Alle sprechen vom Wandel, der bevorstehenden digitalen Disruption. Sogar Angela Merkel sagt immer wieder, dass unserem Land so tiefgreifende Veränderungen bevor stünden. Aber was genau ist gemeint? Digitale Disruption klingt schließlich sehr abstrakt und so richtig greifbar ist dieses „Schreckgespenst“ ja auch nicht. Es gibt allerdings Beispiele, die helfen, die Zukunft zu erahnen. Unternehmen, die durch ihr datengetriebenes, hochautomatisiertes Geschäftsmodell plötzlich Märkte erobern, die vor wenigen Jahren noch als uneinnehmbar galten. Unternehmen, die es plötzlich wagen, auf den ersten Blick so investitionsintensive und monopolartig organisierte Branchen wie das Personentransportwesen mal ordentlich umzukrempeln: Unternehmen wie Flixbus.
Erst die Straße, jetzt die Schiene
Flixbus wurde 2013, nach dem Fall des Bahnmonopols, gegründet und ist mittlerweile klarer Marktführer – nicht nur in Deutschland. Auf der Straße sind die grünen Busse längst ein bekanntes Bild. Und das Streckennetz des Unternehmens ist tatsächlich beachtlich: Täglich sind bereits 250.000 Verbindungen zwischen 1.400 Orten in 27 Ländern mit den Bussen erreichbar. Tickets für Fernbusreisen sind schon ab 5,- Euro erhältlich. Aber wie wir alle wissen, will sich Flixbus nicht nur auf die Straße beschränken, auch die Schiene und damit die Vorherrschaft der Deutschen Bahn wird angegriffen. Seit August 2017 ist die Strecke Berlin-Stuttgart in Betrieb, am 23. März soll Hamburg-Köln hinzukommen – ab April 2018 übrigens in Zügen im schicken grasgrünen Unternehmens-Outfit. „Zukünftig ist man per Flixtrain ohne Umsteigen von Düsseldorf, Essen oder Köln genauso schnell in Hamburg wie mit dem ICE“, verspricht Flixbus-Gründer André Schwämmlein.
Daten, Technologie, Kundenzugang
Basis der Erfolgsstrategie von Flixbus ist sein durch und durch datenbasiertes Geschäftsmodell. Umsatzträchtige Verbindungen und Strecken werden ausschließlich anhand von Daten identifiziert und es sind auch wieder Daten, aus denen das Unternehmen Infos für Optimierungspotenziale zieht – und aus Kundenfeedback. Denn Flixbus hat es geschafft, eine Community aus Flixbus-Reisenden aufzubauen und hat so – sicher auch gepaart mit der obligatorischen Sympathie für Underdogs – eine starke Kundenbindung mit hohen Sympathiewerten geschaffen. 1.626.353 Personen haben heute Flixbus auf Facebook abonniert und es gibt inzwischen zahlreiche Reiseberichte von Flixbus Travellern. Damit gelang es dem Unternehmen, einen direkten und persönlichen Zugang zum Kunden zu etablieren und erhält gleichzeitig einen unschätzbar wertvollen Fundus an Geschichten fürs eigene Marketing.
Auch Technologie-Innovationen wie ein unkompliziertes Buchungs- und Ticketingsystem, die FlixBus-App, GPS-Livetracking und ein automatisiertes Delay-Management lassen die Deutsche Bahn in mancherlei Hinsicht heute alt aussehen. Mit smarter Netzplanung und einem dynamischen Preismanagement verspricht Flixbus zudem stets das günstigste Angebot für eine Strecke. Damit kann das Unternehmen in Echtzeit auf Marktveränderungen wie z.B. den Start des Deutsche Bahn-Sprinters zwischen München und Berlin reagieren – und die Preise zu den Fahrtzeiten des Schnellzugs einfach ein bisschen herunterschrauben.
Auch Services wie z.B. kostenfreies WLAN in den Bussen hat Flixbus schon vor vielen Jahren eingeführt – übrigens lange vor der Deutsche Bahn. Daniel Krauss, Geschäftsführer und CIO der Flixmobility Tech GmbH, erklärte dazu in seinem Vortrag auf der Internet World Expo Anfang März 2018: „Seit wann gibt es Internet? Sagen wir seit ca. 20 Jahren. Die Deutsche Bahn hat kostenloses WLAN im ICE für Reisende der zweiten Klasse im Januar 2017 eingeführt.“ Weiterer Kommentar überflüssig.
Digitale Disruption
Auf der Internet World Expo machte Daniel Krauss in Jeans, T-Shirt und Rucksack auch optisch klar, dass er weiterhin frischen Wind in eine eingestaubte Branche bringen will. Und er lieferte mit seinem Unternehmen ein Paradebeispiel, wie digitale Disruption mit Hilfe von Technologie, Daten und einer gewissen Portion Frechheit auch alteingesessene Unternehmen wie die Deutsche Bahn angreifen können. Inwieweit Dr. Richard Lutz, seit März 2017 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, das Start-up aus Berlin schon auf dem Schirm hat, ist natürlich nicht bekannt – besser für ihn wäre es aber.