Aufmacher Sports Business

Gesundheits- und Fitnesskult: Steigbügel für das Sport Business?

Sport verbinden wir mit Emotionen und Leidenschaft. Sport wird aber auch zunehmend digital. Grund genug für Großveranstalter Ispo, einen eigenen „Digitize Summit“ ins Leben zu rufen - oder für das E-Commerce Festival K5, einen Fokus auf das Sport Business zu legen! Denn die Herausforderungen für Brands und Retailer aus der Branche sind groß. Drei Erfolgsbeispiele aus den beiden Veranstaltungen.

Gesundheit ist nicht länger nur eine statische Größe, die unseren körperlichen IST-Zustand beschreibt. Vielmehr verstehen wir unter dem Thema „Health“ eine Lebenseinstellung, die maßgeblich auf unser Wohlbefinden und unsere Lebenserwartung wirkt. Um die Gesundheit hat sich regelrecht ein Kult entwickelt. Sport, Ernährung und Fitness liegen in der Gesellschaft hoch im Kurs.

Laut Zukunftsinstitut treiben heute 38 Prozent der Menschen mehrmals pro Woche Sport – ein generationenübergreifender Trend. Spaß ist für 40 Prozent der aktiven Deutschen eine der Motivationen, um sich körperlich zu betätigen. Durch Sport haben Menschen die Kraft, ihr Leben zu verändern. Ihre Leidenschaft für Sport verbindet sie. Über Social Media, Apps und Plattformen sind sie in der Lage, ihre sportlichen Erfolge und Fortschritte mit der ganzen Welt zu teilen, Freunde partizipieren zu lassen und Bestätigung dafür zu bekommen. Unternehmen aus der Sportbranche müssen darauf eine Antwort haben.

Digitales Selbstverständnis traditioneller Marken

adidas Vorstandsmitglied Roland Auschel auf dem Ispo Digitize Summit in München

Die große Sportmarke adidas zum Beispiel versteht sich als digitales Unternehmen. Die App ist für adidas wichtiger als jeder Turnschuh – so titelte das Handelsblatt zum Launch im März 2018 in Deutschland. Vorstandsmitglied Roland Auschel bestätigte auf dem Ispo Digitize Summit im Juni in München, dass es eine Schlüsselkompetenz sei, am Kurs der Digitalisierung festzuhalten. Dabei sei Kreativität die einzige Antwort. Das bedeutet für eine Marke wie adidas, zu testen und zu lernen, wie man Verbraucher in der digitalen Welt adressiert und involviert. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland sammelte adidas über die App Inhalte und Input von den Zuschauern, eine völlig neue Herangehensweise. Mit Erfolg: Allein im Vorrundenspiel Schweden gegen Deutschland verzeichnete die adidas-App einen Anstieg von 14 Prozent der Downloads, so Auschel auf dem Summit.

Florian Gschwandtner, Gründer und CEO Runtastic auf der K5 in Berlin

Technologie als Schlüssel zum Aufbau von Communities? Ein Ansatz, den adidas schon 2015 mit der Übernahme der Mehrheitsbeteiligung von Runtastic, internationales Mobile-Health- und Fitness-Unternehmen, verfolgte. Florian Geschwandtner, Mitgründer und CEO von Runtastic, präsentiert sich auf der K5 in Berlin in hervorragender Verfassung – das Unternehmen hat sich in den letzten Jahren unter dem Dach von adidas prächtig entwickelt. Immer noch eigenständig, aber mit Rückenwind durch die starke Marke.

Technologieplattform als Rückgrat

Runtastic hat Technologie in seiner DNA. So bildet Runtastic die technische Plattform für die weltweite adidas Kampagne „Run for the Oceans“, eine globale Laufbewegung, um das Bewusstsein für die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll zu schärfen. Für jeden gelaufenen Kilometer spendet adidas einen US-Dollar. Mitmachen kann jeder bei den weltweit organisierten Lauftreffs oder einzeln über die Runtastic-App. So schafft man Communities und bildet eine emotionale  Verbindung zwischen Marke und Verbraucher. Das Bindeglied ist die technologische Plattform von Runtastic. Ein Erfolgsrezept, das auch in anderen Branchen Anwendung findet. Die Allianz Versicherung startete im März 2018 in Kooperation mit Runtastic eine Fitness-Plattform. Im Fokus steht die Begeisterung von Menschen für einen aktiven Lebensstil.

 

Best Practice im Sport Handel

Moritz Keller, Co-Founder Keller Sports auf der K5

Ein gesunder Körper und ein gesunder Geist sind die Basis für ein erfülltes Leben, das ist auch die Grundeinstellung, die Unternehmer Moritz Keller verfolgt. Auf der K5 beginnt er vor 3000 Zuhörern eine Geschichte, die zuvor noch nie erzählt wurde. Nämlich wie er den Grundstein zum Online-Pure-Player keller-sports.de in 2005 gemeinsam mit seinem Bruder legte. Die beiden folgten einem Trend – kauften Micky Mouse T-Shirts von H&M auf, die damals en vogue waren, ließen diese mit coolen Sprüchen bedrucken und vertickten diese im Internet – zum sechsfachen Preis. Damit war damals der Meilenstein gelegt, dass der Verkauf im Internet funktionieren kann. Heute ist Keller Sports einer der erfolgreichsten Händler.

Die Keller-Brüder hatten schon damals einen Riecher für Trends und haben mit ihrem Angebot auf kellersports.de den Nerv der Zeit getroffen. Seit 2015 haben sie eine kostenpflichtige Mitgliedschaft etabliert, bei der ihre Kunden limitierte Sortimente und Sonderrabatte bekommen. Mit im Angebot die Keller-Studios, die den Mitgliedern flexibles Trainieren ermöglicht. Nach drei Jahren zählt Keller-Sports 50.000 zahlende Mitglieder. Eine Kunden- und Datenbasis, von der manch anderer Händler nur träumen kann. Und Keller Sports investiert weiter in Kundenbindung. Im April startete der Sporthändler das Prämienprogramm Keller Smiles. Dabei handelt es sich um kein klassisches Bonussystem nach Konsum, sondern Kunden werden für ihre sportlichen Aktivitäten belohnt. Ein Anreizsystem, das die Community in einer ganz besonderen Art und Weise an den Händler bindet – nämlich mit Emotionen und Leidenschaft.

 

Weiterführende Links

Ispo Digitize Summit, das Format für die digitale Zukunft der Sportbranche

K5, Future Retail Konferenz

 


Work-Life-Balance

Work, Life oder Balance?

Auf der Developer Week trafen sich letzte Woche in Nürnberg 1.700 Softwareentwickler. Im Maschinenraum der Digitalisierung ging es aber nicht nur um Coden, Ethical Hacking oder Trends wie Blockchain. Besonders gut besucht waren die Sessions, in denen Expert*innen über Softskills wie Persönlichkeitsbildung, Sozialkompetenz und Teamfähigkeiten referierten. Eine von ihnen ist Julia Schüller, Personalleiterin bei der Schiesser AG. Die HR-Trainerin stellt infrage, ob das Streben nach Work-Life-Balance im Zeitalter der Digitalisierung wirklich zum Ziel führt.

Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen, galt lange Zeit als Lebenselexier. Seit das Modewort  „Work-Life-Balance“ Mitte der 90er-Jahre die HR-Abteilungen umtrieb, ist im Arbeitsumfeld viel passiert: Flexibilisierung der Arbeitszeiten, Telearbeit, Kinderkrippe am Arbeitsplatz oder Home-Office, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. „Das Wort Work-Life-Balance hält einen Wertekonflikt für uns bereit und zwar zu Lasten der Wertigkeit von Arbeiten“, ist Julia Schüller überzeugt. Allein die Begrifflichkeit gehe davon aus, dass die Beruf- und Arbeitswelt etwas anderes sei und abseits vom Leben stattfinde. Im Zeitalter der Digitalisierung und agilen Arbeitsumfeldern sei das nicht mehr zeitgemäß, ja sogar irreführend, so Schüllers These.

Für den Job brennen, ohne auszubrennen

„I love my job!“ Die Leidenschaft, die mit dem Job verbunden ist, positive Erlebnisse, Herausforderungen, Aufgaben, an denen man wächst. Erfolgserlebnisse, die man teilt. Kollegen, die auf der gleichen Wellenlänge sind. Alle diese Dinge prägen unsere Persönlichkeit. Arbeitszeit ist Lebenszeit. Umgekehrt können auch negative Einflüsse aus der Arbeit am Wohlbefinden nagen. Ein Blick in die Statistiken (Quelle: Forsa) zeigt, dass in Deutschland die Arbeit zu einem der größten Stressfaktoren (46 Prozent) zählt. Auch die ständige Erreichbarkeit macht den Deutschen zu schaffen (26 Prozent). Einige können abends oder am Wochenende nicht richtig abschalten (19 Prozent). Meist lassen die Folgen nicht lange auf sich warten. Konflikte im privaten Umfeld sind vorprogrammiert oder der Körper meldet Symptome. Noch nie war die Burn-Out Rate so hoch wie heute.

Balance der Generationen

Work-Life-Balance
Julia Schüller zeigt auf der DWX 2018 die moderne Form der Maslowschen Bedürfnispyramide

Die Digitalisierung hat die Art, wie wir Arbeit definieren und gestalten komplett verändert. Vertrauensarbeitszeit, ergebnisorientiertes Arbeiten, mehr Selbstverantwortung. Was sich im ersten Moment positiv anhört, hat seine Tücken. Muss man wirklich ständig erreichbar sein? Auch am Wochenende auf E-Mails reagieren? Im Urlaub noch schnell das Projekt abschließen? Die Übergänge sind fließend. Nicht jeder kommt damit zurecht.

Die Situation wird dadurch noch verschärft, dass sich derzeit fünf Generationen auf dem Arbeitsmarkt tummeln. Während die Generation der Babyboomer das Rad der Zeit gerne mal zurückdrehen würde, ist bei der Generation Z der Einzug der Technologien gar nicht mehr wegzudenken, sie kennen nichts anders als 24/7 online zu sein. „Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Generationen bringt automatisch eine Kluft in die Arbeitswelt, die es zusammenzubringen gilt“, erklärt Schüller.

Impulse für fokussiertes Arbeiten

Sie kennt all diese Konflikte aus ihrem Job als Personalleiterin und Coach. Sie versucht, ihren Mitarbeitern Impulse zu geben, wie sie es aus eigener Kraft schaffen, den Balanceakt zu meistern. Ein wichtiges Hilfsmittel ist die alt bewährte to-do-Liste. „Allein die 5-Minuten Auszeit, um sich zu sammeln, gibt eine Struktur“, weiß die HR-Trainerin. Es gibt nichts Schöneres, als ein to do abzuhaken - man sieht und spürt, was man geschafft hat. Weiterer Vorteil der to-do Liste: Prioritäten sind einfacher zu erkennen und man tut sich leichter, einfach mal den Rotstift anzusetzen. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass sich manche Dinge einfach von selbst erledigt haben.

Julia Schüller
Julia Schüller, Bereichspersonalleiterin beim Textilunternehmen Schiesser AG

Apropos Prioritäten: Schüller rät, sich jeden Tag neu zu fokussieren. Die 4x4 Methode nennt sie das und erklärt: „Setze den Fokus auf vier Themen pro Tag und lege deine volle Aufmerksamkeit auf diese Themen, ohne sich davon ablenken oder gar abbringen zu lassen.“ Die Anzahl Vier sei dabei eine empirische Größe. Das hört sich zunächst einfacher an als es tatsächlich ist. Wer hat nicht schon mal in einem Gespräch mit dem Kollegen parallel noch schnell eine E-Mail verschickt. „Am besten, man schließt mit sich selbst einen Vertrag, das auch so umzusetzen“, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Auch das berühmte Pareto-Prinzip kann helfen. Es besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse mit 20 Prozent des Gesamtaufwandes erreicht werden. „Das Prinzip kann man auch nach unten weiterdenken. Was ist, wenn ich meinen Input auf vier Prozent herunterfahre, dann erreiche ich immer noch 64 Prozent Ergebnis“, erklärt Schüller. Eine gute Gedankenstütze, wenn man sich dem Druck ausgesetzt fühlt, immer 100 Prozent geben zu müssen.

Am Ende des Tages muss jeder für sich selbst herausfinden, was ihn stresst oder nicht guttut. Den idealen Weg, innere Ausgeglichenheit und Harmonie in einer immer technologisierten Welt zu finden, gibt es nicht. Fest steht: Zeit ist das kostbarste Gut, das wir haben. Es geht darum, sie zu gestalten, egal wo wir sind oder was wir gerade tun. „Carpe diem“, das hat schon der römische Dichter Horaz vor über 2000 Jahren gewusst. Das nennt man zeitgemäß.

 

 

 


Blockchain Bildmotiv

Blockchain-Investments: Ans Risiko gekettet?

Wird der Blockchain Hype die Businesswelt grundlegend verändern? Werden sich ganze Branchen umstrukturieren – vergleichbar mit dem Wandel durch den aufkommenden E-Commerce Anfang der 2000er-Jahre? Die Euphorie in Sachen Blockchain erinnert an Goldgräberzeiten. Skeptiker jedoch ziehen schon jetzt Parallelen zur ersten Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte, der Tulpenmanie zu Beginn des  17. Jahrhunderts in Holland. Die Kernfrage bleibt: Wo liegt der Business Case der Krypto-Assets?

Statistiken (Quelle: statista.com) belegen: Die Venture Capital-Investments in Blockchain-Technologien sind in den letzten Jahren weltweit deutlich gestiegen. Im Jahr 2017 belief sich das Investitionsvolumen auf  rund 645,9 Millionen US-Dollar. Neben den klassischen Venture Capital Fonds gibt es auch große Retail-Investoren, die ihr Kapital in die Wertentwicklung von Blockchain schießen. Aber auch Großkonzerne wie BMW, Siemens, IBM, Facebook oder Microsoft arbeiten an Blockchain-Technologien und investieren in diesen Bereich. 2,1 Milliarden Dollar werden laut Handelsblatt-Angaben die Unternehmen 2018 weltweit für Blockchain-Lösungen ausgeben. So unterschiedlich die Zielsetzungen und Interessen der einzelnen Marktteilnehmer sind, sie gehen alle mit einem enormen Risiko und hohem Wagniskapital rein.

Einer von ihnen ist Laurenz Apiarius, Blockchain-Enthusiast und Gründer von Blockwall, dem ersten deutschen BaFin-registrierten Fonds, der professionellen Investoren Zugang in die Entwicklung von Blockchain-Technologien ermöglicht. Mit Blockwall hat er einen geschlossenen Fonds aufgelegt, der eine Laufzeit von sechs Jahren hat – um Anleger vor dem spekulativ getriebenen Auf und Ab zu schützen, sie dennoch an der neuen Geldanlage der Krypto-Assets teilhaben zu lassen. In Blockchain sieht Apiarius eine neue Evolutionsstufe des Internets, aber keine Revolution. Die bisherige Struktur des Internets werde nach wie vor Bestand haben. Innerhalb dieses Systems könne die Blockchain-Technologie z.B. Unternehmen dabei unterstützen, ihre Prozesse effizienter und wirtschaftlicher zu machen.

Blockchain bringt Paradigmenwechsel

Generell reduziert die Blockchain-Technologie die Komplexität von wirtschaftlichen Abläufen, besitzt somit auch das Potenzial in vielen verschiedenen Branchen eingesetzt zu werden und diese grundlegend zu verändern. Branchenexperten sehen die Technologie vor allem als Game Changer für die Finanzbranche und die traditionellen Kapitalmärkte. Beispiel: Allein mit den Initial Coin Offerings (ICOs), dem neuen Finanzierungsmechanismus auf der Grundlage von Kryptowährungen, sammeln Start-Ups im Minutentakt einfach und unbürokratisch Millionen ein und tauschen diese gegen Token, der digitalen Währung. Aber auch der Energiewirtschaft wird großes Einsatzpotenzial zugeschrieben. Ein Anwendungsfall: Blockchain-Technologie hilft kleinen, privaten Erzeugern  mit einem Solarstrommodul auf dem Dach ihres Eigenheims, ihren Strom zu vermarkten. Große Konzerne wie Shell oder BP unterstützen den Wandel und entwickeln Handelsplattformen, die auf Blockchain-Anwendungen basieren. Sollte sich das Modell durchsetzen, werden klassische Energieversorger obsolet.

Investition in Blockchain-Infrastruktur

Mit Blockwall will Apiarius den Fokus der Investments aber verstärkt auf die technologische Entwicklung von Blockchain und deren Potenzial als auf einzelne Unternehmen oder Branchen legen.  Aufgrund des jungen Entwicklungsstadiums der Technologie investiert der Pionier  ausschließlich in Krypto-Assets im Bereich der Infrastruktur, sogenannte Layer-1- bzw. Basis-Protokolle. „Eine Investition in die Infrastruktur macht aus unserer Sicht mehr Sinn als Beteiligungen an den Unternehmen, die die Anwendungen entwickeln“, erläutert der Private Equity Experte.  Blockwall Capital setzt hier u.a. auf drei Bereiche: Zum einen auf die sogenannten „Smart Contracts“, im Prinzip digitale Verträge, die automatisiert ausgeführt und erfüllt werden. Als zweites haben die Experten Maschine-zu-Maschine-Kommunikation als vielversprechendes Anwendungsszenario identifiziert. Und als drittes  die sogenannte Interoperability – d.h. Anwendungen, die die Kommunikation zwischen verschiedenen Blockchain- Systemen ermöglicht.

Blockchain Pionier
Deutschlands Pionier für Krypto-Assets: Laurenz Apiarius

Die Kunst der Perspektive

Apiarius weiß, dass beim Umbau der technologischen Infrastruktur und der Auswahl des passenden Geschäftsmodells  viele Fragezeichen im Raum stehen.  „Die Auswahl der Projekte ist entscheidend. Es geht darum, die Faktoren eines Ökosystems herauszufiltern, bei deren Anwendung der Einsatz eine dezentrale Technologie Sinn macht und die Perspektive bietet, eine große Dimension zu erreichen. Auf dieser Basis treffen wir unsere Investitionsentscheidungen.“

Blockwall entwickelt dafür Szenarien  und prüft seine Variablen auf Plausibilität. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Fall X eintreten wird? „Da Gute ist, dass wir als Fondsmanager flexibel am Markt agieren können und jederzeit Werte anpassen können, sollten sich Variablen, mit denen wir kalkuliert haben, in der Realität nicht eintreten“, erläutert Apiarius. Es werde sicher noch drei bis vier Jahre dauern, bis sich durch Blockchain-Technologie signifikante Verschiebungen und Veränderungen im Markt erkennen lassen und sich konkrete Use Cases für den Massenmarkt entwickeln werden. Alles andere wäre Spekulation. Aber aus der Testphase sei Blockchain definitiv raus. „Bei solchen Frühphaseninvestitionen ist eine rationale Vorgehensweise immens wichtig. Kaum jemand versucht, den Business Case hinter einem Token zu analysieren und zu bewerten. Für uns ist ein Investment ohne eine fundamentale Analyse ausgeschlossen“, zieht Apiarius Bilanz.

Im Juli wird Apiarius einen zweiten, geschlossenen Krypto-Fonds auflegen. Das Closing von Blockwall Capital II ist für Ende 2018 geplant.

 


Digitalisierung Industrieunternehmen

Interview mit Bernd Meidel: Pragmatismus statt Perfektionismus

Nur wenige Verlage haben eine so lange Tradition wie das Würzburger Fachmedienhaus Vogel Business Media. Seit letztem Freitag firmiert das Unternehmen unter dem neuen Namen „Vogel Communications Group GmbH & Co. KG“ und versteht sich künftig als umfassender Dienstleister für B2B-Kommunikation. Publisher Bernd Meidel ist seit Anfang der 90er Jahre an Bord des Verlagshauses und mit den Herausforderungen der Industriebranche bestens vertraut. Im Interview verrät er, wie es um die digitale Transformation in Industrieunternehmen Deutschlands bestellt ist und spricht über Learnings aus dem eigenen Haus.

Welche Trends zeichnen sich aktuell in Industrieunternehmen ab?

Die Unternehmer reden nicht nur mehr über die Digitalisierung, sondern sie packen sie nun wirklich an. Es tauchen zunehmend echte Anwendungen, reale Cases und Erfolgsstorys auf. Das ist schon ein Fortschritt im Vergleich zu den Vorjahren.

Was ist Ihnen dieses Jahr auf der Hannover Messe besonders aufgefallen?

Der Wettbewerb aus Asien nimmt deutlich zu. Deutschland ist führend im Maschinen- und Anlagenbau. Wir müssen hier am Standort Deutschland extrem aufpassen, dass uns in diesen Kompetenzen nicht der Rang abgelaufen wird.

Big Data ist die DNA für die Digitalisierung. Wie reagieren die Unternehmen auf die DSGVO?

Es herrscht eine rechtliche Unsicherheit, die meiner Meinung nach wie Fußfesseln wirkt. Das ist nicht sehr förderlich und kann sich schnell zu einem internationalen Wettbewerbsnachteil entwickeln. Mir scheint wichtig, dass die Unternehmen jetzt einen klaren Kopf bewahren, um den globalen Wettlauf im B2B-Geschäft nicht zu verlieren. Wir wissen ja, wie es im B2C-Bereich vor zehn Jahren ausgegangen ist und welche Firmen dort heute das Sagen haben.

 

"Deutsche Industrieunternehmen dürfen den globalen Wettlauf im B2B-Geschäft nicht verlieren."

 

Digitale Transformation erfordert den Unternehmen eine enorme Agilität ab. Wie gehen insbesondere mittelständische Unternehmen damit um?

Der Mittelstand steht vor dem Problem, dass das Alltagsgeschäft enorme Ressourcen bindet. Man muss Zeit und Raum finden für die Umstellung von Prozessen. Das ist von innen heraus schwierig. Ich bin der Überzeugung, dass digitale Transformation am besten durch externe Beratungen, Sparringspartner und Kooperationen möglich ist. Die Kunst wird es sein, die richtigen Partner hierfür zu finden, die auch bei Mitarbeitern auf Akzeptanz stoßen.

Inwieweit hat die Digitale Transformation Einfluss auf die Unternehmens- und Führungskultur der Industrieunternehmen?

Die Digitalisierung erfordert ganz andere Strukturen, als wir es in hierarchischen Führungskulturen kennen. Die klassische Arbeitszuweisung von oben nach unten funktioniert nicht. Selbstverantwortung ist mehr denn je gefragt, sowohl beim Zeitmanagement als auch bei normalen Arbeitsprozessen, wie bei uns die Arbeit von Redakteuren auf verschiedenen Systemen im Produktionsprozess. Das bedeutet für jeden einzelnen Mitarbeiter gestiegene Anforderungen an die Selbstorganisation. Damit kann nicht jeder von vornherein umgehen. Das ist ein Lernprozess, der Geduld, Hartnäckigkeit und Zeit verlangt.

 

"Der digitale Wandel ist ein ständiger Prozess und von kulturellen Erfolgsfaktoren geprägt."

 

Viele Unternehmen befinden sich schon seit Jahren inmitten eines permanenten Veränderungsprozesses. Was sind die größten Learnings, die bisher im Change Prozess gemacht wurden?

Ja, es stimmt, dass Veränderung der Normalzustand geworden ist. Doch die Auswirkungen der digitalen Transformation werfen völlig neue Handlungsmechanismen auf. Ja, es sind neue Paradigmen! Als Beispiel kann ich von unserer Transformation erzählen. Wir haben uns seit der Jahrtausendwende vom traditionellen Fachverlag in ein multimediales Fachmedienhaus weiterentwickelt. Wir kamen relativ schnell zur Erkenntnis, dass der Wandel ein ständiger Prozess ist und von kulturellen Erfolgsfaktoren geprägt ist. Generell zieht sich die Digitalisierung durch alle Unternehmensbereiche, da muss die ganze Organisation umdenken. Wir haben das mit der Verzahnung von internen, virtuellen Teams gelöst, haben die Belegschaft frühzeitig in den Prozess integriert und immer wieder Schulungen durchgeführt.

Und dann funktioniert es?

Nicht von allein. Man muss den Mut haben, auszuprobieren und Fehler zu machen. Und eine eigene Kultur entwickeln, mit diesen Fehlern umzugehen. Kein Perfektionismus, sondern Pragmatismus ist der Schlüssel. Das erfordert eine gewisse Lockerheit – auch von der Belegschaft - mit externen Unterstützern umzugehen und sie nicht als Bedrohung für die eigene Kompetenz oder gar Existenz im Unternehmen anzusehen.

Sie haben auf der Hannover Messe das Magazin Next Industry herausgebracht, wie kann man sich das neue Format vorstellen?

Wir bilden mit Next Industry das Querschnittsthema Digitalisierung über alle Branchen hinweg ab. Wir setzen dabei auf unsere traditionelle Branchenkompetenz und die Nähe zu den Unternehmen. Wir schaffen für das C-Level-Management ein Kompendium im deutschsprachigen Raum, in dem wir die wichtigsten Themen aufbereiten, Orientierung geben, Motivation und Impulse liefern.

Cover Erstausgabe, April 2018
Next Industry: Das Magazin zur digitalen Transformation in Industrieunternehmen

Wie stehen Sie im aktuellen Wettbewerb und wie positionieren Sie sich?

Die  Marktsituation im Bereich der Fachmedienhäuser ist unverändert: Print ist weiter rückläufig, aber langsamer als befürchtet. Wachstum verzeichnen wir im Digitalen und Eventgeschäft. Unser Ziel ist es, immer wieder ganz dynamisch branchenspezifische Communities mit neuen Themen aufzubauen. Das bedeutet, sie mit Informationen zu versorgen, sie in ihren Veränderungsprozessen zu begleiten und den Industrieunternehmen als Partner auf Augenhöhe zu begegnen. Das verstehen wir heute unter einem Verlagshaus im digitalen Wandel.

 

"In der Zukunft bleibt nichts beim Alten. Wir haben eine Kultur zur Veränderung geschaffen."

 

Sie haben also die Verschiebung vom klassischen Printgeschäft in andere Bereiche geschafft?

Print ist nach wie vor wichtig. Es geht um den richtigen Kommunikationsmix. Wir reden da nicht nur über Banner, Social Media, Chatbots oder Webinare. Auch die persönliche Begegnung spielt beispielsweise eine Rolle, im Vogel Convention Center finden seit 2007 sehr erfolgreiche Networking Veranstaltungen statt. Darüber hinaus haben wir die Vogel-Gründerwerkstatt initiiert, und damit einen Raum für Start-Ups am Standort Würzburg geschaffen. Und es wird auch Zukunft nichts beim Alten bleiben. Wir haben eine Kultur zur Veränderung geschaffen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meidel!

 

 

Weiterführende Links

Next Industry: Magazin zur digitalen Transformation in Industrieunternehmen

Umfirmierung in Vogel Communications Group


User Experience Design Experte

Interview mit Prof. Danny Franzreb: Die Therapie für Innovation

Um die Frage, wie innovative Technologien Mensch und Marketing verändern, ging es beim 11. Neuromarketing Kongress Ende April in der Münchner BMW Welt. Dort sprach ich mit Prof. Danny Franzreb vom Human-Centered Design Institut der Hochschule Neu-Ulm über den wissenschaftlichen Ansatz der User Experience und das Potenzial, damit echte Innovationen zu schaffen. Er ist Berater für digitale Medien mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Seine Arbeiten als Creative Director für Kunden wie Leica, Mercedes Benz oder die Deutsche Bank wurden vielfach mit nationalen und internationalen Designpreisen ausgezeichnet.

Prof. Franzreb, wir sind im Alltag umgeben von Unmengen digitaler Produkte und Services. Ist die Bedienbarkeit der Technologie der entscheidende Erfolgsfaktor?

Bei der Interaktion mit digitalen Medien geht um die Schnittstelle zwischen Mensch und Technologie. Und ja, die Nutzung und Bedienbarkeit ist absolut wichtig. Aber es ist eine eher defizitorientierte Sichtweise. Es gibt beispielsweise einen Unterschied zwischen tatsächlicher und gefühlter Effizienz. Emotionen spielen mindestens eine genauso große Rolle wie Bedienbarkeit – positive Emotionen führen erst zum Gefühl einer wirklich erfüllenden Produktnutzung.

Das bedeutet die „Faszination Technik“ allein reicht nicht mehr aus für die Kundenzufriedenheit?

Bei der Frage, welche Produkteigenschaften zum Erfolg führen, geht nicht mehr alleine um die technischen Möglichkeiten, sie fungieren teilweise nur noch als Hygienefaktor.

 

"Steve Jobs hat bereits in den 80er-Jahren erkannt, dass der Benefit für den Kunden nicht technologiegetrieben ist."

 

Wie kommt es zu dieser Entwicklung, haben Sie ein konkretes Beispiel?

Die Evolution zur User Experience lässt sich sehr schön am Beispiel Automobil erläutern: Früher nannte man das Cockpit des Automobils „Fahrerarbeitsplatz“. Heute sprechen wir schon vom Fahrerlebnisplatz. Die Entwicklung wird aber noch weiter gehen, Stichwort autonomes Fahren und Elektromobilität. Wir müssen uns die Frage stellen, welche Grundbedürfnisse ändern sich, und welche Produkte und Services entstehen in dem neuen Kontext und wie können wir sie erlebbar machen.

User Experience ist ein abstrakter Begriff, können Sie erläutern, wie man sich das vorstellen kann?

Modellhaft kann man User Experience in drei verschiedenen Dimensionen erklären. Zum einen die pragmatische Qualität. Die zweite ist die hedonische – hier sprechen wir von Dingen wie der Attraktivität und der damit verbundenen Stimulanz, die ein Erlebnis auslöst. Und die dritte Qualität ist die eudänomische, da geht es um langfristige Sinnhaftigkeit bzw. ethisch und sinnstiftende Nachhaltigkeit. Die funktionale Ebene eines Produkts ist dabei eine absolute Grundvoraussetzung. Alle drei Dimensionen sollten dazu führen, dass Erlebnisse so beurteilt und positiv uminterpretiert werden, dass sie persönliche Bedürfnisse befriedigen.

Wie schafft man solche positiven Nutzererlebnisse?

Eine moderne Herangehensweise im Human-Centered Design, bei der die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunktgestellt werden, ist das Konzept Design Thinking. Es ist ein kreativer Prozess, bei dem man mithilfe von Analysen und Feedback der eigentlichen Nutzer positive Nutzererlebnisse erzeugt und beeinflusst. Die Vorgehensweise ist iterativ, eine Art „Therapie“ für klassische Entwicklungsprozesse mit dem Ziel, Innovationen zu schaffen und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Wenn man sich speziell den Online-Handel anschaut, welche Maßnahmen tragen denn zu einer positiven User Experience bei?

Das Problem ist, dass Menschen grundsätzlich Erlebnisse schlecht antizipieren können – es bleibt immer „nur“ ein Stimmungsbild, ein Bauchgefühl. Man kann aber Erlebbarkeit stimulieren. Dazu muss man seine Kunden und deren Bedürfnisse gut kennen. Um beim Beispiel Online-Shops zu bleiben, kann man sein Sortiment durch klare Argumente wie Testberichte neutraler Institutionen anreichern. Oder über „weiche Argumente“ – wie zum Beispiel Produktauszeichnungen durch Awards oder auch Beurteilungen durch andere Nutzer, die als Stellvertreter für die eigentliche Produktnutzung fungieren.

Nun wird aber nicht jedes Produkt mit tollen Testberichten und Design-Awards ausgezeichnet…

Der Punkt ist: Erlebnisqualitäten werden legitimiert, wenn man darüber spricht. Man kann beispielsweise Produkte durch andere erlebbar machen. Influencer testen Produkte in der realen Umgebung und drehen darüber ein Youtube-Video, das ist nur ein Art der Umsetzung. Oder jetzt mal Multichannel gedacht: ein Produkt wird in einer Verkaufssituation im stationären Handel validiert. Auch ein Belohnungs-Framework könnte funktionieren. All das sind Bausteine, die zu einer positiven User Experience führen können. Die nächste Stufe wird sein, Erlebbarkeiten in virtuellen Realitäten zu schaffen.

Wenn ein bestehender Shop entscheidet, die User Experience in den Fokus zu nehmen, wie müsste er vorgehen? Was sind grundlegende Voraussetzungen?

Ein menschenzentrierter Designprozess würde bedeuten, dass man die Bedürfnisse der Nutzer von Anfang an in den Mittelpunkt stellt. Das heißt, dass man Nutzer in alle Phasen des Entwicklungsprozesses integriert. Es genügt hier nicht über Nutzer oder deren Bedürfnisse Hypothesen aufzustellen, man muss wirklich Nutzer im Prozess integrieren, also kontinuierlich Nutzerfeedback einholen. Ein Vorgehensmodell dazu wäre der Human-Centered Design Prozess nach Iso 9241-210. Es muss aber auch nicht immer gleich die ISO-Norm sein, Design Thinking oder Design Sprints stellen gute Alternativen zu dem sehr formellen Prozess der ISO dar.

Design Thinking
User Experience: menschenzentrierter Designprozess

Mit welchen Investitionen ist für ein solches Projekt zu rechnen?

Das ist pauschal schwer zu sagen. Natürlich sind größere Unternehmen mit entsprechenden Anforderungen gut damit beraten formale Rollen in dem Bereich zu etablieren. Dies geschieht auch gerade im digitalen Bereich schon seit einigen Jahren. Es muss aber nicht gleich eine ganze UX-Abteilung sein, man kann auch iterativ vorgehen und Kompetenzen in dem Bereich immer weiter ausbauen. Wir haben selbst gute Erfahrungen damit gemacht Unternehmen zuerst bei dem Aufbau solcher Kompetenzen zu begleiten, um diese dann langfristig bei internen Teams zu etablieren.

Welches Team müsste er dafür zusammenstellen? Welche Qualifikationen müssen die Mitarbeiter haben?

Im Leitfaden Usability des Dakks findet sich eine sehr gute Beschreibung der Rollen und Prozessschritte, die Typisch für solche Projekte sind. Generell kommen verschiedene Kompetenzfelder zusammen. Ursprünglich waren in solchen Prozessen sehr viele Informatiker involviert. Mittlerweile hat man aber erkannt, dass Nutzerforschung in seiner Natur ein sehr humanistisch geprägtes Feld ist. Daher arbeiten auch immer mehr Gestalter und Psychologen in dem Bereich. Einige Hochschulen bieten Studiengänge für User Experience oder Human-Computer Interaction an, das sind interdisziplinäre Studiengänge die alle Kompetenzfelder entsprechend abdecken.

 

"Der größte Fehler ist, pseudo-menschenzentriertes Design zu betreiben."

 

Welche grundsätzlichen Fehler werden bei der Umsetzung gemacht? 

Wenn man zwar versucht, sich Gedanken über die Bedürfnisse der Nutzer zu machen, alles aber größtenteils auf einer hypothetischen Ebene bleibt. Man bastelt dann quasi im Team pseudo Personas, Szenarien und User-Journeys ohne jemals wirklich Nutzerinterviews oder Beobachtung durchgeführt zu haben. Eigentlich sind das dann wieder nur die Meinungen von Teammitgliedern in Nutzerverhalten umformuliert. In der Realität weichen die Einschätzungen vom Produktteam und die Bedürfnisse wirklicher Nutzer dann aber doch sehr stark voneinander ab.

Sehen Sie derzeit bestimmte Trends in der User Experience?

In den letzten zehn Jahren ist die Situation schon sehr viel besser geworden. Dadurch, dass Unternehmen wie Apple oder Google so erfolgreich geworden sind, haben viele andere Unternehmen verstanden wie wertvoll es sein kann sich auf User Experience und menschenzentriertes Design zu fokussieren. Aktuell stehen wir vor neuen Herausforderungen wie die UX von künstlichen Intelligenzen, Voice UX oder AR/VR Experiences.

Gibt es konkrete Forschungsprojekte von User Experience mit AR und VR?

Es gibt erste Ansätze. Wir stellen uns im Moment die Frage, welche Eigenschaften von AR/VR Experiences für deren Beurteilung hinsichtlich der Nutzererfahrung entscheidend sind. Dazu kann man auf viele etablierte Methoden im Rahmen von Nutzungstests zurückgreifen, muss aber auch noch zusätzliche Tools und Testverfahren entwickeln.  Uns wird also so schnell nicht langweilig werden. Solange es neue Produkte und Services gibt, werden wir diese auch für Menschen optimieren, damit deren Nutzung auf funktionaler und emotionaler Ebene überzeugt.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Franzreb!

 

Weiterführende Links:

11. Neuromarketing Kongress

Human-Centered Design Institut der Hochschule Neu-Ulm

Leitfaden Usability des DAkkS


Generation Z

Yeay – alle Macht der Generation Z

Als Mutter von drei Teenagern weiß ich, dass die Generation Z eine ganz andere Art an Selbstbewusstsein an den Tag legt, als wir das in jungen Jahren je getan haben. Sie fordern Respekt und Gleichbehandlung, die mir einerseits als Elternteil manchmal zu viel des Guten wird und die ich andererseits insgeheim bewundere. Melanie Mohr, Gründerin von Yeay, zeigte auf dem E-Channels Day Anfang Mai in München eine weitere Dimension der Generation Z auf: Eine Geschäftstüchtigkeit, die mich persönlich nachdenklich stimmt.

Marketing-Welt aus Sicht der Teenager

Charles Bahr, 16 Jahre alt, Schüler und vermutlich Deutschlands jüngster Agenturchef, verwirklichte seine Geschäftsidee: Er erzählt Unternehmen, auf welchen Plattformen er und seine Freunde unterwegs sind, wie sie diese nutzen, was sie gut finden, was schlecht. Und rennt damit offene Türen ein. In seiner Influencer-Marketing-Agentur beschäftigt der Shootingstar der Werbewelt mittlerweile 15 Gleichaltrige. Er ist Speaker auf internationalen Marketing-Konferenzen, große DAX-Unternehmen holen den Jungunternehmer als Berater für Produktstrategien an Bord.

Der Erfolg von Charles ist die Folge der Veränderung durch den Medienkonsum und der Beweis dafür, dass die alte Marketing-Welt nicht mehr funktioniert. Die Generation Z, also alle ab Mitte der 90er-Jahre geborenen Kinder und Jugendlichen, werden sicher keine Produkte konsumieren, bloß weil Markenhersteller sie ihnen als cool und hipp verkaufen wollen. Keiner weiß das besser als Melanie Mohr, Gründerin und CEO der Teenager-Plattform Yeay. Auch sie holte Rat von Charles, er ist Mitglied eines zehnköpfigen Advisory Boards aus Teenagern, das weltweit für das Start-Up Yeay beratend tätig ist.

Testing mit Generation Z

Yeay ist eine der ersten europäischen Plattformen, die ihr Augenmerk auf die Generation Z legt, weg von den Millenials. Die Shopping-App basiert auf einem Affiliate-Modell und verbindet drei entscheidende Funktionen für junge Leute – Branding, Broadcasting und Shopping. Yeay ist die erste globale Marktplatz-App, die Videos zum Verkauf von Produkten verwendet. Mit mittlerweile über 700.000 App-Installationen und über 30 Mitarbeitern gehört Yeay zu den am schnellsten wachsenden Start-ups in Berlin.

„Die Art und Weise wie wir heute mit Technologie umgehen hat uns verändert. Kein anderer führt uns das so deutlich vor Augen wie die Generation Z, die heutigen Teenager“, so Mohr, selbst Mutter von drei Kindern, zwei davon im Teenager-Alter. Sie rät jedem Unternehmen, sich Teenager ins Haus zu holen und von der „Generation Snapchat“ Produkte und Services testen zu lassen. Auch jenen Unternehmen, die Teenager noch nicht zu ihrer relevanten Zielgruppe zählen. „Die Jugendlichen haben eine ganz andere Herangehensweise“, sagt Mohr. „Ihre User Experience, ihre Art und Denkweise unterscheidet sich komplett von den Erwachsenen. Man sollte ihnen zuhören, allein schon deshalb, weil sie die Kunden der Zukunft sind.“

Generation Goldfisch mit Sinn fürs Business

Die Dominanz von Mobile und Video bei dieser Generation ist eklatant. 79 Prozent der acht- bis 20-Jährigen entscheiden laut einer Untersuchung der Native-Advertising Experten Sharethrough binnen drei Sekunden, ob ein Video für sie interessant ist. Die Studienergebnisse belegen eine massive Abkehr von älteren Generationen. Eine Kluft in den Medienkonsumgewohnheiten, die wahrscheinlich mit der Zeit größer werden wird.

Mobile und Video
Die Dominanz von Mobile und Video bei der Generation Z ist eklatant.

Vor allem aber unterscheidet ihr Geschäftssinn die neue Generation von den Millenials: In einer Umfrage von Millenial Branding geben 72 Prozent der Teenager an, ihr eigenes Unternehmen gründen zu wollen. „Es gibt einen extremen Wertewandel“ so Mohr. „Die Jugendlichen wollen mitwirken, unternehmerisch gestalten und suchen Vertrauenswürdigkeit. Und sie wollen ihre Leistungen mit Aufmerksamkeit und Wertschätzung entlohnt wissen.“

Blockchain schafft eigenes Wertesystem

Was bedeutet aber nun Wertschätzung, wenn Jugendliche auf einer Plattform wie Yeay ihre Lieblingsmarke in einem selbstgedrehten Video inszenieren und in ihrer virtuellen Welt teilen? Melanie Mohr ist eine Verfechterin, die „Content Creators“ am Erfolg teilhaben zu lassen und die Teenager dafür zu honorieren. Derzeit belohnt Yeay das Engagement der Teenies für ihre Lieblingsmarken und –produkte mit einem Punktesystem – einer Art Loyaltyprogramm.

Vor fünf Monaten dann die große Erkenntnis, dass den Teenies das Punktesystem als Entlohnung für ihre kreativen Produktempfehlungen nicht mehr ausreicht. „We don’t want points, we want coins“, erfuhr Melanie Mohr im Gespräch mit ihren Nutzern. Sie will den Anforderungen ihrer Zielgruppe gerecht werden und treibt das Modell nun in die nächste Entwicklungsstufe. Blockchain-Technologie kommt ins Spiel. Die neue Infrastruktur des Internets, die auf Dezentralität basiert, und somit Verschiebungen von Werten – egal welcher Art – nachvollziehbar macht.

Blockchain-Apllikation für Generation Z
Yeay-Gründerin Melanie Mohr kündigt auf dem ECD 2018 den "Word-of-Mouth-Token" auf Basis der Blockchain-Technologie an.

Das Yeay-Entwickler-Team arbeitet derzeit mit Hochdruck an einem „Word-of-Mouth-Token“ auf Basis der Blockchain-Technologie als Gegenwert für Mundpropaganda und Produktempfehlungen. Markteinführung ist in drei bis vier Monaten geplant. Melanie Mohr hat damit große Pläne und adressiert auf dem ECD das Fachpublikum mit über 500 E-Commerce Experten: „Mit dem Word-of-Mouth-Token implementieren wir ein neues Wertesystem. Ihr alle werdet auf diesem Blockchain-Modell aufsetzen können, um die Generation Z zu erreichen und für die Zukunft ein optimales Shoppingumfeld zu gestalten.“ Der Vorstoß von Yeay gibt eine Idee, wie eine Applikation der Blockchain-Technologie im Retail aussehen könnte.

Verloren in der virtuellen Welt?

Ob man es ethisch für gut befindet, eine Kommerzialisierungsapplikation ausgerechnet für Teenager zu entwickeln, sei dahin gestellt. Die Kids sind in die digitale Welt hineingeboren, Technologie ist für sie eine Selbstverständlichkeit, die sie nutzen. Social Media gehört heute zum Prozess des Erwachsenwerdens dazu, zur Selbstfindung, zu wissen, wer man ist – was auch gut ist. Die Gefahr jedoch, dass ein Be- und Entlohnungssystem für Marketingzwecke eine noch größere Sogwirkung mit sich bringt, und die Teenies ausschließlich in ihrer virtuellen Welt abtauchen lässt, besteht durchaus. Für eine starke Persönlichkeit wie Charles, der weiß was er will, stellt dies sicher kein Problem dar. Aber es gibt da draußen auch labile Persönlichkeiten unter den Jugendlichen, die sich nach Aufmerksamkeit und Anerkennung sehnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Teenager den Blick für die reale Welt verlieren, die ja doch existent ist – noch.


Künstliche Intelligenz

Miriam Meckel im Gespräch mit Peter Turi:
Wenn Technologie auf das Gehirn trifft

Auf dem Landau Media Talk mit Miriam Meckel am Dienstagabend im The Charles in München schafft Medienprofi und Moderator Peter Turi eine einzigartige, sehr persönliche Atmosphäre. Die Professorin und Herausgeberin der Wirtschaftswoche fesselt die einhundert geladenen Gästen aus der Medienbranche mit ihren Thesen über digitale und neuronale Netze. Ich bin um die Erkenntnis reicher, dass wir vom technologischen Fortschritt nicht nur profitieren, sondern uns dabei auch unseren Urängsten stellen müssen.

Überfordert uns die digitale Welt?

Miriam Meckel legt eine Bilderbuchkarriere hin. Die Journalistin wird Ende der 90er-Jahre mit nur 31 Jahren jüngste Professorin Deutschlands am Lehrstuhl für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster. 2001 wird sie Staatssekretärin und Regierungssprecherin von Nordrhein-Westfalen, vier Jahre später ereilt der Ruf als Professorin und Direktorin des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. Dann 2008 der Zusammenbruch. Burnout. Sie äußert sich offen über die Abgründe, mit denen sie konfrontiert war, und ihre Learnings daraus.

Sie weiß, dass das Phänomen der Überlastung sich mehr und mehr in der Gesellschaft manifestiert. „Wir leben in einer immer schneller werdenden Welt. Das Wissen wächst exponentiell, das Tempo der Medien und Digitalisierung beschleunigt unser Leben. Wir müssen mit immer schneller aufkommenden Informationen umgehen, die erst mal verarbeitet und bewältigt werden müssen. Das führt oft zu Überforderung.“

Grund genug, sich die Frage zu stellen, was passiert dabei eigentlich mit unserem Gehirn? Welche Einflüsse hat die digitale Welt auf unsere Gedanken und wie können wir sie verbinden? Ihre Recherchen teilt sie nun in ihrem kürzlich veröffentlichten Buch „Mein Kopf gehört mir“. Dieses beginnt mit dem Zitat: „Immer schon war ich anfällig dafür, Dinge auszuprobieren, die mir nicht guttun.“ Was sie damit meint, sind mehrere Experimente, die sie mit sich selbst durchgeführt hat, um herauszufinden, was sich in ihrem Gehirn eigentlich abspielt.

Künstliche Intelligenz
KI und Brainhacking: Im 21. Jahrhundert trifft Technologie auf das Gehirn. Miriam Meckel hat ihr eigenes Hirn getestet.

Miriam Meckels Selbstversuche

Sie erläutert zwei Beispiele aus ihrem Buch. Das erste Experiment ist der Reizentzug. Dafür schließt sie sich 24 Stunden in eine Dunkelkammer im Kellergeschoss der Hochschule Zürich. Völlige Dunkelheit, Stille. Als erstes stellt sich Langeweile ein. Gefolgt von Nervosität über Fantasien bis hin zu wahnhaften Rezeptionen und Halluzinationen. Sie beschreibt das Gefühl wie ein Drogentrip ohne Drogen. „Reizentzug führt zu Irritationen des Gehirns. Ich war beeindruckt, welch kreative Kraft ausgelöst werden kann und wie die Nervenzellen anfangen zu feuern, wenn äußere Reize ausfallen.“

Das zweite Experiment: In den USA hat Miriam Meckel das Lifestyle-Produkt Thynk getestet, mit dem man das Gehirn beeinflussen kann. Dazu bringt man ein Gerät mit zwei Sensoren am Kopf an, über eine App steuert man dann Stromzufuhr aufs Gehirn. Es gibt verschiedene Programme, von Entspannung über Konzentrationsförderung bis hin zu Aktivitätsstimulation. Sie wählt „Activity“ mit erheblichen Nebenwirkungen: Übelkeit, 36 Stunden keinen Schlaf, Gesichtsverzerrungen. „Meine größte Erkenntnis aus diesem Selbstversuch war, dass das Gehirn ein sehr sensibles Organ ist. Es ist das Tor zum innersten Kern der Persönlichkeit. Damit muss man behutsamer umgehen, als man das vielleicht mit anderen Körperteilen tut.“ Sie erfährt Grenzen am eigenen Körper, die durch Gehirnmanipulation entstehen können.

Das menschliche Gehirn im Visier

Technologischer Fortschritt ist längst im Gehirn angekommen.  Was uns nicht bewusst ist: Alle digitalen Services der Internetriesen GAFA sind Produkte der Gehirnforschung. Mögen es anfangs noch Algorithmen gewesen sein, heute stehen lernende Systeme dahinter, die wie unser Gehirn funktionieren. Und sie lernen ständig durch die tägliche Nutzung von Millionen von Usern hinzu und werden besser. Künstliche Intelligenz macht es möglich. Miriam Meckels These ist, dass es in Zukunft eine Verbindung von menschlicher und künstlicher Intelligenz geben wird. Die nächste Evolutionsstufe wird sein, unser Gehirn direkt an die Technologien anzuschließen. Medizinische Forschung zeigt, dass das technologisch möglich ist. Es gibt Forschungsprojekte, bei denen Querschnittsgelähmte über Gedanken einen Roboterarm bewegen können. Für die Medizin ein Riesenfortschritt.

Kritisch wird es dann, wenn die Entwicklungen in Richtung Massenmarkt gehen. Mark Zuckerberg hat im Sommer 2017 angekündigt, ein Gerät entwickeln zu wollen, mit dem man Textnachrichten ins Handy "reindenken" kann, mit einer Geschwindigkeit von 100 Worten pro Minute. Elon Musk will mit der Firma Neuralink datenleitfähige Substanzen über das menschliche Gehirn legen. Das große Ziel: Hirn-Computer-Schnittstellen. Die Vision: Im Jahr 2050 werden Menschen vernetzt über Implantate – drahtlos - an eine intelligente Cloud angeschlossen sein. Das Horrorszenario schlechthin: Das menschliche Gehirn als nächstes Geschäftsmodell des Silicon Valley.

Neue Formation des Menschseins

Klingt alles nach Science Fiction? Dass die Kapazität unseres Gehirns begrenzt ist und Künstliche Intelligenz diese Grenze schon heute überwinden kann, zeigt kein besseres Beispiel als die Google-Software AlphaGO. Die selbstlernende KI-Software im Brettspiel „GO“ hat das menschliche Gehirn längst abgehängt. Es schlägt binnen kürzester Zeit nicht nur den Internationalen Champion Lee Sedol im Brettspiel GO, sondern wird selbst immer besser. Warum das so ist, können wir Menschen nicht mehr nachvollziehen. Es ist eine Blackbox. Wir wissen nur, dass es so ist.

Menschen sind dafür empfänglich, immer leistungsfähiger und effizienter werden zu wollen. In den USA sei es laut Meckel beispielsweise unter Studenten an den Universitäten gang und gäbe, das Medikament Ritalin einzunehmen, um das Denken und die Konzentration beim Lernen und bei Prüfungen zu verbessern. Wenn uns nun Künstliche Intelligenz dabei unterstützt, unsere Leistungsfähigkeit zu steigern, dann wird der technologische Fortschritt auch in diese Richtung weiter vorangetrieben.

Miriam Meckel ist davon überzeugt, dass es eine Verbindung von Biochemie des menschlichen Wesens und Technologie in Zukunft geben wird. Wie das Zusammenspiel von neuronalen und digitalen Netzen aussehen wird, kann heute keiner vorhersehen. Wir müssen mit der Entwicklung verantwortungsvoll umgehen. Dazu gehört in erster Linie, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich die richtigen Fragen zu stellen. Was ist mit der Privatheit der Gedanken? Was ist mit der Integrität der Persönlichkeit? Wo kann Künstliche Intelligenz uns das Leben erleichtern? Wo stellt es eine Gefahr dar? Wie ist es dann um unsere Selbstbestimmung bestellt? Wie schützen wir uns vor Manipulation und Missbrauch? Was Miriam Meckel fordert, ist Aufgeklärtheit: „Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass wir Menschen nicht auf ewig Herr unseres Oberstübchens sind. Es gibt dafür keine Bestandsgarantie. Wenn wir das Gehirn als Refugium behalten wollen, dann müssen wir uns darum kümmern.“

 

 


New Worka Staircase to Innovation

New Work - die Renaissance der Bürokultur

Nicht nur das Arbeiten an sich verändert sich im Zuge der Digitalisierung, auch das Arbeitsumfeld. Wie dies aussehen könnte, habe ich mir in München im neu eröffneten Steelcase Learning and Innovation Center mal genau angesehen – und war begeistert! Auch Coworking Spaces boomen. Dort finden vor allem kleine Unternehmen und Freelancer einen Ort der Inspiration – und ich einen triftigen Grund, einen Selbstversuch zu starten.

Zeitgemäßes Arbeitsumfeld

Laptop und Homeoffice. Für mich bedeutete dies lange Zeit das höchste Maß an Flexibilität im Arbeitsumfeld. Doch es gibt eine Wiedergeburt des Großraum- bzw. Gemeinschaftsbüros, die aber ganz anders aussieht, als wir es bisher kennen. Man stelle sich vor, man käme morgens ins Büro und hat keinen festen Arbeitsplatz. Das ist die Ausgangssituation, wenn man als Mitarbeiter in das Learning und Innovation Center von Büromöbelausstatter Steelcase in München kommt. „Die Herausforderung ist, dass man seinen ganzen Arbeitstag komplett anders strukturieren muss“, erklärt Christiane Winckler, Account Manager EMEA bei Steelcase in der Briennerstrasse. Welche to do’s stehen heute an und wie lassen sich diese am effizientesten erledigen? Welche Räumlichkeiten brauche ich dazu und welche Teams muss ich mir dafür zusammenstellen? Diese Fragen stellen sich jeden Tag neu.

Steelcase Gebäude in der Briennerstrasse 42 in München

Die Welt der Arbeit ist heute einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt: Der digitale Wandel und disruptive Innovationen erschüttern vermeintlich etablierte Geschäftsmodelle und verschärfen den Wettbewerb zusehends. Wettbewerbsfähigkeit hängt mehr denn je von Innovationskraft ab. Dieses Potenzial will Steelcase ausschöpfen, indem das Unternehmen zeitgemäße Arbeitsbedingungen schafft. „Effiziente und agile Arbeitsumgebungen tragen dazu bei, Menschen zu inspirieren, Innovation anzuregen und damit den Unternehmenserfolg zu steigern“, ist Christiane Winckler überzeugt. Wertschöpfung spiele dabei eine zentrale Rolle.

Durchdachte Raumarchitektur

Die Tour durch das fünfstöckige Gebäude bringt einen wirklich zum Staunen. Abgesehen von den hochwertigen Büromöbeln aus dem Steelcase-Sortiment, die alle per se funktional durchdacht und auf jedes einzelne Arbeitsumfeld optimiert sind, ist das gestalterische Konzept des Gebäudes wirklich beeindruckend. Es geht schon beim Empfang los, der keine klassische Theke aufweist – wie man sie aus nahezu allen Unternehmen kennt - sondern komplett offen gestaltet ist.

Empfang, Steelcase Learning und Innovation Center

An der Geschäftsführung kommt man als Mitarbeiter und als Kunde nicht vorbei, denn die ist nicht abgeschottet im fünften Stock über den Dächern Münchens eingenistet – sondern als erste Anlaufstelle gleich am Aufgang in den ersten Stock in einem offenen Raumkonzept integriert. Leadership Community nennt man das bei Steelcase. Und das Treppenhaus selbst dient als zentraler Dreh- und Angelpunkt des gesamten Gebäudes. Offen gestaltet treffen sich hier die Mitarbeiter zum konspirativen Austausch. Es gibt Zonen für kreative Zusammenarbeit und Rückzugsorte für konzentrierte Einzelarbeit, insgesamt über drei Stockwerke verteilt. Das WorkCafé und ein gemütlicher Innenhof runden das Konzept ab. Der fünfte Stock ist abgeschottet und gleichzeitig der repräsentativste Ort. Hier finden Kundenworkshops statt, denn seien wir ehrlich, „New Work“ muss sich am Ende des Tages auch auszahlen: Auf den Mehrwert, den man für die Kunden dadurch schafft.

Rückzugsort für Mitarbeiter und Kunden  - Steelcase Bibliothek

Das Beispiel Steelcase zeigt ein Umdenken, wie man den kulturellen Wandel mit Mitarbeitern und einem agilen Arbeitsumfeld vollziehen kann. „Unser Konzept ist natürlich nicht eins zu eins auf andere Unternehmen übertragbar“, weiß Christiane Winckler, die durch langjährige und internationale Berufserfahrung bei großen Konzernen schon viel gesehen hat. Aber immer mehr Unternehmen kommen auf Steelcase zu und wollen nicht mehr nur eine Büroausstattung, sondern binden neue Arbeitskonzepte in ihre Unternehmensstrategie mit ein.

Coworking schafft nachweislich Inspiration

Das Ergebnis: Es entsteht ein ganz neuer Typus an Arbeitsorten, wo Austausch und Inspiration unter den Kollegen stattfindet. Das hat auch Einfluss auf seine Gestaltung. Die Entwicklung geht immer mehr hin zu einer Umgebung, die sich flexibel darauf anpasst, was gerade im Arbeitsprozess sinnvoll ist. Den Anfang dieser Entwicklung machten die Coworking Spaces, die aktuell aller Orten wie Pilze aus dem Boden sprießen. Im Jahr 2020 soll es laut einer Prognose des Instituts Emergent Research weltweit über 77 Prozent mehr Coworking Spaces geben als es noch im Jahr 2017 der Fall war.

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts untersucht, inwieweit Coworking die Innovationsfähigkeit von Unternehmen wirksam unterstützen kann. Im Ergebnis zeigt sich, dass es zwar keine Coworking-Universallösung gibt, die meisten der befragten Unternehmen aber große Chancen sehen, durch Corporate Coworking strategische Wettbewerbsvorteile zu verwirklichen. „Corporate Coworking ist prinzipiell in sehr unterschiedlichen organisatorischen und räumlichen Varianten vorstellbar. So können beispielsweise Arbeitsplätze in Coworking Spaces angemietet werden oder aber ein Unternehmen versucht, seinen eigenen Coworking Space zu entwickeln. Ebenfalls denkbar ist die zugegebenermaßen gewagte Vorstellung, dass Coworking projektweise an Urlaubsorten stattfindet“, erläutert Klaus-Peter Stiefel, Projektleiter Office 21 Coworking Studien beim Fraunhofer Institut.

Und weil ich an neuen Ideen und Denkweisen per se schon immer interessiert bin, erkläre mich nun selbst zur Testperson: Nach zehn Jahren Home-Office, das mir in der letzten Dekade wirklich ein optimales Arbeitsumfeld bot,- insbesondere unter dem Aspekt der Vereinbarung von Familie und Beruf - werde ich ab Sommer 2018 in den neuen Coworking Space WeWork am Oskar-von-Miller Ring in München einziehen. Flexibel und agil habe ich eigentlich schon immer gearbeitet, aber ich freue mich auf mehr Inspiration als in den eigenen vier Wänden.


JK Portrait

Porträt des Branchenanalysten Jochen Krisch:
Der Coach an der Seitenlinie

Jochen Krisch ist im deutschen E-Commerce einer der profiliertesten Experten, dabei aber durchaus streitbar. Für sein Porträt auf changelog treffe ich ihn zu einem sehr intensiven und offenen Gespräch bei herrlichem Frühlingswetter im Münchener Biergarten. Wir kennen uns über zehn Jahre und ich schätze seine Beständigkeit und Ruhe, die er ausstrahlt, sehr. Und doch merke ich, es herrscht bei ihm Aufbruchsstimmung. Eine persönliche Momentaufnahme des Branchenanalysten.

Am Anfang war es Teleshopping

Als Jochen nach dem Platzen der Dotcom-Blase in den Anfängen der 2000er seinen Blog Exciting Commerce initiiert, ist sein Karriereweg alles andere als geplant. Beim ersten deutschen Teleshopping Sender H.O.T. – damals ein Joint Venture von Quelle und ProSieben, heute HSE24 –  kann er Ende der 90er Jahre die Erfahrung sammeln, die er später in seinen messerscharfen Analysen seines E-Commerce-Blogs einsetzen wird: Analyse von Programminhalten, Formaten, Sendungen, ja auch die Performance von Moderatoren, darüber hinaus Prognosen und Forecasts. Damals schon konkret messbar, nach Abverkäufen – wie heute die KPIs im E-Commerce.

Jochen geht gerne unkonventionelle Wege. Was ihn treibt, ist die Neugier. Als in den USA Liveshopping-Konzepte wie Woot! („OneDayOneDeal“) aufkommen und das Web 2.0 die Welt erobert, wittert er seine Chance und hebt den Branchenblog Exciting Commerce aus der Taufe. Zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt er damit. Er kann aus seinem Know-how aus dem Teleshopping schöpfen und gleichzeitig den Blog als Lernmedium für eine junge Branche formen. Seine Intention dabei ist, andere am Lernen teilhaben lassen, zum Denken anregen, Inspiration bieten. Der Blog startet durch. Es folgen Aufträge als Publizist in Fachmedien, Vorträge, Moderationen. Der Pangora E-Commerce Kongress inspiriert ihn, in der immer virtueller werdenden Arbeitswelt einen Branchen- und Network-Event zu schaffen, der inhaltlich seinen hohen Ansprüchen genügt. Die K5 entsteht.

Opponent des stationären Handels

Ein legendäres Streitgespräch mit Prof. Gerrit Heinemann publiziert in der Brand Eins im Jahr 2015 macht ihn über Nacht zum personifizierten Widersacher des stationären Handels. Noch heute steht er für die kontroverse Meinung ein, dass der Handel nur dann eine Chance hat, wenn er sich Onlinekompetenz einkauft. Mit seiner persönlichen Onlinekompetenz wäre er prädestinierter Retter für den stationären Handel. Aber das entspricht nicht seiner Überzeugung. Er glaubt an eine Transformation der ganzen Branche, aber nicht an eine digitale Transformation des stationären Handels. Der Handel stelle sich die falschen Fragen, versuche die Online-Welt krampfhaft in den klassischen Strukturen zu verankern. Das ist aus seiner Sicht der falsche Weg. In den USA sieht er es allen Ortens: Fläche und Shopping Center funktionieren nicht mehr. Retailcalypse nennt er das. Seine Hypothese ist, dass About You in zehn Jahren erfolgreicher und profitabler sein wird als die Muttergesellschaft Otto.

Er weiß genau, dass er damit mehr als polarisiert und ist mit seiner Meinung exponierter als er es sich manchmal wünschen würde. Ihm ist bewusst, dass manche Leute ihm zum Vorwurf machen, durch kontroverse Thesen im Rampenlicht stehen zu wollen. Aber Selbstvermarktung hat er nie im Sinn, ihm geht es um die Sache. Er will neue Denkrichtungen anstoßen, Themen voranbringen, er möchte gestalten und an Fortschritt arbeiten. Dafür nimmt er in Kauf, in seiner Position ab und an auch einsam dazustehen.

Katalysator für Start-Ups

Jochen begleitet von Anfang an die Start-Up Szene der E-Commerce-Branche, beobachtet Unternehmen und Gründer, berichtet über sie, kennt viele persönlich, sein Netzwerk ist groß. Irgendwann erreicht er den Status, dass die Szene sich bei ihm Rat einholt. Er wird Sparrings-Partner und Advisor, beispielsweise kürzlich als Beirat beim Tech-Startup Frontastic oder teilweise auch als Gesellschafter wie beim Möbelshop Connox. Ihn prägt ein hohes Involvement zu den Unternehmen, bei denen er sich engagiert und trägt durch die eigene Kompetenz und Erfahrung seinen Teil zum Erfolg der Start-Ups bei. Das verschafft ihm selbst Unabhängigkeit und Freiheit, die er zu schätzen weiß. Er fühlt sich wohl in der Rolle als Coach am Spielfeldrand und es gefällt ihm, sich in Form von Branchen-Know-how und einem brillanten Netzwerk von Inkubatoren und  Accelerator-Programmen einzubringen.

Er selbst ist kein Gründertyp, auch kein Manager. Routine und Prozesse nerven ihn. Er braucht die Abwechslung. Alt Bewährtes stellt er immer in Frage und treibt damit alle anderen, nicht zuletzt das K5-Team, in den Wahnsinn. Er spürt die Rastlosigkeit, die ihn antreibt, zählt sich zu den Working Nomads. Länger als vier Wochen am selben Ort hält er nicht aus. Dann zieht es ihn weiter und er lässt sich an anderen Fleckchen der Erde inspirieren.

Seine Hypothese: Dem Online-Handel fehlt es an Kapital

Die Venture Capital Welt ist seine große Leidenschaft. Ihn interessiert alles, was mit Kapital und Vermögensmanagement zu tun hat. Sein Know-how aus dem E-Commerce will er in Zukunft damit verbinden. Er weiß genau, wo die Not groß ist, er weiß, wo Risiken liegen, aber auch die Chancen. Seine Sichtweise hilft ihm für eine glasklare Betrachtung: In den letzten Jahren hat eine Professionalisierung der Branche stattgefunden, Wachstum, Skaleneffekte haben sich eingestellt. Innovative Online-Verkaufskonzepte – eher Fehlanzeige. Auch sein erwarteter, echter Umbruch im E-Commerce ist bisher ausgeblieben. Nach der Euphorie der Online-Shopping-Clubs aus den Jahren 2005 bis 2010 sieht er nichts Weltbewegendes mehr. Er zieht seine Schlüsse: Die größte Bremse ist das fehlende Kapital. Die Zalandos und Amazons dieser Welt werden als so übermächtig wahrgenommen, dass Investoren sich bei allen andere E-Commerce-Projekten zurück halten. E-Commerce spielt im Venture Capital Bereich eine nachrangige Rolle. Für den Handel von morgen fehlt es kapitalseitig an Strukturen, die langfristig ausgerichtet sind. Er sieht Chancen für spezialisierte Fonds, die E-Commerce-Unternehmen in allen Phasen und Größenordnungen unterstützen.

Vom Publizist zum Kapitalmarktanalyst

Denn das Risiko für Kapitalgeber ist seiner Meinung nach nicht so hoch wie es scheint. Hier will er etwas in Bewegung bringen, zielt auf Familiy Offices, Private Equity Häuser, institutionelle Anleger. Sein 2015 mit Sven Rittau aufgelegter Global Online Retail Fonds erreicht nach bald drei Jahren mit jährlichen Wachstumsraten im zweistelligen Bereich nun eine Schwelle, die sich in der Investment-Szene sehen lassen kann und er glaubt daran, mit den richtigen Partnern noch weitere Investments auflegen zu können.

Dollarzeichen in den Augen wie Dagobert Duck? Jochen ist durchaus wettbewerbsorientiert, möchte Erfolg haben, aber mit sinnvollem Beweggrund. Es geht ihm nicht darum, Geld zu scheffeln, er will die Branche verändern. Immer auf der Suche nach Neuem, ein ständig Lernender ist er gleichzeitig ein begnadeter Strippenzieher. Nach dem publizistischen Hebel über Exciting Commerce und K5 versucht er es nun über den Hebel des Kapitalmarkts und zündet die nächste Stufe für seine neue persönliche Herausforderung. Die Chancen, die sich ihm bieten, nimmt er gerne an, da ist er opportunistisch genug. Planbar ist seine Karriere ohnehin nicht, dazu ist er viel zu sehr in Bewegung.


GMW Reportage Aufmacher

Reportage Mittelstand: Visionen kommen aus der Provinz

Im Rahmen eines Projektes für unseren Partner Wegerer, Wegerer durfte ich Maximilian Pfeifer interviewen, Geschäftsführer und Inhaber des metallverarbeitenden Betriebs Gersfelder Metallwaren im gleichnamigen 6000-Einwohnern-Ort in der Rhön. Von der unternehmerischen Persönlichkeit zeige ich mich nachhaltig beeindruckt. 

Im Jahr 2014 übernahm Maximilian Pfeifer unerwartet früh das Ruder von seinem verstorbenen Vater. In kürzester Zeit ist im Unternehmen viel passiert. Pfeifers Visionen und seine unternehmerische Passion prägen die Erfolgsgeschichte. „Mittelständler müssen nicht in Jahren, sondern in Generationen denken“, sagt er. Eine Bürde. Als er das Erbe seines Vaters angetreten hat, habe er das Unternehmen für die nächste Generation zukunftssicher machen wollen. Dazu gehöre, dass man zunächst das Bestehende erst mal hinterfrage und auch das Risiko auf sich nähme, Veränderungen in die Wege zu leiten. Pfeifer hat den richtigen Weg eingeschlagen. Nach anfänglicher Skepsis in der Belegschaft, haben am Ende des Tages alle an einem Strang gezogen.

Konsequentes Change Management

Der 32-Jährige erläutert weiter, was er in den letzten Jahren als Geschäftsführer konkret verändert hat: „Wir haben die Unternehmensstruktur, die vorher eher zentralistisch organisiert war, komplett am Kunden ausgerichtet. Dies beinhaltete zum Beispiel die Schaffung einer neuen Abteilung „Supply Chain Management“, die den gesamten Lieferprozess – vom Angebot über den Auftrag bis zur Auslieferung überwacht und managt und somit die Performance verbessert. Außerdem haben wir den Vertriebsinnendienst neu organisiert und die interne Kommunikation verbessert. In der Produktion haben wir den Materialfluss verbessert. Wir haben in einen Routenzug investiert, der einen stapelfreien Materialzufluss ermöglicht. Dadurch haben wir mehr Kapazitäten für mehr Umsatz geschaffen.“

Der Erfolg gibt dem Unternehmer Recht: „Im Vergleich zum Vorjahr können wir in 2017 ein Umsatzwachstum von zehn Prozent vorweisen und stehen mit einem Jahresumsatz von 42 Millionen Euro sehr gut da“, kommentiert Pfeifer stolz. Nicht nur die Geschäftszahlen des 275-Mann-Betriebs stimmen, auch ist das Unternehmen für die Zukunft gerüstet. Volle Auftragsbücher, Auslieferungen von Präzisionsteilen für den prestigeträchtigen Porsche 911er, Exporte bis nach China, die Erfolgsliste ließe sich beliebig lange fortsetzen.

Lediglich der Fachkräftemangel würde dem Unternehmenswachstum zu schaffen machen, aber auch das bekämen sie mittelfristig in den Griff. In junge Fachkräfte investiere man, um sie langfristig an den Familienbetrieb zu binden. Schließlich komme ihnen auch die zentrale Lage des Unternehmens im Herzen Deutschlands mit Einzugsgebieten aus drei Bundesländern zugute.

Digitale Transformation um ihrer selbst willen?

Auf die Frage um den Hype der digitalen Transformation und die Herausforderungen gerade für ihn als Mittelstandsunternehmer, herrschte bei meinem Gesprächspartner erst mal Stille. Ich war mir nicht sicher, ob ihm klar war, auf welchen vermeintlich wunden Punkt, der durch einschlägige Medien getragen wird, ich hinauswollte. Wo man hinschaut die Thesen, dass der Mittelstand in Sachen Digitalisierung hinterherhinke. Pfeifers klare Antwort öffnete mir jedoch die Augen für knallharte wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Relation:  „Wo uns die Digitalisierung hilft, unsere Prozesse zu vereinfachen oder zu beschleunigen, werden wir natürlich in Zukunft investieren.“

So habe das Unternehmen das gesamte Warenwirtschaftssystem auf SAP umgestellt, um hier die Prozesse und Kapazitätsplanungen digital abbilden zu können. Außerdem habe man in eigene Glasfaserleitungen investiert, um den Zugang zum Netz abzusichern und Produktionsdaten schneller bearbeiten zu können. Im nächsten Jahr werde eine digitale Scannerlösung im Wareneingang- und -ausgang eingeführt.

Weltoffene, kluge und kreative Unternehmer wie Maximilian Pfeifer wissen genau, wo sie stehen, wo sie hin wollen und wie sie ihre Ziele erreichen. Es besteht keinerlei Gefahr, dass sie sich der Digitalisierung verschließen, ihre unternehmerische Verantwortung lässt sie aber genau rechnen, welche Investition sich in der Zukunft auszahlen wird.