Philipp Westermeyer, eine Ikone der Digitalbranche. Mit nur 39 Jahren ist der Gründer der Online Marketing Rockstars (OMR) einer der erfolgreichsten deutschen Internetunternehmer. Bei meinem Besuch in seinem Büro im Hamburger Schanzenviertel bekomme ich als erstes eine Führung durch die heiligen Hallen vom „Chef“ persönlich. Danach das Interview in einem loungigen Besprechungszimmer. Plötzlich huscht OMR-Kollege Rikkert mit einer Kamera rein: Foto-Shooting für die tägliche OMR Instagram Story. Er dokumentiert alles, was inhouse passiert und postet es auf Instagram. Ich lasse mich gerne über den neuesten Kult der Social Networks evangelisieren. „Instagram ist die aktuelle Welle“, erklärt mir Philipp in einem Nebensatz. Da müsse man leider doch dabei sein. Und was ist seine ganz persönliche Story? Ein Porträt über einen leidenschaftlichen Medienmacher.
Es ist schon immer Philipp Westermeyers Wunsch, in die Medienwelt einzusteigen. Die Erfolgsgeschichten der privaten Medienunternehmen wie der RTL Group oder der Kirchgruppe in den 90er Jahren faszinieren ihn. Er träumt von einem Job als Sportjournalist. Ein bisschen naiv, wie er heute schmunzelnd zugibt. Als Schüler jobbt er in seiner Heimatstadt Essen u.a. bei der WAZ im Lokalsport und bei Radio Essen und saugt die Funktionsweise von Medienunternehmen in seine DNA ein. Die bleibende Erkenntnis: Für ihn erstrebenswert ist vielleicht doch eher ein Job als Produzent oder als Medienmanager. Denn in dieser Position ist man vordergründig zumindest weniger abhängig.
Steile Karriere als Internetunternehmer
Nach dem Studium schafft er den Einstieg als Vorstandsassistent bei Bertelsmann. Kurze Zeit später wird er Investment Manager von Gruner + Jahr New Media Ventures. Eine gute Position, um hautnah mitzubekommen, was in der Medienbranche gerade los ist. Die Goldgräberstimmung rund um die aufsteigenden Social Web Communities ist gigantisch. Er erlebt, wie damals StudiVZ bei den Verlagen zur Übernahme feilgeboten wird, der Deal am Ende an die Holtzbrinck Gruppe geht und die Gründer sehr viel Geld bekommen. Daraufhin sucht er sein eigenes Gründungsthema und wird zunächst mit SEO-Seiten, später mit Technologien für Online-Advertising fündig.
Einige selbst getextete und für Google konzipierte SEO-Seiten später gründet er zusammen mit Tobias Schlottke und Christian Müller den Restplatzvermarkter adyard und verkauft ihn nach nur eineinhalb Jahren an die Bertelsmann-Tochter Ligatus. Wenig später starten die Drei die auf Display-Advertising und Real-Time Bidding spezialisierte Firma metrigo. Er verkauft die Gesellschaft an die Axel Springer-Tochter Zanox. Doch der Deal wird aufgrund von Differenzen um die Ausrichtung rückabgewickelt und geht an die Gründer zurück. Er startet einen zweiten Versuch und findet mit Zalando erneut einen Abnehmer.
Die Technologie Black-Box
Philipp blickt auf diese Zeit mit gemischten Gefühlen zurück. Obwohl er seine gegründeten Firmen erfolgreich auf die Straße bringt und gut veräußern kann, empfindet er in dieser Phase ein gewisses Unwohlsein. Was ihn bei den Werbetechnologie-Firmen stört, ist, dass er selbst die Software nicht beherrscht und bei Entscheidungen über die Machbarkeit und Umsetzung von den Einschätzungen der Entwickler abhängig ist. „Es war wie eine Black-Box. Ich wollte Dinge bewegen und musste mir von den Softwareentwicklern sagen lassen, dass es nicht geht. Kein gutes Gefühl, sich so von anderen abhängig zu machen. Mich ständig absichern und mich auf die Einschätzung anderer verlassen zu müssen, das ist eigentlich so gar nicht mein Ding.“
Das mit OMR ist eine ganz andere Sache. Seine Leidenschaft zu Medien lässt in Philipp eine Idee heranreifen. 2011 debütiert OMR im klassischen Konferenzformat mit 200 Teilnehmern, acht Jahre später ist es ein internationales Festival mit 50.000 Teilnehmern und eine Organisation, die übers ganze Jahr eine treue, stets wachsende Community über den Blog, Podcasts, Reports und einer Jobbörse mit Content versorgt.
Der Weg dahin ist mit einigen „Geburtsstrapazen“ verbunden, wie er selbst zugibt. Philipp brennt für die OMR. „Bei der OMR könnte ich theoretisch jederzeit jede Aufgabe selbst übernehmen. Natürlich steckt mein Team viel tiefer im Detail und die machen einen ausgezeichneten Job. Aber ich weiß was Sache ist – bei jedem einzelnen!“ Bei anstehenden Entscheidungen kann er einschätzen, was geht und was nicht geht.
Primus inter pares
Das macht ihm die Rolle als Leitfigur einfacher und das spiegelt sich auch in seinem Führungsstil wieder. Er ist der Primus inter Pares, der Erste unter Gleichgesinnten, der das Team demokratisch führt. „Hier arbeiten meine Freunde, wir sind ein Team, ein Netzwerk. Nur weil ich Gründer und Unternehmer bin, habe ich keine andere Stellung als die anderen. Natürlich versuche ich, dem Team einen Rahmen zu geben und tue dafür mein Bestes.“ Er schätzt das als Privileg, das merkt man ihm an, auch wenn man ihm zum ersten Mal begegnet. Seine Einstellung prägt nachhaltig die Unternehmenskultur. Von seinen Mitarbeitern wird er freundschaftlich, respektvoll „Der Chef“ genannt. In der Unternehmensgeschichte gibt es bisher nur drei Kündigungen, darauf ist er sehr stolz.
Wertschätzung ist für ihn ein wichtiges Element. 75 Mitarbeiter stecken jeden Tag ihre Inspiration und ihr Engagement in die Marke OMR. „Der eigentliche Wert der OMR sind meine Kollegen.“ Auf die Frage, ob es schwierig sei, gute und passende Leute zu finden, antwortet er gelassen. „Es ist vergleichbar mit der Parkplatzsuche in Elmsbüttel (Hamburger Stadtteil, Anmerkung der Redaktion). Man findet vielleicht nicht auf Anhieb einen, schon gar nicht vor der Haustür. Aber dreht man ein paar Runden um den Block, wird einer frei. Man muss Geduld haben und sich die Zeit nehmen.“
Die Brand OMR oder Personality Westermeyer?
Sich selbst sieht Philipp mehr als Medienmacher, weniger als ein Digitalmacher – wobei das für ihn heute nicht mehr trennbar ist. Er weiß, dass ohne seine Person das Brand Building nie so gut funktioniert hätte. „Immer schon waren erfolgreiche Medienmarken stark von Personen abhängig. Ich denke da an Rudolf Augstein und Der Spiegel. Oder Thomas Gottschalk und Wetten Dass?. Oder international Henry Blodget, der für Business Insider steht.“ Er empfindet das als Stärke und Schwäche gleichzeitig.
Medienmacher, die stark personifiziert nach außen auftreten, haben einen klaren Vorteil. Sie können authentisch kommunizieren. Es ist das Phänomen des persönlichen Kontakts mit der Zielgruppe, eine Art partnerschaftlichen Auseinandersetzung. „Parasoziale Beziehung nennt man das – das habe ich im Studium gelernt“, fügt er mit einem Grinsen hinzu.
Sein neuestes Projekt zahlt genau darauf ein. In Kooperation mit dem Hamburger Abendblatt wird im Mai das Personality-Magazin „Philipp“ aufgelegt. Es war die Idee des Abendblatt-Chefredakteurs Lars Haider, der ihm den Vorschlag für das Print-Pilotprojekt unterbreitet. Das Magazin soll einen ganz klaren, regionalen Fokus haben und die ganze Region Hamburg für die Themen des OMR Festivals begeistern. „Für mich persönlich hat das ehrlich gesagt eine kleine Portion an Selbstironie. Ich weiß genau, dass ich nicht prominent bin wie eine Barbara Schöneberger oder ein Jerome Boateng, die als Testimonials und journalistische Blattmacher den Verlagen zu neuen Reichweitenrekorden verhelfen sollen. Ich bin eher der Nischentyp.“
Redaktionell hat Philipp einen klaren Plan für das Magazin, das pünktlich zur Eröffnung des OMR Festivals am 7. Mai an den Hamburger Kiosken erhältlich sein wird. Dazu gehören zum Beispiel Porträts von hidden digital Champions oder eine persönliche Reportage über erfolgreiche deutsche Rapper, die Instagram-Phänomene sind.
Es ist ihm durchaus bewusst, dass es auch ein unternehmerisches Risiko birgt, die Marke OMR auf seine Person auszurichten. Daher hat er in den letzten Jahren immer darauf geachtet, dass auch sein Team mehr und mehr in der Öffentlichkeit steht. So ist das Redaktionsteam rund um Roland Eisenbrand für fast alle Inhalte der OMR verantwortlich und werden sichtbarer. Auch OMR-Podcast-Chef und Ex-Basketball-Profi Vincent Kittmann rückt immer öfter für Interviews ins Rampenlicht.
Begeisterung für Podcasts
Medienkonsum wird sich seiner Meinung nach weiter dramatisch verändern. Organische Reichweite zu bekommen, wird immer schwieriger. Um Zielgruppen zu erreichen, muss man neue Formate testen, testen, testen. So macht er es selbst auch gerade mit Instagram. Philipp weiß, wovon er spricht. Vor vier Jahren ist er einer der First Mover in der Produktion und Vermarktung von Podcasts. Der OMR-Podcast zieht heute wöchentlich 40.000 Hörer in den Bann. Auch für externe Partner vermarktet die OMR Podcasts, zu den größten Projekten zählt der Podcast awfnr mit Joko Winterscheid und Paul Ripke.
„Wir haben das Podcast-Format frühzeitig für tolle Storys genutzt, das wissen unsere Nutzer zu schätzen.“ Mit Podcasts kann man einfach ganz nebenbei Content konsumieren. Menschen nutzen heutzutage ihre Zeitfenster ganz anders als sie es früher getan haben. Radio on-demand macht es möglich. Zu jeder Zeit an jedem Ort das hören, was man möchte und was einen interessiert.
Das Podcast-Geschäft professionalisiert sich zunehmend. Kein Wunder, das Vermarktungspotenzial ist enorm, die Content-Qualität nimmt stetig zu. Viele Publisher springen auf die Podcast-Welle auf. Jüngstes Beispiel dafür ist Ex-Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart mit seinem Morning Briefing Podcast, in dem er täglich illustre Gäste aus Politik und Wirtschaft zum Weltgeschehen zu Wort kommen lässt.
Die politische Dimension des Digitalen
Auch Philipp lässt nichts anbrennen. Er startet im Januar zusammen mit Axel Springer Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner den digitalen Polit-Podcast „Berlin Dinner“. Bei einem gemeinsamen Abendessen talken die beiden mit profilierten Vertretern der Digitalökonomie, Gründern und Politikern. Die Reihe soll zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten in loser Folge ohne feste Termine stattfinden. Die Dinner Diskussion wird jeweils als Podcast und mit Videoausschnitten über digitale Kanäle und soziale Netzwerke verbreitet. Im Auftakt-Podcast diskutieren Gäste wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Grünen-Politiker Cem Özdemir über die Fragen der digitalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu China und den USA.
Philipp sieht sich dabei in einer gewissen Verantwortung als Medienmacher. „Im Digital- und Medienbusiness kommt man nicht mehr drum herum, auch politisch zu denken und mit zu gestalten. Allein die Fragen, die sich hinsichtlich Datenschutz und Plattformökonomie politisch stellen, darauf muss man eingehen.“
Vision und Persönliches
Ebenso sieht er seine Mission, den Mittelstand jenseits der Metropolen Berlin, Hamburg und München mit den digitalen Themen abzuholen. Er will für klassische Industrieunternehmen eine Plattform für Know-how im digitalen Business und für Weiterbildung schaffen.
Auch über Internationalisierungspläne denkt er nach. Zwei Mal wird er bereits aus dem asiatischen Raum auf eine Expansion angesprochen. „Das würde aber für mich bedeuten, viel Zeit in Asien zu verbringen. Das kann und will ich in meiner aktuellen Lebenssituation mit meiner Familie nicht. Das ist entschieden.“ Für ihn gibt es aber immer einen Weg. Er bringt einfach die Digital Leader*innen aus aller Welt auf das Festival nach Hamburg.
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