Am 4. Juni werde ich die „Female in Retail“ Masterclass zu den Themen unternehmerische Wertschöpfung und Nachhaltigkeit auf der K5 Future Retail Konferenz in Berlin hosten. Zu Gast habe ich drei Frauen aus der Fashion Branche, die für nachhaltiges unternehmerisches Handeln stehen. Im Vorfeld habe ich mich bereits mit Julia Zirpel, Gründerin des Online-Marktplatzes für ethische Luxusmode thewearness, getroffen. Sie erklärt im Interview, warum Mode uns heute nichts mehr bedeutet  und zu Wegwerfware geworden ist. Und wie sie die bisherige Wahrnehmung von ethisch einwandfreiem Luxus mit einem digitalen Marktplatz ändern möchte.

Julia Zirpel hat 2018 zusammen mit Guya Merkle, Jennifer Dixon und Karolin Delou den Marktplatz für ethische Luxusmode „the wearness“ gegründet.

Liebe Julia, Luxusmode und digitaler Marktplatz, schließt sich das eigentlich nicht aus?

Egal, ob ich ein Produkt oder ein Thema habe, das ich verbreiten möchte, man benötigt dazu eine digitale Plattform. Man erreicht die Leute heutzutage vornehmlich digital – unabhängig davon, wo sie dann am Ende einkaufen. Außerdem wird Luxusmode sehr viel online geshoppt. Wichtig ist hierbei eine hochwertige Optik. The wearness ist ein kuratierter Marketplace und sieht mehr wie ein hochwertiger Online-Shop aus.

Was hat dich bewegt, ein Marktplatz für ethische Luxusmode zu gründen?

Die Bekleidungsindustrie steht im Umweltsünder-Ranking auf Platz zwei, gleich hinter der Öl-Industrie. Kollektionen wechseln so häufig wie nie zuvor und der globale Textilverbrauch hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Mit unserem Marktplatz wollen wir das Bewusstsein für Mode verändern und auch den Look und das Image, dass nachhaltige Mode bisher hat.

 

„Ich bin davon überzeugt, dass Geschäftsmodelle,
die sich ausschließlich an Gewinnmaximierung orientieren, ein Auslaufmodell sind.“

 

Erkläre doch bitte kurz das Konzept von thewearness.

Wir kuratieren Designer, Hersteller und Produkte, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben haben. Wir erzählen deren Geschichten und inszenieren sie auf unserer Plattform. Und dann kann man die Produkte auch bei uns bestellen. Unser Konzept ist nicht nach Gewinnmaximierung, sondern nach ethischen Kriterien wie Qualität, Ökologie und faire Arbeitsprozesse ausgerichtet. Ich bin davon überzeugt, dass Geschäftsmodelle, sie sich ausschließlich an Gewinnmaximierung orientieren, ein Auslaufmodell sind. Man muss sich dafür nur die Unternehmen in Deutschland ansehen, die am Straucheln sind.

Was macht aus deiner Sicht Nachhaltigkeit in der Mode aus?

Mode muss aus meiner Sicht verantwortungsbewusst produziert sein. Dafür muss sich aber auch die Einstellung der Verbraucher ändern. Wenn ich mehr Wertschätzung vor der Mode und den Kleidungsstücken habe, dann kaufe ich ganz anders ein und werfe beispielsweise die Sachen nach dreimal Tragen nicht weg.

Wie kannst du dich in der Nische gegen Marktplatzgiganten wie Zalando oder About You behaupten?

Wir konkurrieren nicht gegen einen Marktlatz wie Zalando. Zalando verkörpert ja genau den schnelllebigen Konsum bei Mode, dem wir uns abwenden wollen. Wir sprechen Kunden an, die verantwortungsbewusst mit Mode umgehen. Die ihre Kleidungsstücke bewusst wählen, eine Beziehung dazu haben und sie wertschätzen. Mode, die ihnen selbst ein gutes Gefühl gibt.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Marken und Hersteller aus, die auf eure Plattform kommen?

Also zunächst achten wir sehr stark auf den Stil und das Design, das muss einfach zu uns passen. Dann schauen wir, wie ökologisch und nachhaltig die Hersteller in den Produktions- und Arbeitsprozessen aufgestellt sind. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Moderedakteure kenne ich die Branche ganz gut und weiß, welche Labels ich auf unserem Marktplatz haben möchte. Aber es kommen ja auch immer wieder neuen Brands auf den Markt und da prüfen wir anhand eines ausführlichen Fragebogens sehr genau, wie nachhaltig die Labels agieren. Der Hersteller verpflichtet sich vertraglich zu korrekten Angaben.

Kuratieren und Inszenieren von nachhaltiger Mode: Label hellmuth @ thewearness

Wieviele Hersteller sind bei euch auf dem Marktplatz zu finden?

Bei Start des Marktplatzes vor einem Jahr hatten wir 15 Hersteller an Bord, heute sind es schon über 70.

Welches Geschäftsmodell steckt dahinter?

Wir wollen die Einstiegsbarrieren an unserem Marktplatzmodell sehr geringhalten, von daher verlangen wir kein Set-Up Fee. Wir bekommen eine anteilige Provision an den Verkäufen von den Herstellern.

Welche Sortimente kuratiert ihr?

Wir konzentrieren Mode, Accessoires und Beauty für Männer und Frauen. Im Moment wollen wir verstärkt den Bereich Beauty ausbauen.

 

„Ich wünsche mir, dass Start-Up-Projekte, die soziale und
gesellschaftliche Aspekte vorantreiben, mehr Chancen bekommen.“

 

Wie finanziert ihr euch?

Durch eine Einlage der Gründerinnen und Fördergelder. Und wir sind auf der Suche nach Investoren, die unser Thema unterstützen. Was ich wirklich bedauere ist, dass es die echten Fördermittel von Bund und Ländern fast ausschließlich in den Topf der technologischen Innovationen fließen. Das ist zwar wichtig. Aber ich würde mir wünschen, dass Start-Up-Projekte, die soziale und gesellschaftliche Aspekte vorantreiben, auch mehr Chancen bekommen.

Du warst Moderedakteurin, jetzt musst du als Gründerin eines digitalen Marktplatzes auch mit Technologiethemen auseinandersetzen. Wie kommst du damit zurecht?

Man lernt nie aus und wenn man sich damit beschäftigt, ist es auch gar nicht so schwierig. Natürlich bekommen wir Support von einem IT-Berater, aber die Standarddinge wie Produktseiten erstellen mit digitaler Contenterstellung generell hatte ich ja schon in meiner Zeit als Moderedakteurin zu tun.

Auf was muss man achten, wenn man künftig mehr Wert auf Nachhaltigkeit beim Klamottenkauf legen will? Welche Tipps hast du?

Es fängt wirklich beim eigenen Einkaufsverhalten an. Beim Kauf von Mode muss man sich immer die Frage stellen: Brauche ich das wirklich? Passt das wirklich zu mir? Hier gilt immer Qualität vor Quantität. Und natürlich auf das Material achten, Mischmaterialien sind beispielsweise schwer zu recyceln. Ganz wichtig: Unterstützt regionale Produkte, das ist ähnlich wie bei Food! Es gibt so viele kleine regionale Labels, die tolle Produkte herstellen. Gerade die kleinen Firmen und handwerklichen Betriebe setzen auf Nachhaltigkeit und das kann man mit dem Kauf derer Produkte unterstützen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Julia, und ich freue mich auf das Panel in Berlin!

 

Veranstaltungstipp in eigener Sache:

Masterclass auf der K5 Future Retail Konferenz

Nachhaltige Wertschöpfung in der Fashion-Branche

am 4. Juni 2019 um 14 Uhr im Estrel Berlin

 

 

Weiterführende Links

Studie: Nachhaltigkeit in der Mode

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