Am 23. November ist es wieder soweit: Es ist Black Friday! Und dann beginnt sie wieder, die Jagd auf die billigsten Preise, krassesten Discounts und verrücktesten Verkaufsrekorde. Mindestens ein Wochenende lang herrscht dann Ausnahmezustand im Handel – sowohl online als auch auf der Fläche. Wehe dem Händler, der da nicht mitzieht und seinen Kunden nicht mindestens 25 Prozent Rabatt auf Alles einräumt. Aber: Können Händler sich das überhaupt leisten? Und gibt es einen Weg, um aus dieser Preisspirale heraus zu kommen?

Schnäppchenwahn als Gewinnkiller

„Inspiriert“ von den USA, hat die heimische Handelsszene erst vor wenigen Jahren den Black Friday als Schnäppchentag eingeführt. Heute liegt Deutschland mit einem geschätzten Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro am Black-Friday-Wochenende hinter den USA und Großbritannien weltweit auf dem dritten Platz. Inzwischen ist allerdings klar geworden, dass die „Erfindung eines Schnäppchentages“ so kurz vor Weihnachten ein gefährliches Spiel für den Handel ist. So mancher spricht gar von der Büchse der Pandora, die besser hätte geschlossen bleiben sollen. Denn es ist kein Geheimnis, dass der Black Friday die Erwartungen oft nicht erfüllt – schon gar nicht die des Handels. Im Januar 2018 beispielsweise verkündete der Mutterkonzern von MediaMarkt Saturn, dass der Schnäppchentag im November für deutlich weniger Gewinn im wichtigen Weihnachtsgeschäft sorgte. Die Preisreduzierungen am Black Friday seien einer der Hauptgründe dafür, dass das operative Ergebnis des größten deutschen Elektronikhändlers um mehr als 15 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen habe. Auch aus Konsumentensicht gab es durchaus Anlass für Ärger: Im allgemeinen Kaufwahn entpuppte sich so manches Superschnäppchen im Nachhinein als doch kein so gutes Angebot, weil mancher Händler den Rabatt von den unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller berechnete, der ohnehin oft deutlich über dem Marktpreis liegt. Oder es wurden Ladenhüter verkauft, die längst abgeschrieben waren. Auch das Shoppingerlebnis selbst wurde oftmals zum Geduldsspiel, weil mancher Server dem Useransturm nicht gewachsen war.

Rekordverkäufe und extreme Retouren

Der Black Friday lebt vor allem von Spontankäufen. Viele Kunden überlegen es sich bei Lieferung aber wieder anders und retournieren das bestellte Produkt. Diese ungeplanten Einkäufe lassen somit zwar die Umsätze schlagartig in die Höhe schnellen, die Retourenquoten allerdings auch – und damit die Kosten pro Bestellung. Die extrem hohen Retouren zum Black Friday sind vor allem für kleine Händler schwer zu stemmen. Nicht nur, dass Rücksendungen die Marge verringern. Wenn Produkte teils wochenlang im Retourenprozess gebunden sind, können sie auch nicht verkauft werden. Laut Clear Returns waren in Großbritannien im Jahr 2015 zwischen dem Black-Friday-Wochenende und Mitte Dezember Waren im Wert von rund 680 Millionen Euro durch Retouren blockiert.

Mehr Wert in Zeiten des Billigen

Sind wir also auf dem Weg zu einer Discountgesellschaft? Wenn Rabattaktionen vom Kunden erwartet werden können, warum sollte er dann noch zum regulären Preis kaufen? Besonders nachhaltig ist es aus Sicht der Händler also nicht, regelmäßig neue Rabattschlachten anzuzetteln. Anstatt also stetig an der Preisschraube zu drehen, könnten Unternehmen einen anderen Weg einschlagen, nämlich den Wert des Produktes erhöhen. Das kann auf vielfache Weise geschehen und muss nicht zwangsläufig zu teuren, wohl aber zu wertvolleren Produkten führen. Eine Maßnahme kann Storytelling sein: Erst in einem begehrenswerten Kontext erhält ein Produkt seinen Wert, etwa weil es in einem besonderen Herstellungsverfahren erstellt wurde, Urlaubserinnerungen weckt oder aus einer besonderen Idee heraus entwickelt wurde. Dann macht es einen Unterschied, ob ein Produkt einem Dorf in Guatemala zugute kommt oder in einer kleinen Manufaktur in Deutschland hergestellt wurden. Menschen, die mit einem Produkt ein bestimmtes Gefühl verbinden, lassen sich weniger stark vom Preis lenken.

Production-on-Demand für weniger Angebot

Insbesondere die Fashionbranche versucht gerade, einen Weg aus der Preisspirale heraus zu finden – indem sie das Angebot verringert. „Production-on-Demand“ ist hier das Zauberwort. Asien möchte darin Vorreiter werden und entwickelt mit Hilfe staatlicher Waren- und Massenproduktionsverfahren, die Verbraucher direkt mit den Fabriken verbinden, um Massenproduktionssysteme auf Abruf zu etablieren. Damit will man die heute oft überbordenden Überproduktionen verhindern. Das grundlegende Problem der Branche ist, dass bei der Produktentwicklung und anschließenden Produktion noch niemand weiß, welche Produkte sich gut verkaufen werden. Um für den schwankenden Verbraucherwunsch gerüstet zu sein, sind Fashionfirmen gezwungen, viel zu produzieren – viele Kollektionsteile und hohe Stückzahlen. Das verschlingt nicht nur hohe Lager- und Produktionskosten, es ist auch klar, dass ein großer Teil der Ware keinen Käufer findet – jedenfalls nicht zum regulären Preis. Um die Marke durch Billigangebote nicht zu gefährden, vernichten manche Hersteller daher lieber ihren Überhang. Um die Produktentwicklungszyklen zu verkürzen experimentieren in Asien aktuell viele Hersteller mit Production on Demand – wenn auch im Moment nur im Bereich „Basics“ in Standardstoffen und –farben. Wie der Konsument auf ein geringeres Angebot und stabilere Preise reagieren wird bleibt abzuwarten – angesichts gewohnt übervoller Fashionläden und unendlicher Online-Sortimente ist das wahrscheinlich noch viel schwerer vorherzusagen.