Kann jemand, der sich Mentalist, Motivator und Psychic Entertainer nennt, etwas zum Thema Digitalisierung beitragen? Ich muss gestehen ich war skeptisch… und sehe nun klarer: Denn im Gespräch mit Dr. Florian Ilgen, promovierter Chemiker und Top 100 Redner für Unternehmen wie IBM, Rolls Royce, SAP oder Novartis, habe ich gelernt, dass mentale Agilität und Motivation SEHR viel mit Veränderung zu tun haben. Und warum es vor allem erfolgreichen Unternehmen so schwer fällt, sich auf die Digitale Transformation einzulassen.
Lieber Herr Ilgen, mit Ihren Vorträgen möchten Sie unser Bewusstsein für typische menschliche Verhaltensweisen schärfen und Wege zeigen, wie wir aus gelernten Mustern ausbrechen können. Warum ist das gerade heute so wichtig?
Wir leben in einer Zeit rasanter Veränderungen. Ob man diese Veränderung positiv oder negativ wahrnimmt, kommt auf das jeweilige Mindset an. Und genau an dieser Stelle komme ich ins Spiel, denn man kann das eigene Mindset beeinflussen und trainieren. Ich möchte Menschen zeigen, welche archaischen Muster für unsere Ängste verantwortlich sind und helfen, diese zu überwinden. Denn eines ist klar: Veränderung ist nur möglich, wenn man auch bereit ist, sich selbst zu verändern.
Warum ist es so schwer für Menschen, sich zu verändern?
Veränderung an sich ist in unserer Evolution nichts Besonderes. Es gab immer wieder Momente, in denen „Geschichte geschrieben“ wurde, wie z.B. der Buchdruck um 1450 oder die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier und wenn etwas jahrelang gut geklappt hat, ist er schwer für Neuerungen zu gewinnen. Erfolg ist sozusagen der größte Feind von Innovation bzw. Veränderung.
Wie reihen Sie die aktuelle Situation mit der Digitalisierung in die historischen Veränderungen unserer Menschheitsgeschichte ein?
Das Neue an unserer digitalen Transformation ist die Geschwindigkeit. Heute werden etablierte Systeme von jungen, agilen Unternehmen Stück für Stück demontiert und das innerhalb von wenigen Jahren. Wir haben heute – anders als noch vor 150 Jahren – nicht mehr Jahrzehnte Zeit, um uns mit neuen Technologien, neuen Berufen, neuen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen. Die Digitale Transformation ist Veränderung im Hochgeschwindigkeitsanzug.
Dann sehen Sie in der Digitalisierung gar nicht so sehr eine technologische Herausforderung sondern viel mehr eine menschliche?
Genau. Die Digitalisierung ist nur auf den ersten Blick eine rein technologische Angelegenheit. Tatsächlich aber geht es um den Menschen, um seine Einstellung. Es ist der Mensch, der die Transformation anstößt, umsetzt und weiterentwickelt – oder eben nicht. Transformation findet im Kopf statt, das Produkt ist dann nur das Ergebnis.
Unternehmer beklagen oft, dass Mitarbeiter den Wandel nicht mittragen – aber auch umgekehrt. Was läuft da schief?
Ich habe gerade erst eine Studie gelesen, die besagt, dass 1/7 aller Angestellten ihre Arbeit lieben, 1/7 haben bereits innerlich gekündigt und die restlichen 5/7 machen nur Dienst nach Vorschrift. Es geht mir um genau diese 5/7! Das ist doch ein Riesenpotenzial! Denen muss man helfen und vor allem Sinn geben.
Und wie schafft man das?
Es geht um Vertrauen! Führung muss Vorbild sein. Es ist essentiell, dass Führungspersonen die Transformation leben, sie verstanden haben und von ihr überzeugt sind. Und das müssen sie an ihre Mitarbeiter weitergeben können. Mitarbeiter brauchen eine klare Vision! WARUM soll jemand seinen Job nicht mehr so sondern anders machen? Wenn Mitarbeiter verstehen, weshalb etwas verändert wird, sind sie auch bereit, das neue Ziel zu unterstützen. Aber es müssen emotionale, sinnstiftende Ziele sein. Wenn es nur darum geht, 5 Prozent mehr Umsatz zu machen, zeigt sich kein Peak in der Motivationskurve. Wenn es aber um echten Kundennutzen geht oder z.B. um Umweltziele, sieht die Sache ganz anders aus.
Aber auch Unternehmer sind oft unsicher, welcher Weg der richtige ist…
Das stimmt. Aber ein bestimmtes Gefühl für den richtigen Weg haben die meisten! Bei diesem Szenario bekommt unsere Intuition ein sehr großes Gewicht. Mein neues Buch beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und zeigt uns einen neuen Blick auf unsere Intuition und Wege, sie zu schärfen und erfolgreich zu nutzen – um am Ende bessere Ergebnisse zu erzielen. Interessanterweise haben sich bei meiner Forschungsarbeit zahlreiche Parallelen zu Deed Learning Mechanismen gezeigt.
Und was brauchen Mitarbeiter, um die neuen Visionen mitzutragen?
Neben der über allem stehenden Vision und dem klaren „Warum“ brauchen Mitarbeiter vor allem Entwicklungsspielräume. Wer mitdenkende Mitarbeiter haben will, muss sie auch machen lassen. Und man muss die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen, ernst nehmen und berücksichtigen. Daraus ergibt sich dann eine intrinsische Motivation, bei der das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Das macht zufrieden und gleicht sogar das Stresshormon Adrenalin aus. Die Konsequenz: Wir tun mit Freude etwas Neues und haben dabei keine Angst bzw. keinen Stress.
Vielen Dank für das interessante Interview!
Weiterführende Links:
Vorschau: Dr. Florian Ilgen auf der TDWI München
Neues Buch „Macht der Intuition“ von Dr. Florian Ilgen