Der stationäre Handel steckt in der Krise und es ist Pioniergeist gefragt, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Emotionaler und digitaler sollen die Läden werden, eben ein kundenzentrierter Mix aus dem Besten aus On- und Offline-Welt… Aha… Ideen dazu gibt es viele, aber welche funktioniert wirklich? Schließlich geht es auch um Geld! Jan Kegelberg, Chief Digital Officer (CDO) bei SportScheck und seit 2015 aktiver Transformator des Multichannel-Anbieters, kennt die Hypes um Eintagsfliegen und die Ideen, die einen echten Mehrwert bieten. Welche Tops und Flops das bei SportScheck sind, verrät er uns in einer Zwischenbilanz.
Jan, SportScheck ist mit Dir seit 2015 auf dem Weg in die Transformation. Würdest Du sagen, dass Ihr ganz gut vorangekommen seid?
In vielen Bereichen sind wir tatsächlich schon sehr gut aufgestellt. Beispiele sind vor allem im Marketing, wo wir weg vom Katalog hin zum Customer Journey Marketing inklusive Social Media massive Fortschritte gemacht haben. Auch die Erweiterung unseres Online Shops um das Marktplatzgeschäft hat sich sehr positiv entwickelt und wir erleben eine hohe Nachfrage von Partnern im Markt. Mit unserer Sporterlebnis-Plattform Fitfox und unseren Retail Media Services sind wir darüber hinaus auch sehr erfolgreich. Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir gerne schon weiter wären. Ein großer Punkt ist hier der Kulturwandel, der einfach Zeit braucht. Auch wären wir gerne beim Thema Personalisierung schon weiter, aber auch hier werden wir in diesem Jahr deutliche Verbesserungen realisieren können.
Du hast bei SportScheck inzwischen viel ausprobiert. Was waren aus Deiner Sicht die Tops, wenn es darum geht, den stationären Handel zukunftsfit zu bekommen?
Ganz wichtig war es, unser CRM journey-basiert aufzusetzen. Wir haben heute keine Kanalsilos mehr, die Läden, Onlineshop, Marketing oder Events kommunikativ trennen. Das hat viel Geld und Kraft gekostet, aber es war essentiell für das Kundenerlebnis. Jeder Verkäufer in unserer Filiale hat heute Zugriff auf die kanal-übergreifende Kundenhistorie. Das ist wirklich ein Mehrwert für den Kunden, und er erwartet das inzwischen auch. Für uns ergibt sich der Vorteil, dass wir unsere Kunden so viel besser betreuen und beraten können.
Gibt es weitere Top-Maßnahmen für Multi-Channel?
Genauso wichtig bewerte ich, dass unser Warenfluss heute ganz flexibel strukturiert ist. Der Kunde kann Produkte online bestellen, im Laden abholen oder im Laden bestellen und zuhause anprobieren und wieder im Laden umtauschen. Alles kein Problem. Für Kunden ist es nicht mehr nachvollziehbar, wenn solche Prozesse nicht angeboten werden. Der Kunde denkt ja nicht in Kanälen, viele Händler tun das aber heute noch.
Das Tablet am POS als Tool für unsere Verkäufer funktioniert ebenfalls sehr gut. Wir haben damit Zugriff auf alle Produktinformationen und -lagerorte. Wenn ein Produkt im Laden nicht mehr in der passenden Größe vorrätig ist, kann der Verkäufer es aus dem Zentrallager oder einem anderen Store ordern. Er kann es aber auch direkt zum Kunden nach Hause schicken lassen. Wir können sogar auf unser gesamtes Online-Marktplatzsortiment aus der Filiale zugreifen und für den stationären Kunden verfügbar machen. Für den Kunden ist es frustrierend, wenn sein gewünschtes Produkt nicht verfügbar ist! Das sind dann die Momente, wo er sich sagt, dass er nächstens Mal lieber gleich online kauft. Bis September dieses Jahres wollen wir in allen unseren Läden zudem einen mobilen Check-out einführen. Dann können Kunden direkt beim Verkaufsberater bezahlen und sparen sich den Gang an die Zentralkasse. In unserem Pilot-Store in Köln wird das sehr gut angenommen und führt zu echter Kundenbegeisterung.
Und die Flops?
Info- oder Verkaufs-Terminals im Laden wollen unsere Kunden nicht. Wenn man sich schon dafür entscheidet, in der Stadt einzukaufen, will man auch die Interaktion mit Menschen – sonst könnte man ja gleich zuhause auf dem Sofa einkaufen. Ich glaube die Menschen, die stationär shoppen, sind in einem anderen „State of Mind“, deshalb funktionieren digitale Self-Services im Laden oft nicht. Da haben wir in der Vergangenheit Lehrgeld gezahlt. Anders ist es bei digitalen Lösungen, die den Verkäufer im Verkaufsprozess unterstützen. Da wollen wir uns weiter verbessern.
Kundenerwartungen sind heute sehr dynamisch. Wie erkennt Ihr, was der Kunde will bzw. was er wertschätzen wird?
Wir fragen den Kunden! Jeden Monat sammeln wir Kundenfeedback sowohl online, aber auch in den Filialen. So erhalten wir relevante Anregungen zur Weiterentwicklung. Bevor wir eine Idee umsetzen, erstellen wir auch oft Prototypen, die wir dann im Use Lab vom Kunden testen lassen. Später überprüfen wir dann anhand von KPIs, ob unsere Veränderungen einen Mehrwert für den Kunden bieten.
Im Rückblick: Was waren/sind aus Deiner Sicht die größten Hürden bei Eurer Digitalisierung?
Der Kulturwandel ist wirklich eine Herausforderung und wurde von uns zu Beginn vielleicht auch etwas unterschätzt. Neue Prozesse aufzusetzen und Abteilungen zusammenzubringen, die früher keine Berührungspunkte miteinander hatten und jetzt gemeinsame Projekte planen und umsetzen müssen, das ist nicht so einfach. Das braucht einfach Zeit. Die gewonnen Daten aus den Kundeninteraktionen entlang der Customer Journey können nur dann erfolgreich genutzt werden, wenn alle zusammenarbeiten und gemeinsam Ideen entwickeln, welche ganzheitlich vom Kunden gedacht sind.
Und wie reagiert der Kunde darauf, wenn Ihr neue Tools oder Services einführt?
Das wird sehr positiv aufgenommen. Wir zwingen auch niemanden in ein Korsett; fast alles, was wir neu anbieten, sind ergänzende Leistungen. Wichtig ist, dass das Kerngeschäft weiterhin für den Kunden funktioniert: Das Produkt muss verfügbar, der Preis attraktiv und die Beratung gut sein. Wenn diese Punkte abgehakt sind, hat man schon viel richtig gemacht! Und unbedingt noch kostenloses WLAN!
Vielen Dank für das interessante Interview!
Weiterführende Links:
Jan Kegelberg am 21. Mai 2019 auf dem ECD in München
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