Normalerweise ist Sven Rittau derjenige, der die Fragen stellt, wenn er im Cheftreff mit Branchengrößen aus dem Nähkästchen plaudert. Diesmal heißt es aber Rollentausch in seinem Podcast-Studio in der Winzererstraße in München: Sven gibt Einblick in seine unternehmerischen Erfahrungen und persönlichen Erkenntnisse. Wir sprechen über Werte und Wertschätzung, Persönlichkeitsfindung und die Grenzen traditioneller Denkweisen im digitalen Zeitalter. Und er gibt einen Ausblick auf die K5 2020. Ein Porträt über den leidenschaftlichen E-Commerce-Unternehmer und Macher der K5.
Sven ist schon als Kind vom Unternehmertum fasziniert – vielleicht, weil er selbst aus einem ganz anderen Umfeld kommt. Während er zu Schulzeiten sein Taschengeld bei Penny als Regalarbeiter aufpoliert, schnappt er sich die Lebensmittelzeitung, die sein Chef und Filialleiter abonniert hatte und verfolgt mit großem Interesse das Branchengeschehen. Dass er später tatsächlich im E-Commerce landet, ist dann einfach so passiert.
Seinen ersten Job tritt er als Unternehmensberater bei Roland Berger an. Seine Aufgabe: Eine Preisstrategie für die Großhandelssteuerung bei Viessmann Heiztechnik zu entwickeln. Dafür lebt er als Nomade aus dem Koffer. 60-Stunden-Woche steht auf der Tagesordnung, den Rest der Zeit verbringt er in Hotelzimmern. Nach knapp einem Jahr sieht er sich am Limit. „Am Ende eines solchen Projekts kann einen durchaus eine Sinnkrise überkommen. Da fragt man sich schon, was kommt danach?“
Aus Krisen wachsen
Etwa ein Jahr später, 1999, erfolgt die Gründung eines Online-Zoofachhandels. Zusammen mit seinen Mitgründern Cornelius Patt, Florian Seubert und Roland Honekamp verfolgt er mit großem Interesse den aufsteigenden Kometen in den USA, das Online-Geschäftsmodell von pets.com. So etwas gibt es zu dieser Zeit in Europa nicht. Er macht, was er im Studium im schweizerischen Fribourg und bei Roland Berger gelernt hat: eine umfangreiche Konsummarktanalyse. Das Gründerteam kommt zu dem Schluss, dass die Chancen gut stehen. Der Markt für Tiernahrung und –bedarf ist fragmentiert, preisstabil und es handelt sich um emotionale Convenience Produkte.
„Du brauchst immer in etwa fünf Jahre, um dein Business aufzubauen und zu etablieren. Dann spürst du merklich, dass dein persönliches Engagement Früchte trägt.“
Der Erfolg gibt ihnen Recht. Zooplus startet durch, Investoren steigen ein, das Start-Up expandiert ins Ausland. Rückblickend gibt Sven schmunzelnd preis: „Sobald du dir einen Investor reinholst, ist es der Anfang vom Ende deiner eigenen Firma. Natürlich gibt es dazwischen noch ein paar Abstufungen. Aber am Ende des Tages läuft es darauf hinaus.“
2001 platzt die Dotcom Blase – jegliche Art der Finanzierung ist auf Eis gelegt. Zooplus muss Auslandmärkte schließen und 30 Mitarbeiter entlassen. Das Gründerteam versucht, Deckungsbeiträge so gut es geht zu optimieren, um das Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Die Durststrecke dauert zwei Jahre, bis Zooplus wieder auf Kurs ist. Sein Learning von damals: „Krisen und Knappheit führen zu kreativen Lösungen. Und eigentlich sollte man jede Firma regelmäßig durch künstliche Krisen führen!“
Netzwerk als Grundqualifikation
Heute ist Sven auf seinem Karriereweg dort angekommen, wo er sich wohl fühlt und Ausgeglichenheit verspürt. Anfangs noch geprägt von Disziplin, Zielerreichung, Input-Output-Relation und dem Ziel, monetären Erfolg zu erreichen, sind für ihn an deren Stelle andere Werte getreten. „Das ist auch eine Lifestyle-Frage. Arbeit 24/7 ist wahrscheinlich eher was für die jüngere Generation“, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Für ihn ist die Wertschätzung seiner persönlichen Kontakte und seines Netzwerks sehr wichtig. Seine feste Überzeugung ist, dass Vernetzung heute ein absoluter Skill ist. Egal ob digital oder analog.
„Stelle dir erst das richtige Team zusammen, bevor du unternehmerisch tätig wirst.“
Seinen heutigen Geschäftspartner Jochen Krisch lernt er 2011 kennen – Sven ist Speaker auf der allerersten K5. Sie laufen sich immer wieder in verschiedenen Beiratskonstellationen über den Weg, in denen sie Jungunternehmern zur Seite stehen. 2013 ist für Sven ein „Hänger-Jahr“, wie er es nennt. Bei Shirtinator steckt er in einer Sackgasse, die Konstellation passt nicht mehr wirklich. Im damaligen Handelsumfeld sieht er nichts, wo er sich hätte mit Begeisterung engagieren wollen. Letztendlich entscheidet er aus Bauchgefühl, mit Jochen die K5 als Plattform weiter auszubauen.
K5: Haptik der Begeisterung
Von außen gesehen ist das zunächst eine explosive Konstellation, die sich formen muss. „Jochen – the brain, und ich – die Rampensau! Obwohl, ein bisschen Hirn hab ich auch“, lacht Sven. Es gibt in den ersten Jahren durchaus Reibungspunkte. Aber es gelingt den beiden relativ zügig, sich die komplementären Stärken zunutze zu machen.
Was beiden dabei hilft, ist gegenseitiges Vertrauen und eine strategische Weitsicht zu entwickeln. Sie finden die Schnittstellen, die es ihnen ermöglichen, ein gemeinsames Produktverständnis zu formen. Handel der Zukunft, neue Technologien, neue Modelle und Prozesse. Relevanter Content und ein Netzwerk mit Digitalkompetenz.
Auch die Frage danach, wie sich Wachstum im digitalen Wandel finanziert, woher das Kapital kommt und wie man das Investmentrisiko minimiert, eint die beiden Partner und führt stringent im Jahr 2015 zur Gründung des Glore50, dem ersten globalen E-Commerce Aktienfonds.
Selbst- und Fremdbild
Sven will Leute begeistern, Veränderungen anstoßen und inszenieren, weil ihm das ein gutes Gefühl gibt. Das tut er nicht aus altruistischen Gedanken heraus. „Die Empfindung, die ich dieses Jahr bei der K5 hatte, lässt sich für mich persönlich als Manifest beschreiben. Wir gestalten hier und jetzt gemeinsam die Zukunft und ich bin ein Teil davon! Auch wenn es esoterisch klingen mag, aber positive Impulse, die man gibt, werden als positive Energie wieder zurückkommen.“
Sven legt starken Wert auf Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung – und holt sich darin auch externe Unterstützung. „Die eigene Wahrnehmung ist eine sehr einseitige Sichtweise. Ich frage daher immer wieder Menschen, die mir wichtig sind, was sie an mir schätzen und was nicht. Das ist eine gute Methode, um seinen Charakter weiter zu entwickeln.“ So hat er ein klares Bild vor Augen, dem er wie einem Polarstern folgen und an dem er sich immer wieder orientieren kann.
Faszination Geschäftsmodell
Sven schwärmt von der „Schönheit eines Geschäftsmodells“. Das muss er näher erläutern: Wenn ein Problem auf eine andere Art und Weise gelöst wird und das dann ökonomisch Sinn macht. Innovation entsteht u.a. dann, wenn gegebene Faktoren neu kombiniert werden.
Er macht es an einem Beispiel im E-Commerce fest. Wenn man Retouren und Free Shipping als Teil des Geschäftsmodells von Anfang an mit einkalkuliert, kommt man eben auf andere Lösungen – bestes Beispiel ist Zalando. Picnic ist für ihn aktuell das andere Paradebeispiel im Food Bereich: Weg mit der klassischen DHL-Paketdenke, Entwicklung eigener Lieferfahrzeuge, angepasste App-basierte Routenplanung und der Fahrer wird Teil des Kundenerlebnisses.
Grenzen klassischer Denkweisen
Diese Art der Denke kann man seiner Meinung nach auch viel größer stricken. „Vermeide oder bekämpfe Probleme wie Armut, Zuwanderung oder CO2 Ausstoß ist ein alter Denkansatz. Da stoßen wir schnell an Grenzen. Der andere wäre, diese Themen wie eine Ressource bzw. Rohstoff und Teil unserer Gleichung zu behandeln.“ Traditionelle Denkweisen bringen uns nicht weiter.
„Content-First ist Maxime: Du musst es schaffen, dass die Leute über deine Inhalte diskutieren. Und den hohen Qualitätsanspruch konsequent verteidigen, besser noch weiter ausbauen.“
Das adaptiert er auch für sich persönlich. Er ist der festen Überzeugung, dass die K5 als Plattform durchaus noch ausbaufähig ist. Ideen dafür hat er schon im Kopf. Warum nicht Formate mit exklusivem Zugang zu Wissen und Digital Leadership konzipieren? Noch ist nichts spruchreif. Vielleicht wird das die Basis für ein Sprungbrett, im nächsten Schritt wirklich Veränderungen zu bewirken, die auch einen gesellschaftlichen Wert haben. Indem gegebene Faktoren neu kombiniert werden.
Ausblick K5 2020: Zehnjähriges Jubiläum
Für die Konferenz am 26./27. Mai 2020 hat er sich zusammen mit dem K5-Team viel vorgenommen. Schließlich feiert die K5 Zehnjähriges! Die Ausstellung ist schon so gut wie ausgebucht. Noch wird intensiv am Programmkonzept gearbeitet. Sven verrät schon mal so viel, dass es eine zweite Content-Bühne geben und sich die Konferenz internationaler ausrichten wird. Stay tuned!
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