sich vor die Mitarbeiter und sagte: „I hope one day we won’t sell cigarettes any more!“ Für die Mitarbeiter war das damals ein Schock, aber seither hat sich in den Köpfen viel getan. Für Voegele, der selbst erst seit kurzem an Bord ist, eine neue Erfahrung: „Man spürt den Kulturwandel standortunabhängig, das Unternehmen ist bereits mitten in der Transformation. Der Wille zur Veränderung ist da und man kann die Aufbruchsstimmung bei jedem einzelnen Mitarbeiter spüren. Denn jeder weiß: Es gibt keinen Plan B.“

Die zentrale Fragestellung bei der Transformation: Welche Alternative kann ein Tabakhersteller bieten, die das Gesundheitsrisiko von Rauchern minimiert? Michael Voegele ist angetreten, um das Unternehmen auf eine entsprechend neue technologische Plattform zu bringen, die die Vermarktung von risikominimierten Produkten wie den Iqos abbildet. Denn die Vermarktung eines elektronischen Produkts stellt ganz neue Anforderungen an interne Prozesse: Handling von Retouren, kaputte Geräte managen, Kundenservice – alles Prozesse, die das Unternehmen in den letzten zwei Jahren neu aufsetzen musste.

Holistischer Ansatz

Aber das ist nur der Anfang auf dem Weg zu einer rauchfreien Gesellschaft. Es geht um die Entwicklung neuer Produkte und Services. 400 Mediziner und Forscher arbeiten dafür im Headquarter in Lausanne. „Dabei stellt sich für uns die Kernfrage, welche gesundheitlichen und kommerziellen Benefits wir für unsere Community schaffen können. Daraus leiten wir dann Ideen für innovative Geschäftsmodelle ab.“ Voegele hält sich noch bedeckt, welche konkreten Maßnahmen in den nächsten zwölf Monaten geplant sind, verrät aber ein Beispiel: „In UK beispielsweise starten wir gerade ein Pilotprojekt. Wir haben eine spezielle Lebensversicherung für Raucher konzipiert, die zu unserem Produkt Iqos gewechselt sind.“

Voegele hat 20 Jahre Erfahrung in der IT-Industrie. Mit dieser Expertise will er nun den Technologie-Stack bei Philip Morris designen und entwickeln. „Die Transformation stellt ganz neue Anforderungen an die Supply Chain und Sales Prozesse. Nichts ist mehr so, wie es beim Vertrieb einer Zigarettenmarke einmal war. Jeden Tag fließen riesige Datenmengen an Feedback ins System und wir müssen daraus lernen, was der Kunde will.“ Dafür ist es extrem wichtig, als Unternehmen direkten Kontakt zu den Kunden zu haben – ein Umstand, der im „alten“ Philip Morris keine Rolle gespielt hat. Alte Vertriebswege wie z.B. Kooperationen mit Clubs funktionieren heute nicht mehr. In den nächsten Monaten steht bei Voegele Multichannel auf dem Plan: „Wir brauchen die digitalen Kanäle und deren Verknüpfung mit Retail Channels und den Iqos Flagship-Stores.“

Talente für den Wandel rekrutieren

Für seine Agenda muss Voegele digitale Expertise im Unternehmen aufbauen und digitale Talente rekrutieren. „Derzeit zeichnet sich der Trend ab, Standorte dort zu eröffnen, wo die Talent-Pools ausgebildet werden. In Osteuropa sind sehr gute Cyber Security Spezialisten zu finden, Spanien ist ein guter Markt für Entwickler und Programmierer, Griechenland hervorragend, wenn es um Data Scientists geht.“ Dennoch: Im „War for Talents“ kein leichtes Unterfangen für ein Unternehmen mit angekratztem Image. „Natürlich ist es einfacher für eine Sportmarke neue Leute zu gewinnen als für einen Tabakhersteller. Da ist Überzeugungsarbeit zu leisten“, so Voegele.

Im PMI Forschungs- und Entwicklungszentrum in Neuenburg bei Lausanne (CH) - eingeweiht im Jahr 2009 und auch bekannt als “the Cube“ – arbeiten über 400 Wissenschaftler und Entwickler.

Seine US-amerikanische Kollegin Marian Salzman, Kommunikationschefin bei Philip Morris, sieht er in einer Vorbildfunktion. Die PR-Pionierin kam als überzeugte Nichtraucherin zum Konzern, um an einer rauchfreien Zukunft mitzuarbeiten. Wer sich der Herausforderung einer radikalen digitalen Transformation stellen will, hat hier die Chance seines Lebens. Voegeles Wechsel von Adidas zu Philip Morris scheint der beste Beweis dafür zu sein.

 

Weiterführende Links

Studie über Digitale Transformation 2019

Recap OMR 2019

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SportScheck Filiale München

Zwischenbilanz: Jan Kegelberg über Tops und Flops bei der Transformation von SportScheck

Der stationäre Handel steckt in der Krise und es ist Pioniergeist gefragt, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Emotionaler und digitaler sollen die Läden werden, eben ein kundenzentrierter Mix aus dem Besten aus On- und Offline-Welt... Aha... Ideen dazu gibt es viele, aber welche funktioniert wirklich? Schließlich geht es auch um Geld! Jan Kegelberg, Chief Digital Officer (CDO) bei SportScheck und seit 2015 aktiver Transformator des Multichannel-Anbieters, kennt die Hypes um Eintagsfliegen und die Ideen, die einen echten Mehrwert bieten. Welche Tops und Flops das bei SportScheck sind, verrät er uns in einer Zwischenbilanz.

Jan, SportScheck ist mit Dir seit 2015 auf dem Weg in die Transformation. Würdest Du sagen, dass Ihr ganz gut vorangekommen seid?

In vielen Bereichen sind wir tatsächlich schon sehr gut aufgestellt. Beispiele sind vor allem im Marketing, wo wir weg vom Katalog hin zum Customer Journey Marketing inklusive Social Media massive Fortschritte gemacht haben. Auch die Erweiterung unseres Online Shops um das Marktplatzgeschäft hat sich sehr positiv entwickelt und wir erleben eine hohe Nachfrage von Partnern im Markt. Mit unserer Sporterlebnis-Plattform Fitfox und unseren Retail Media Services sind wir darüber hinaus auch sehr erfolgreich. Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir gerne schon weiter wären. Ein großer Punkt ist hier der Kulturwandel, der einfach Zeit braucht. Auch wären wir gerne beim Thema Personalisierung schon weiter, aber auch hier werden wir in diesem Jahr deutliche Verbesserungen realisieren können.

Du hast bei SportScheck inzwischen viel ausprobiert. Was waren aus Deiner Sicht die Tops, wenn es darum geht, den stationären Handel zukunftsfit zu bekommen?
Jan Kegelberg CDO SportScheck
Jan Kegelberg CDO SportScheck

Ganz wichtig war es, unser CRM journey-basiert aufzusetzen. Wir haben heute keine Kanalsilos mehr, die Läden, Onlineshop, Marketing oder Events kommunikativ trennen. Das hat viel Geld und Kraft gekostet, aber es war essentiell für das Kundenerlebnis. Jeder Verkäufer in unserer Filiale hat heute Zugriff auf die kanal-übergreifende Kundenhistorie. Das ist wirklich ein Mehrwert für den Kunden, und er erwartet das inzwischen auch. Für uns ergibt sich der Vorteil, dass wir unsere Kunden so viel besser betreuen und beraten können.

Gibt es weitere Top-Maßnahmen für Multi-Channel?

Genauso wichtig bewerte ich, dass unser Warenfluss heute ganz flexibel strukturiert ist. Der Kunde kann Produkte online bestellen, im Laden abholen oder im Laden bestellen und zuhause anprobieren und wieder im Laden umtauschen. Alles kein Problem. Für Kunden ist es nicht mehr nachvollziehbar, wenn solche Prozesse nicht angeboten werden. Der Kunde denkt ja nicht in Kanälen, viele Händler tun das aber heute noch.

Das Tablet am POS als Tool für unsere Verkäufer funktioniert ebenfalls sehr gut. Wir haben damit Zugriff auf alle Produktinformationen und -lagerorte. Wenn ein Produkt im Laden nicht mehr in der passenden Größe vorrätig ist, kann der Verkäufer es aus dem Zentrallager oder einem anderen Store ordern. Er kann es aber auch direkt zum Kunden nach Hause schicken lassen. Wir können sogar auf unser gesamtes Online-Marktplatzsortiment aus der Filiale zugreifen und für den stationären Kunden verfügbar machen. Für den Kunden ist es frustrierend, wenn sein gewünschtes Produkt nicht verfügbar ist! Das sind dann die Momente, wo er sich sagt, dass er nächstens Mal lieber gleich online kauft. Bis September dieses Jahres wollen wir in allen unseren Läden zudem einen mobilen Check-out einführen. Dann können Kunden direkt beim Verkaufsberater bezahlen und sparen sich den Gang an die Zentralkasse. In unserem Pilot-Store in Köln wird das sehr gut angenommen und führt zu echter Kundenbegeisterung.

Und die Flops?

Info- oder Verkaufs-Terminals im Laden wollen unsere Kunden nicht. Wenn man sich schon dafür entscheidet, in der Stadt einzukaufen, will man auch die Interaktion mit Menschen – sonst könnte man ja gleich zuhause auf dem Sofa einkaufen. Ich glaube die Menschen, die stationär shoppen, sind in einem anderen „State of Mind“, deshalb funktionieren digitale Self-Services im Laden oft nicht. Da haben wir in der Vergangenheit Lehrgeld gezahlt. Anders ist es bei digitalen Lösungen, die den Verkäufer im Verkaufsprozess unterstützen. Da wollen wir uns weiter verbessern.

Kundenerwartungen sind heute sehr dynamisch. Wie erkennt Ihr, was der Kunde will bzw. was er wertschätzen wird?

Wir fragen den Kunden! Jeden Monat sammeln wir Kundenfeedback sowohl online, aber auch in den Filialen. So erhalten wir relevante Anregungen zur Weiterentwicklung. Bevor wir eine Idee umsetzen, erstellen wir auch oft Prototypen, die wir dann im Use Lab vom Kunden testen lassen. Später überprüfen wir dann anhand von KPIs, ob unsere Veränderungen einen Mehrwert für den Kunden bieten.

Im Rückblick: Was waren/sind aus Deiner Sicht die größten Hürden bei Eurer Digitalisierung?

Der Kulturwandel ist wirklich eine Herausforderung und wurde von uns zu Beginn vielleicht auch etwas unterschätzt. Neue Prozesse aufzusetzen und Abteilungen zusammenzubringen, die früher keine Berührungspunkte miteinander hatten und jetzt gemeinsame Projekte planen und umsetzen müssen, das ist nicht so einfach. Das braucht einfach Zeit. Die gewonnen Daten aus den Kundeninteraktionen entlang der Customer Journey können nur dann erfolgreich genutzt werden, wenn alle zusammenarbeiten und gemeinsam Ideen entwickeln, welche ganzheitlich vom Kunden gedacht sind.

Und wie reagiert der Kunde darauf, wenn Ihr neue Tools oder Services einführt?

Das wird sehr positiv aufgenommen. Wir zwingen auch niemanden in ein Korsett; fast alles, was wir neu anbieten, sind ergänzende Leistungen. Wichtig ist, dass das Kerngeschäft weiterhin für den Kunden funktioniert: Das Produkt muss verfügbar, der Preis attraktiv und die Beratung gut sein. Wenn diese Punkte abgehakt sind, hat man schon viel richtig gemacht! Und unbedingt noch kostenloses WLAN!

Vielen Dank für das interessante Interview!

Weiterführende Links:

Jan Kegelberg am 21. Mai 2019 auf dem ECD in München

Zur Website von SportScheck

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Kassenloses Bezahlen: Wirklich ein Vorteil für die Kunden?


Dr. Florian Ilgen Keynotespeaker TDWI München

„Erfolg ist der größte Feind von Veränderung“

Kann jemand, der sich Mentalist, Motivator und Psychic Entertainer nennt, etwas zum Thema Digitalisierung beitragen? Ich muss gestehen ich war skeptisch... und sehe nun klarer: Denn im Gespräch mit Dr. Florian Ilgen, promovierter Chemiker und Top 100 Redner für Unternehmen wie IBM, Rolls Royce, SAP oder Novartis, habe ich gelernt, dass mentale Agilität und Motivation SEHR viel mit Veränderung zu tun haben. Und warum es vor allem erfolgreichen Unternehmen so schwer fällt, sich auf die Digitale Transformation einzulassen.

Lieber Herr Ilgen, mit Ihren Vorträgen möchten Sie unser Bewusstsein für typische menschliche Verhaltensweisen schärfen und Wege zeigen, wie wir aus gelernten Mustern ausbrechen können. Warum ist das gerade heute so wichtig?

Wir leben in einer Zeit rasanter Veränderungen. Ob man diese Veränderung positiv oder negativ wahrnimmt, kommt auf das jeweilige Mindset an. Und genau an dieser Stelle komme ich ins Spiel, denn man kann das eigene Mindset beeinflussen und trainieren. Ich möchte Menschen zeigen, welche archaischen Muster für unsere Ängste verantwortlich sind und helfen, diese zu überwinden. Denn eines ist klar: Veränderung ist nur möglich, wenn man auch bereit ist, sich selbst zu verändern.

Warum ist es so schwer für Menschen, sich zu verändern?

Veränderung an sich ist in unserer Evolution nichts Besonderes. Es gab immer wieder Momente, in denen „Geschichte geschrieben“ wurde, wie z.B. der Buchdruck um 1450 oder die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier und wenn etwas jahrelang gut geklappt hat, ist er schwer für Neuerungen zu gewinnen. Erfolg ist sozusagen der größte Feind von Innovation bzw. Veränderung.

Wie reihen Sie die aktuelle Situation mit der Digitalisierung in die historischen Veränderungen unserer Menschheitsgeschichte ein?

Das Neue an unserer digitalen Transformation ist die Geschwindigkeit. Heute werden etablierte Systeme von jungen, agilen Unternehmen Stück für Stück demontiert und das innerhalb von wenigen Jahren. Wir haben heute – anders als noch vor 150 Jahren -  nicht mehr Jahrzehnte Zeit, um uns mit neuen Technologien, neuen Berufen, neuen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. Die Digitale Transformation ist Veränderung im Hochgeschwindigkeitsanzug.

Dann sehen Sie in der Digitalisierung gar nicht so sehr eine technologische Herausforderung sondern viel mehr eine menschliche?

Genau. Die Digitalisierung ist nur auf den ersten Blick eine rein technologische Angelegenheit. Tatsächlich aber geht es um den Menschen, um seine Einstellung. Es ist der Mensch, der die Transformation anstößt, umsetzt und weiterentwickelt – oder eben nicht. Transformation findet im Kopf statt, das Produkt ist dann nur das Ergebnis.

Unternehmer beklagen oft, dass Mitarbeiter den Wandel nicht mittragen – aber auch umgekehrt. Was läuft da schief? 

Ich habe gerade erst eine Studie gelesen, die besagt, dass 1/7 aller Angestellten ihre Arbeit lieben, 1/7 haben bereits innerlich gekündigt und die restlichen 5/7 machen nur Dienst nach Vorschrift. Es geht mir um genau diese 5/7! Das ist doch ein Riesenpotenzial! Denen muss man helfen und vor allem Sinn geben.

Und wie schafft man das?

Es geht um Vertrauen! Führung muss Vorbild sein. Es ist essentiell, dass Führungspersonen die Transformation leben, sie verstanden haben und von ihr überzeugt sind. Und das müssen sie an ihre Mitarbeiter weitergeben können. Mitarbeiter brauchen eine klare Vision! WARUM soll jemand seinen Job nicht mehr so sondern anders machen? Wenn Mitarbeiter verstehen, weshalb etwas verändert wird, sind sie auch bereit, das neue Ziel zu unterstützen. Aber es müssen emotionale, sinnstiftende Ziele sein. Wenn es nur darum geht, 5 Prozent mehr Umsatz zu machen, zeigt sich kein Peak in der Motivationskurve. Wenn es aber um echten Kundennutzen geht oder z.B. um Umweltziele, sieht die Sache ganz anders aus.

Aber auch Unternehmer sind oft unsicher, welcher Weg der richtige ist...

Das stimmt. Aber ein bestimmtes Gefühl für den richtigen Weg haben die meisten! Bei diesem Szenario bekommt unsere Intuition ein sehr großes Gewicht. Mein neues Buch beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und zeigt uns einen neuen Blick auf unsere Intuition und Wege, sie zu schärfen und erfolgreich zu nutzen - um am Ende bessere Ergebnisse zu erzielen. Interessanterweise haben sich bei meiner Forschungsarbeit zahlreiche Parallelen zu Deed Learning Mechanismen gezeigt.

Und was brauchen Mitarbeiter, um die neuen Visionen mitzutragen?

Neben der über allem stehenden Vision und dem klaren „Warum“ brauchen Mitarbeiter vor allem Entwicklungsspielräume. Wer mitdenkende Mitarbeiter haben will, muss sie auch machen lassen. Und man muss die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen, ernst nehmen und berücksichtigen. Daraus ergibt sich dann eine intrinsische Motivation, bei der das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Das macht zufrieden und gleicht sogar das Stresshormon Adrenalin aus. Die Konsequenz: Wir tun mit Freude etwas Neues und haben dabei keine Angst bzw. keinen Stress.

Vielen Dank für das interessante Interview!

Weiterführende Links: 

Vorschau: Dr. Florian Ilgen auf der TDWI München

Website von Dr. Florian Ilgen

Neues Buch "Macht der Intuition" von Dr. Florian Ilgen

 

 


Tijen-Onaran-und-Dorothee-Baer

Dorothee Bär und Tijen Onaran im Gespräch:
Wie ist es um Deutschlands Digitalkompetenz bestellt?

Auf dem Kick-off für das Förderprogramm „Unternehmerinnen der Zukunft“ letzte Woche in Berlin treffe ich mich mit zwei Frauen, die für Digitales brennen. Netzwerk-Queen Tijen Onaran, Gründerin der Global Digital Women und Deutschlands Digitalbotschafterin Dorothee Bär, Staatsministerien für Digitales im Bundeskanzleramt. Im Interview spreche ich mit den beiden über die Digitalkompetenz junger Menschen und wie wir sie darin für die Zukunft fit machen können. Eines wird mir bei dem Gespräch bewusst: Man muss sich frei machen von Bedenkenträgern und zum Gestalter werden. Jede(r) einzelne unter uns.

Die Digital Natives kommen nach und nach als Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt. Ist ihnen Digitalkompetenz quasi angeboren?

Dorothee Bär: Also das kann ich so nicht bestätigen. In Gesprächen vor allem mit jungen Menschen aus der Generation Z fällt mir immer wieder auf, dass sie hohe Forderungen stellen, mir fällt da das Stichwort Work-Life-Balance ein, aber nicht bereit sind, sich mit neuen Dingen auseinanderzusetzen. Sie konsumieren digital, das ist bei vielen aber auch schon alles. Man spürt eine gewisse Sattheit.

Tijen Onaran: Digital affin ist nicht dasselbe wie digital kompetent. Die digitale Welt ist mehr als das Smartphone zu benutzen. Ich muss schon verstehen, welche Algorithmen dahinter stehen, ich muss kritisch hinterfragen was hinter Search, Voice, Social Media und Online-Shopping steckt und den Gesamtkontext verstehen. Und das muss man eigentlich schon von Kind auf lernen.

Stichwort Bildung und Digitalkompetenz.  Bildung liegt in staatlicher Hand und es ist offensichtlich, dass der klassische deutsche Bildungsweg noch lange nicht die Entwicklung digitaler Kompetenzen abdecken wird.

Dorothee Bär: In Sachen digitaler Bildungspolitik ist der Föderalismus ein Totengräber und scheitert an drei großen „B“s: Bremser, Bedenkenträgertum und Befindlichkeiten. Wir diskutieren bei der digitalen Bildungspolitik tatsächlich nicht um das „Wie?“ sondern immer noch um das „Ob!“. Für mich ist das kaum zu ertragen, aber ich muss mit den Rahmenbedingungen arbeiten, die gegeben sind.

Immerhin, der Digitalpakt ist durch …

Dorothee Bär: Der Digitalpakt ist ein Anfang, wenn auch nur ein kleiner. Auf Landesebene gibt es verschiedene Initiativen sowohl inhaltlich für digitale Lernkonzepte als auch technisch für die digitale Infrastruktur, die ich mit vollem Engagement unterstütze. Das ist aber momentan ein kompletter Flickenteppich. Aber ganz ehrlich: Man muss ja irgendwo anfangen! Wenn man digitale Projekte aufsetzen wollen würde, die flächendeckend in Schulen in ganz Deutschland umgesetzt werden sollten, könnten wir noch Jahre warten, bis etwas passiert.

Was würden Sie Eltern raten, was sie ihren Kindern mitgeben können, um diese Digitalkompetenz außerhalb der Schule zu erlernen?

Dorothee Bär: Ich muss mich manchmal wundern, dass es gerade die Eltern sind, die Einführung digitaler Inhalte und Technologien an Schulen verhindern wollen, vor allem die Bildungsbürger. Nur ein Beispiel: Ich habe vor kurzem eine Zuschrift eines besorgten Vaters  bekommen, der sich beklagte, WLAN in Schulen sei das neue Asbest.

Tijen Onaran: Jeder versteht unter Digitalkompetenz etwas anderes – die einen meinen eher IT und Programmieren, die anderen New Work, die nächsten Social Media. Fakt ist, digitale Tools sind nur Mittel zum Zweck. Man muss den Teenagern den Mut und die Unterstützung geben, sich eigene Standards zu setzen und den Raum für digitale Erlebbarkeit schaffen. Es gibt so viele Möglichkeiten, gerade durch digitale Vernetzung. Mentoring, Coaching, neue Berufsbilder. Dafür müssen Eltern ihre Kinder schon im Teenager-Alter sensibilisieren.

 

v.l.: Tijen Onaran, Vera Vaubel und Dorothee Bär im Gespräch beim #UdZ Kick-Off in Berlin. / Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

 

Wie sieht es in den Behörden und in der Politik in Sachen Digitalkompetenz aus?

Dorothee Bär: Das kommt immer auf die individuellen Personen an. Da gibt es Licht, aber auch noch viel zu viel Schatten. Momentan ist es so, dass manchmal Kollegen auch mit der Bitte an mich herantreten, Inhalte über mein digitales Netzwerk zu kommunizieren, weil ich einfach die Reichweite damit habe.

 

„Ich habe manchmal das Gefühl, auf Twitter sind nur Politiker, Journalisten und Psychopathen unterwegs. Das ist aber für mich kein Grund, mein Account abzustellen, wie manch anderer Kollegen das getan hat. Eher im Gegenteil!“ Dorothee Bär

 

Sie haben mittlerweile auf Instagram über 25.000 Follower…

Dorothee Bär: Ja, ich glaube für eine Politikerin ist das schon ganz ordentlich, ansonsten natürlich sehr gering. Ich habe mir die Frage gestellt, wie schafft man es, Politik in Bildern darzustellen? Das ist nicht einfach. Ich habe mir die Reichweite auf Instagram mühsam aufgebaut – das war zeitintensiv, bis ich die ersten 1000 Follower zusammen hatte. Aber das gehört auch zur Digitalkompetenz: Man hat nicht mal eben eine Followerschaft, das hat viel mit Inhalten und Botschaften zu tun, mit Authentizität.

Durch Social Media entwickeln wir uns immer mehr in Richtung Netzwerkgesellschaft. Tijen, die Global Digital Women sind das beste Beispiel dafür. Welche Vorteile bringt einem das digitale Netzwerk?

Tijen Onaran: Ganz klar, man kann sich mit anderen Talenten zunächst digital vernetzen, und in Kontakt treten. Ein ganz wichtiger Punkt: Dein Netzwerk ist nur so gut, wie unterschiedlich die Talente darin sind. Ich kann durch digitale Kanäle auf meine Leistung und meine Kompetenzen aufmerksam machen, ohne dass ich von Vorgesetzten abhängig bin.

 

„Digitale Netzwerke sind nicht nur dafür da, um über Erfolge zu sprechen. Es geht um Wissenstransfer. Es darf auch um Rat gefragt werden.“ Tijen Onaran

 

Welche Skills muss man haben, um eine Rolle in dem Netzwerk zu spielen?

Tijen Onaran: Es geht nicht darum, eine Rolle zu spielen. Es geht darum seine eigene Geschichte zu erzählen. Sich sichtbar zu machen und nahbar zu sein. Authentisch sein.

Dorothee Bär: Das kann ich nur unterschreiben. Ich habe viel Erfahrung sowohl mit Shitstorms als auch mit Stereotypen. Aber seitdem ich für mich definiert habe, wer ich bin und wofür ich stehe, kann ich diesem Schubladendenken entkommen. Das prallt an mir ab.

In der Presse werden Sie oft als Botschafterin für Deutschlands Digitalisierung bezeichnet. Versteht das der Otto Normalverbraucher?

Dorothee Bär: Die Digitalisierung ist bei vielen Bürgerinnen und Bürgern oft noch negativ konnotiert. Eine große Skepsis und Ängstlichkeit ergibt sich daraus, dass die Digitalisierung als ein abstraktes Gebilde wahrgenommen wird, das viele Leute noch nicht greifen können und sich dadurch bedroht fühlen. Auf Veranstaltungen kommen Leute auf mich zu und fragen mich: „Frau Bär was ist die Digitalisierung überhaupt und was bedeutet sie für mich?“ Da bedarf es noch viel Aufklärungsarbeit. Den Leuten ist es wichtig, dass es dafür Ansprechpartner gibt. Daneben habe ich im Bundeskanzleramt natürlich noch andere wichtige Rollen, die viel Koordinierung der Digitalpolitik auf den unterschiedlichen Ebenen bedeuten und teilweise sehr operativ sind.

Tijen Onaran: Ich habe selbst lange in der Politik gearbeitet um sagen zu können, dass ich wirklich stolz bin, dass wir endlich in der deutschen politischen Landschaft eine Digitalbotschafterin wie Doro Bär haben. Sie verbreitet den Optimums und die Aufbruchsstimmung, die wir dringend nötig haben. Man muss bei den Menschen erst mal das Mindset und die Awareness schaffen, um die Digitalisierung in Deutschland zu gestalten. Und da ist sie genau die richtige Person.

 Vielen Dank für das Gespräch, ihr beiden!

Weiterführende Links

Förderprogramm Unternehmerinnen der Zukunft

Netzwerk Global Digital Women

 

 


Antenne Bayern CDO Sven Rühlicke

Antenne Bayern CDO Sven Rühlicke: „Man muss den Mut haben, sich selbst zu kannibalisieren, sonst tun es andere!“

Sven Rühlicke ist Digitalchef von Antenne Bayern. Sein Karriereweg dorthin führt ihn über die Vermarkterschiene. Im Jahr 2002 habe ich Sven als Nachfolger im Sales Team von Antenne Bayern eingearbeitet, als ich mich zum ersten Mal in den Mutterschutz verabschiedete (damals gab es noch keine Elternzeit!). 2014 steigt er zum Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft SpotCom auf, die er zu einem der führenden nationalen Webradio-Vermarkter ausbaut und wesentlich dazu beiträgt, den Online-Audio-Markt in Deutschland zu entwickeln. Die Wiedersehensfreude ist groß, vor allem, weil wir uns über das gemeinsame Leidenschaftsthema digitale Transformation unterhalten können. Sven ist einerseits ein Stratege, er denkt auf der Metaebene, andererseits ein Macher, der Dinge gerne zügig auf die Straße bringt. In einem sehr intensiven Hintergrundgespräch gibt er Einblicke, wie ein regionaler Privatsender sich digital transformiert.

Radio erlebt ja eine Art Renaissance, die Auswahl für Hörbegeisterte ist riesig. Wie erlebt ihr das als Privatsender, die ihr eine 30-Jährige Unternehmenstradition habt?

Wir beobachten schon seit Jahren, dass die Audio Nutzung wächst. Die Leute sind gesättigt vom Bildschirm. Der Trend geht zum Audio-Konsum, das belegen Studien. Davon profitiert auch das klassische Radio, quasi als ständiger Begleiter durch den Tag. Im Gegensatz zu TV läuft Radio daher sowohl wirtschaftlich als auch von der Reichweite immer noch sehr gut.

Also gäbe es eigentlich gar keinen Grund für einen Chief Digital Officer bei Antenne Bayern?

Radio ist ein lineares Produkt und rein werbefinanziert. Antenne Bayern ist allein schon von der Marke regional limitiert und stößt an ihre Grenzen. Von der technischen Reichweite mal ganz abgesehen. Wenn wir die Entwicklungen im Audio-Bereich der letzten Jahre mal beim Namen nennen: Musik-Streaming, Podcast, User Generated Radio und auf der Device-Seite mit Smartphone und Smartspeaker, dann wird schnell klar, dass mit steigender IP-Verbreitung 'Weitermachen wie bisher' keine Option ist.

Was sind eure Pläne in Sachen Digitalisierung?

Wir müssen Teilmärkte definieren, die durch die Digitalisierung entstehen und entscheiden, welche wir in frühem Stadium besetzen können und welche Geschäftsmodelle sich daraus für uns entwickeln. Und ja, natürlich bedeutet das, dass man zunächst investieren muss. Ein Beispiel dafür ist unser „Song-Duell“, die Voice-App für In-car Entertainment, die wir in Kooperation mit Amazon im Februar gelauncht haben. Damit werden wir anfangs sicherlich keinen Massenmarkt erreichen.

 

"Es geht darum, bei den neuesten technologischen Entwicklungen mit dabei zu sein und Felder zu besetzen."

 

Gibt es schon Learnings aus der Entwicklungsphase der Voice-App bzw. der Zusammenarbeit mit Amazon?

Ja, ein ziemlich positives. Uns wurde bewusst, dass wir als Radiomacher und Sender wirklich ein absoluter Kompetenzträger in Sachen User Experience Design für Audio Formate sind. Die gilt es mit den Technologien zusammen zu bringen, einen frühen Markteintritt sicherzustellen und dann haben wir auch eine Chance, weiterhin ganz vorne mitzuspielen.

Letzte Woche folgte der nächste Paukenschlag. Ihr habt das Podcast Netzwerk lautgut gelauncht, warum eine neue Marke?

Auch dieser Schritt gehört neben der Beteiligung an laut.fm zur Digitalstrategie. Wir wollen den Teilmarkt Audio-on-demand mit Premium-Content bedienen. Bewusst unter einer neuen Brand, um neue nationale Zielgruppen zu erschließen. Das bedeutet im ersten Schritt: Aufbauarbeit und Investitionen. Aber mit unserer bestehenden Infrastruktur können wir zu Anfang ganz gut kostendeckend arbeiten. Welches Geschäftsmodell sich daraus entwickeln wird, wird sich zeigen. Ich habe mit Gimlet-Gründer Matthew Lieber dazu auf meiner USA-Reise vor zwei Wochen gesprochen, der mit seinem US-Podcast-Label gezeigt hat, dass es sich lohnt, hier zu investieren und vor allem durchzuhalten! Premium Content ist der Schlüssel für Podcast, das sehen wir beide so.

Voice & Podcast US-Business-Trip im Februar 2019, v.l.: Antenne Bayern Manager Ruben Schulze-Fröhlich und Sven Rühlicke bei Gimlet-Gründer Matt Lieber

Seid ihr damit auf dem Weg, euch als Radiosender digital zu transformieren?

Digitale Transformation ist für uns nicht auf die Veränderung in der Digitalen Performance beschränkt. Es geht dabei nicht nur darum, digitale Kanäle wie einen Live-Stream oder einen Facebook Kanal zu bespielen. Das ist State of the Art und das können wir auch schon ganz gut. Nein, es geht um einen Change Prozess, der in der jetzigen Phase des Reifegrads enorme Anstrengung kostet. Und wenn man ehrlich ist, der nie zu Ende sein wird.

In welcher Phase befindet ihr euch in diesem Prozess?

Ich würde sagen, dass wir gerade an einer Schwelle sind, die echte Transformation anzugehen. Dafür schaffen wir die Voraussetzungen, ich nenne es mal „Digital Readiness“. Und die betrifft eher strukturelle Themen wie Organisation, Prozesse, Leadership und Unternehmenskultur. Das ist viel schwieriger, weil schlechter greifbar. Und das ist auch kein Projekt von sechs oder zwölf Monaten, sondern ist eine echter Veränderungsprozess.

Wie organisiert ihr das innerhalb der Unternehmensgruppe?

Uns ist es wichtig, dass wir mit der Transformation die Chancen sehen und den Changeprozess positiv angehen. Mit Objectives and Key Results (OKR) haben wir eine neue Führungsmethode eingeführt, die noch mehr Transparenz schafft. Und wir reden nicht den ganzen Tag von digitaler Disruption und geraten in Schockstarre vor dem was da kommt, sondern wir haben mit digitalen Innovationsthemen Geschäftsfelder definiert, die wir angehen. Um auch hier integrativ vorzugehen wurde mit Business Development ein hybride Abteilung aufgebaut, die sich aus Kompetenzträgern aus den verschiedensten Bereichen zusammensetzt, IT, Programm, Kommunikation etc.

Auf welche Grenzen seid ihr bisher gestoßen?

Bei den ganzen Neuerungen im digitalen Bereich besteht das große Risiko, sich zu verzetteln. Es tun sich ja so viele Möglichkeiten auf. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass es noch nie so wichtig war, eine klare Vision vor Augen zu haben und diese mit einer ganzheitlichen Strategie zu untermauern. Und von diesem Weg sich nicht abbringen lassen. Das heißt nicht, dass es keine Rückschläge geben wird.

 

"Man muss die Ziele konsequent verfolgen und mit fokussierten Projekten auf die Straße bringen."

 

Und wie lautet die Vision für Antenne Bayern?

Wir wollen das Audio-Entertainment-Haus im deutschsprachigen Raum werden.

Das klingt erst mal abstrakt. Kannst du eine konkrete Maßnahme nennen, die euch auf diesen Weg bringt?

Neben weiterem Content-Aufbau wie z.B. dem eigenen Podcastlabel, haben wir bereits in den letzten zwei Jahren eine ganzheitliche Dateninfrastruktur geschaffen, die uns in Zukunft ermöglicht, datenbasiert und personalisiert zu agieren. Ziel ist es, die Infrastruktur und Logistik zu schaffen, die uns maximale Flexibilität in der Versorgung und Ausspielung von Audio Content ermöglicht. Keiner weiß, was in fünf bis zehn Jahren an Technologien zur Verfügung steht. Fakt ist nur, dass es datenbasiert sein wird. Dafür müssen wir uns rüsten.

Du bist ja sicherlich innerhalb der Unternehmensgruppe nicht immer auf offene Ohren gestoßen mit deinen Digitalisierungsplänen?

Die größte Hürde ist eigentlich, wenn das klassische Geschäft erfolgreich läuft. Wenn der Handlungsdruck nicht groß genug ist. Denn dann muss man sich die Frage stellen, wie disruptiv gehe ich eigentlich mit meinem Kerngeschäft um? Das Risiko besteht durchaus, dass man auf dem Ast sägt, auf dem man sitzt – um es mal bildlich zu beschreiben.

Und wie gehst du persönlich damit um?

Man braucht Durchhaltevermögen und Standhaftigkeit, um konsequent seine Strategie zu fahren. Und Mut gehört dazu, sich selbst zu kannibalisieren. Ich gehe diesen Weg einfach, weil ich davon überzeugt bin, das Richtige zu tun.

Wie bindest du dabei die Mitarbeiter ein?

Wichtig ist, eine positive Dynamik zu erzeugen, d.h. für mich, die Mitarbeiter*innen mitzunehmen. Ihnen Chancen, Gestaltungs- und Handlungsspielräume aufzeigen. Wir bieten in Schulungen und Workshops persönliche und fachliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Das ist ein Angebot, was man annehmen kann oder auch nicht.

Ist es besonders schwierig, die langjährigen Mitarbeiter bzw. die aus der älteren Generation auf diesem Weg mitzunehmen?

Interessant, dass du das fragst. Meine Erfahrung ist, die Altersklischees stimmen nicht. Es gibt Mitarbeiter aus der Generation 50+, die sich total begeistern lassen und dann die unter 30-Jährigen, die nicht zum Umdenken zu bewegen sind – ich habe alles schon erlebt.

Du hast vorhin deine Voice & Podcast Reise angesprochen, hast dort einige Unternehmer aus der Szene, u.a. Gimlet und New York Times getroffen. Was konntest du mitnehmen?

Vor fünf Jahren haben deutsche Unternehmen noch Pilgerfahrten ins Silicon Valley unternommen, um den großen, ja fast unnahbaren Vorreitern zu lauschen. Heute ist das eine Begegnung auf Augenhöhe, wie ich finde. Klar, in den USA sind sie uns immer noch 2-3 Jahre in den Entwicklungen voraus, aber sie stecken genauso in den operativen Umsetzungsthemen wie wir. Von daher muss ich sagen, war der fachliche Austausch wirklich sehr konstruktiv und positiv.

Findest du diesen Austausch auch hier in Deutschland?

Ja, klar! Ich habe mich dem CDO Executive Circle angeschlossen, da sind Traditionsunternehmen wie BMW oder Deutsche Telekom vertreten, aber auch Hidden Champions, die in ihren Nischen zwar teils zur Weltspitze gehören, sich aber trotzdem transformieren müssen. Andere Branchen stehen vor denselben Herausforderungen, vor allem was die Veränderung zu strukturellen Themen wie Organisation, Prozesse und Unternehmenskultur betrifft. Da finden sich oft Parallelwelten.

Vielen Dank, lieber Sven, für die Insights!

Weiterführende Links:

Führungsmethode OKR

Premium-Podcast-Netzwerk lautgut

CDO Executive Circle